Schon seit vielen Jahren ahnt die Medizinstudentin Emma (Fanny Leander Bornedal), dass ihr Vater Martin (Nikolaj Coster-Waldau) ihr etwas verschweigt. Nach dem Suizid ihrer Mutter verschließt er sich noch mehr und zieht sich immer wieder in das Sommerhaus zurück. In den Aufzeichnungen ihrer Mutter findet Emma jedoch ein paar Zeitungsartikel, die fast 30 Jahre zurückreichen und ihr ein paar Antworten geben auf die Fragen, denen ihr Vater aus dem Weg geht. Als junger Mann war er nämlich als Nachtwächter eingestellt und wurde dort von einem Serienmörder bedroht. Ihrem Tod konnten er und seine spätere Frau nur knapp entkommen, sodass Emma ahnt, dass das Trauma dieses Abends ihrem Vater noch immer zu schaffen macht. Indem sie den Mörder von damals, Wörmer (Ulf Pilgaard), in seiner Zelle in der Psychiatrie besucht, versucht sie durch eine direkte Konfrontation, eine Reaktion ihres Vaters zu erzwingen. Zudem nimmt sie einen Studentenjob als Nachtwächterin an, genau dort, wo auch Martin vor fast 30 Jahren arbeitete.
Als Martin herausbekommt, was seine Tochter hinter seinem Rücken getan hat, will er sie davon überzeugen, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Jedoch kehrt das Trauma grausam wieder zurück, als eine neue Mordserie beginnt und der Täter dieselbe Vorgehensweise wie einst Wörmer an den Tag legt.
Viel Altes, etwas Neues
Als 1994 Nightwatch – Nachtwache in die Kinos kam, katapultierte der Film Regisseur Ole Bornedal ins internationale Filmgeschäft. Während aus den Vereinigten Staaten mit Scream – Schrei! eine neue Welle der Slasher-Filme begann, machten sich auch europäische Produktionen daran, das Horrorgenre mit neuen Ideen und Figuren zu beleben, sodass Bornedals Film zur richtigen Zeit kam. Nach nun 30 Jahren kommt mit Nightwatch: Demons Are Forever eine Fortsetzung, die zunächst auf Festivals wie den Fantasy Filmfest White Nights zu sehen sein wird, bevor sie regulär ins Kino kommt. In dieser will Bornedal nach eigenen Aussagen auf das Schweigen in vielen Familien zu sprechen kommen, die Idee, dass man seine Vergangenheit verschweigt oder nicht vollständig offenlegt, was zu seinem schweren Erbe für die nächste Generation führt.
Dass ausgerechnet Nightwatch eine Fortsetzung spendiert bekommt, hätte man sicherlich nicht erwartet, vor allem, weil der erste Teil schon so lange zurückliegt. Dass Bornedals Film einen gewissen Einfluss hat, kann man jedoch nicht bestreiten, wenn man Filme wie beispielsweise The Possession of Hannah Grace oder den wirklich guten The Autopsy of Jane Doe betrachtet, die mit ähnlichen erzählerischen oder ästhetischen Mitteln spielen wie es Bornedals Film tat. Deshalb muss Nightwatch: Demons Are Forever schon etwas anders machen und kann sich nicht mehr auf die Prämisse eines einsamen Wächters, einer dunklen Nacht und einer Leichenhalle verlassen.
Bornedal geht dafür den Weg, den viele Filmreihen gehen und gibt den Staffelstab an die nächste Generation ab, während die Protagonisten von damals mit dem Trauma ihrer Erlebnisse hadern. Dies kann man in vielfacher Hinsicht verstehen, denn Fanny Alexander Bornedal, die Tochter des Filmemachers, spielt im Film die Tochter Martins und muss herausfinden, warum sich ihre Mutter wahrscheinlich selbst umbrachte und ihr Vater sich in Schweigen hüllt, wenn es um die Vergangenheit geht. Die Wiederholung der bekannten Motive (natürlich muss Emma auch Nachwächterin werden) geht es in erster Linie um die Konfrontation, was einige ganz reizvolle Szenen nach sich zieht, aber insgesamt erzählerisch etwas dünn bleibt.
Ein Kreislauf des Traumas
In Nightwatch und dessen Fortsetzung, so Bornedal, geht es unter anderem darum, wie man Traumata an die nächste Generation weitergibt, weil man diese verschweigt. Nikolaj Coster-Waldau spielt mit Martin die Figur, an der man dies am besten sieht, denn er ist in mehrfacher Hinsicht ein gebrochener Mann, der sich in Schweigen und Tabletten flüchtet, um sich zu betäuben. Vor allem die Wiederbegegnung mit Martins alten Freund Jens (gespielt von Kim Bodnia) ist schauspielerisch gut gelungen. Sie zeigt das langsame Erwachen eines Mannes, der zu sich selbst findet und wieder handlungsfähig werden will.
Auch Fanny Bornedal hat einige interessante Szenen, beispielsweise die Begegnung mit Wörmer, die nicht nur schauspielerisch, sondern in erster Linie von der Inszenierung her zu den Highlights des Filmes gehört. Hier scheint sich Bornedal auch andere Inspirationen genommen zu haben, denn nicht umsonst erinnert gerade diese Szene an die erste Begegnung Clarice Starlings mit Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer. Natürlich gehören auch die Gänge durch die dunklen Hallen des Leichenhauses dazu, in erster Linie wegen des Sounddesigns. Das sind jedoch nur Momente in einem Film, der vor allem erzählerisch nicht viel zu bieten hat, was dem Zuschauer im Gedächtnis bleibt.
OT: „Nattevagten – Dæmoner går i arv“
Land: Dänemark
Jahr: 2023
Regie: Ole Bornedal
Drehbuch: Ole Bornedal
Musik: Ceiri Torjussen
Kamera: Lasse Frank Johannessen
Besetzung: Nikolaj Coster-Waldau, Kim Bodnia, Fanny Bornedal, Sonja Richter, Paprika Steen, Ulf Pilgaard
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur Ole Bornedal zu unterhalten. Im Interview zu Nightwatch: Demons Are Forever sprechen wir mit ihm über die Arbeit an dem Thriller.
Amazon (DVD „Nightwatch: Demons Are Forever“)
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)