Der 19-jährige Pole Robert (Hubert Milkowski) versucht sein berufliches Glück in einer Fabrik in Norwegen – ohne Sprachkenntnisse und als Gastarbeiter will er Geld verdienen, um die Schulden seiner Mutter zu begleichen. Das Fremdsein im neuen Land währt nicht lange, schnell findet er Freunde unter gleichgesinnten polnischen Gastarbeitern. Als er sich dann in den jungen Norweger Ivar (Karl Bekele Steinland) verliebt, treffen zwei Welten aufeinander: Robert, der seine Sexualität vor den traditionellen Werten seiner Landsleute geheim hält, und Ivar, der offen schwul ist und der sein kann, der er will. Als dann auch noch Probleme in der Fabrik auftreten, sieht Robert sich zwischen den Fronten aus Liebe, Geld und seiner inneren Zerrissenheit gefangen…
Heimatferne Arbeit
Norwegian Dream von Regisseur Leiv Igor Devold erzählt vor einem sehr europäischen Hintergrund eine gefühlvolle Geschichte zweier junger Liebenden, die über sprachliche und kulturelle Barrieren hinweg den Weg zueinander finden. Gastarbeiter, gerade aus dem östlichen Europa, sind ein oft unter den Teppich gekehrtes Thema, wo sie doch nicht unwesentlich für den Erhalt der europäischen Wirtschaft sorgen und nahezu unsichtbar die undankbaren und doch so wichtigen Tätigkeiten aus Pflege, Bau und Fabrikarbeit übernehmen. Selten beschäftigen sich Spielfilme mit diesem Thema, noch weniger häufig mit den persönlichen Problemen, die zuhause auf junge Arbeitende wie Robert warten und sie überhaupt erst dazu gebracht haben, diese Heimat zu verlassen. Diese Herausforderungen behandelt der Film zwar nur dezent, sie sind aber in jeder Szene und im Schauspiel des Hubert Milkowski spürbar und legen einen lähmenden Schleier über Robert und seinen Alltag.
Doch nur eine Romanze
Während das ungewohnte Setting des kargen Norwegens die schwierige Situation des Protagonisten passend unterstreicht, wird sie jedoch schnell nebensächlich. Am Ende des Tages scheint Norwegian Dream eben doch nicht so ortsgebunden zu sein, wie der Titel vielleicht vermuten lässt. Norwegen ist selbstverständlich ein spannendes Land mit großen finanziellen Ressourcen, sehr gutem Gesundheitssystem und Sozialhilfen und damit ein begehrtes Ziel für Auswanderer und Arbeitskräfte, die vor allem durch die hohen Löhne gelockt werden – doch unser Film legt einen klaren Fokus auf die Romanze zwischen Robert und Ivar mit nur kleinen und gelegentlichen Einblicken in den „Norwegian Way of Life“. Trotzdem oder gerade deswegen kann das Schauspiel der beiden Leads überzeugen und die Story tragen.
Erwachsenwerden
Besonders glaubhaft ist die Darstellung der polnischen Gastarbeiter, die nicht etwa aufgrund gemeinsamer persönlicher Interessen eine Clique bilden von der auch Robert Teil wird – vielmehr sind es die gemeinsame Sprache und der Hang zum Vertrauten, die sie alle zusammenbringt und hält. Schnell merkt Robert, dass er sich nicht mit ihrem Hang zu Partys und ihren Persönlichkeiten identifizieren kann. Einerseits scheint er nur arbeiten, Geld nach Hause schicken und schlafen zu wollen, andererseits sieht man ihm etwas Rastloses an, er möchte gerne beginnen zu leben. Ivar scheint eine Art Katalysator zu sein, er weckt den Drang in Robert, etwas zu verändern und sein Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen.
Nordische Natürlichkeit
Es sind schöne Aufnahmen aus der norwegischen Natur, die dem Film einen kühlen Look geben, aber teils leider eben auch die Emotionen auf Sparflamme brennen lassen. Neben guten Schauspielleistungen befriedigt das Drehbuch leider nur oberflächlich, es wäre mehr Potenzial vorhanden gewesen, um tiefer zu schürfen, die Charaktere mehr leben zu lassen. So bleiben am Ende leider einige Klischees übrig, die sich mit dem fortschrittlichen skandinavischen Gedanken und ihrer Filmwelt beißen. Die Geschichte atmet zu flach und kann sich nicht so recht entfalten.
OT: „Norwegian Dream“
Land: Norwegen, Polen, Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Leiv Igor Devold
Drehbuch: Justyna Bilik, Gjermund Hisvold, Radoslaw Paczocha
Musik: Florian Tessloff
Kamera: Patryk Kin
Besetzung: Hubert Milkowski, Karl Bekele Steinland, Edyta Torhan, Izabella Dudziak, Øyvind Brandtzæg, Jakub Sierenberg, Jakub Nosiadek
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