Eigentlich ist Kym Buchman (Anne Hathaway) auf einem guten Weg: Seit mehreren Monaten schon hat sie keinen Alkohol mehr getrunken, die Entzugsklinik scheint dieses Mal wirklich zu funktionieren. Dennoch ist die Nervosität in ihrer Familie groß. Schließlich will ihre Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) heiraten, für einige Tage wird Kym daher von ihrer Therapie freigestellt. Die Freude beim Wiedersehen ist groß. Doch es dauert nicht lang, bis es zu ersten Konflikten kommt, sowohl zwischen den Schwestern wie auch mit ihrem Vater Paul (Bill Irwin). Später wird auch ihre Mutter Abby (Debra Winger) hinzustoßen, die seit Jahren getrennt lebt. Während die Vorbereitungen laufen, wachsen die Spannungen kontinuierlich an und es kommen seit Jahren unterdrückte Streitigkeiten an die Oberfläche …
Eine Familie stellt sich der Vergangenheit
Wenn in Filmen Leute zusammenkommen sollen, die eine gemeinsame Vergangenheit und nicht bewältigte Konflikte aufarbeiten, dann wird bevorzugt auf einen von zwei Anlässen zurückgegriffen. Der eine ist ein Todesfall, der Verlust eines gemeinsamen geliebten Menschen kann schon ein verbindendes Element sein. Manchester by the Sea wäre hierfür ein sehr gutes Beispiel. Das andere sind irgendwelche Festlichkeiten. Beim Dogma 95 Klassiker Das Fest ist es ein 60. Geburtstag, bei dem diverse Leichen aus dem Keller geholt werden. Rachels Hochzeit wiederum nimmt, der Titel verrät es bereits vorab, eine Hochzeit als Rahmen einer längst überfälligen Beschäftigung mit unterdrückten Gefühlen. Während sonst Hochzeiten meist Settings für romantische und komische Geschichten bilden, geht es hier überwiegend dramatisch zu.
Das heißt nicht, dass es nur ernst ist. Anfangs überwiegt ein eher heiterer Ton. Wenn Kym beispielsweise ganz dringend einen Drogentest braucht oder mit dem Trauzeugen Kieran (Mather Zickel) anbändelt, dann geht das schon in eine Komödienrichtung. Aber das dient nur der Einführung, bevor der Film ans Eingemachte geht. Dabei lässt sich das Drehbuch von Jenny Lumet, Tochter der Hollywood-Legende Sidney Lumet Zeit. Aus gutem Grund: Rachels Hochzeit handelt von einer Familie, in der alle das offene Wort scheuen. Niemand will darüber reden, was zuvor geschehen ist. Auch die Konflikte zwischen den Familienmitgliedern werden nicht thematisiert, weshalb die Ressentiments ungehindert wuchern können. Beispiele für solche Geschichten gibt es viele, kürzlich nahm etwa Haus aus Glas eine dysfunktionale Familie auseinander.
Gut gespieltes Drama
Inhaltlich ist das Drama daher eigentlich nicht übermäßig erwähnenswert. Die tragische Vorgeschichte, die im Laufe des Films offenbart wird, ist ein Standardszenario in solchen Werken. Aber man schaut sich so etwas normalerweise auch nicht an, um überrascht zu werden oder ungewöhnliche Menschen kennenzulernen. Vielmehr geht es darum, Identifikationsfläche zu schaffen. Von dieser gibt es in Rachels Hochzeit einiges. Natürlich ist das kein tägliches Schicksal, womit die Buchmans zu kämpfen haben. Themen wie geschwisterliche Rivalitäten, der Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern, aber auch Erwartungen, die zu Fesseln werden, dürften vielen jedoch bekannt vorkommen. Man kann sich hier schon gut hineinversetzen, zumal der Film auf zu eindeutige Schuldzuweisungen verzichtet. Richtig souverän hat sich hier niemand verhalten, sofern das in der Situation überhaupt möglich wäre.
Sehenswert ist das Ganze dabei gerade auch wegen der schauspielerischen Leistungen. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich Anne Hathaway, die zu dem Zeitpunkt eher für komödiantische Rollen bekannt war, hier aber auch mal in einer ernsten überzeugt. Und auch sonst holt Regisseur Jonathan Demme (Das Schweigen der Lämmer, Philadelphia) einiges aus seinem Ensemble heraus. Damit war die halbe Schlacht bereits gewonnen. Manches wird vielleicht nicht so im Detail erzählt, wie es wünschenswert gewesen wäre, etwa da Verhältnis zur Mutter oder auch den Grund für Kyms Lügen. Rachels Hochzeit ist aber auch Jahre später ein Drama, das einem nahegeht, von Schmerzen und Versöhnung redet und der Schwierigkeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
OT: „Rachel Getting Married“
Land: USA
Jahr: 2008
Regie: Jonathan Demme
Drehbuch: Jenny Lumet
Musik: Donald Harrison Jr., Zafer Tawil
Kamera: Declan Quinn
Besetzung: Anne Hathaway, Rosemarie DeWitt, Bill Irwin, Anna Deavere Smith, Tunde Adebimpe, Debra Winger, Mather Zickel
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 2009 | Beste Hauptdarstellerin | Anne Hathaway | nominiert |
Film Independent Spirit Awards | 2009 | Bester Film | nominiert | |
Beste Regie | Jonathan Demme | nominiert | ||
Beste Hauptdarstellerin | Anne Hathaway | nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Rosemarie DeWitt | nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Debra Winger | nominiert | ||
Bestes Debütdrehbuch | Jenny Lumet | nominiert | ||
Golden Globes | 2009 | Beste Hauptdarstellerin (Drama) | Anne Hathaway | nominiert |
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