1861 nehmen die Spannungen zwischen den nördlichen und südlichen Staaten der USA immer weiter zu, von Tag zu Tag steigen die Risiken eines Bürgerkriegs. Die behütet auf einer Baumwollplantage aufwachsende Scarlett O’Hara (Vivien Leigh) will von all dem nichts wissen. Ihre Gedanken kreisen sich ausschließlich um den Nachbarsjungen Ashley Wilkes (Leslie Howard), der einmal ihr Mann werden soll. Umso größer ist der Schock, als sie erfährt, dass er nicht sie, sondern seine Cousine Melanie Hamilton (Olivia de Havilland) zu heiraten gedenkt. Aus Trotz heiratet Scarlett daraufhin Melanies jüngeren Bruder Charles (Rand Brooks), der kurze Zeit später wie viele andere junge Männer in den Krieg zieht. Während die Familien in Folge um ihr Überleben kämpfen, läuft sie immer wieder Rhett Butler (Clark Gable) über den Weg, der äußerst charmant und selbstbewusst ist, aber auch von einem zweifelhaften Ruf …
Ein Klassiker mit Anlaufschwierigkeiten
Der Begriff des Klassikers wird im Filmbereich gern inflationär gebraucht. Zuweilen hat man den Eindruck, dass jeder Titel, der Geld eingespielt hat und ein paar Jahre alt ist, zu einem Klassiker verklärt wird. Ein Film, bei dem die Bezeichnung aber ohne Zweifel angebracht ist, das ist Vom Winde verweht. Das Drama war seinerzeit nicht nur ein Kritikerliebling, legendär war der Gewinn von zehn Oscars. Auch in kommerzieller Hinsicht machte niemand dem fast vierstündigen Epos etwas vor. Die Geschichte um eine Gruppe von Menschen, die während des Amerikanischen Bürgerkriegs ums Überleben und um die Liebe kämpfen, brach alle Rekorde. Lange Zeit spielte kein Film mehr Geld ein als dieser. Wenn man die Entwicklungen der Ticketpreise bzw. der Inflation im Allgemeinen beachtet, steht das Werk von 1939 bis heute unangefochten auf Nummer eins.
Dabei war der Film selbst eine schwere Geburt. Dass man den 1936 von Margaret Mitchell veröffentlichten Roman „Gone with the Wind“ verfilmen wollte, das stand zwar früh fest. Einfach war das Projekt aber nicht. Man tat sich schwer mit der Besetzung, der Regieposten wurde mehrfach ausgetauscht, bevor am Ende Victor Fleming (Der Zauberer von Oz) der Hauptregisseur wurde. Auch das Drehbuch war eine Herausforderung, schließlich ist die Vorlage ein echter Wälzer mit weit mehr als 1000 Seiten. Selbst bei einer üppigen Laufzeit wie dieser musste man erst Mittel und Wege finden, was man streichen, was behalten wollte. Wer die Geschichte nicht kennt, wird sich vielleicht darüber wundern, wird der Film doch gern mal auf die Romanze zwischen Rhett Butler und Scarlett O’Hara reduziert. Und doch ist Vom Winde verweht weit mehr als einer dieser melodramatischen Schmachtfetzen. Vielmehr hat Mitchell ein groß angelegtes Porträt geschrieben, in dem sie den Wandel in den USA, vor allem im Süden beschreibt.
Ein Land im Wandel
So spielt ein Großteil des Films während des Bürgerkriegs. Die Kriegsszenen selbst beschreibt Vom Winde verweht dabei gar nicht. Vielmehr sehen wir das alles aus dem Blickwinkel derjenigen, die nur indirekt betroffen sind: Frauen und Sklaven. Elegant und ausschweifend ist das Leben auf den Plantagen, die das Zuhause der Protagonistinnen ist. Später wird davon nicht mehr viel bleiben, mit verzweifelten Mitteln wird um Geld und Nahrung gekämpft. Als dann auch noch die Soldaten vom verlorenen Krieg nach Hause kommen und diese zusätzlich durchgefüttert werden müssen, verkommt der Alltag endgültig zu einer Herkulesaufgabe. Über die Hintergründe des Kriegs wird dabei so gut wie nicht gesprochen. Das mag man dem Film zum Vorwurf machen, zumal es auch keinerlei Auseinandersetzung mit der Sklaverei gibt. Gleichzeitig ist es passend, da die Hauptfigur nun einmal mit all dem nichts zu tun haben will. Die interessiert sich nur für schicke Kleider und „ihren“ Ashley.
Scarlett ist deshalb keine romantische Heldin. Sie ist überhaupt keine Heldin. Tatsächlich ist es bemerkenswert, wie wenig idealisiert sie auftritt: Sie ist selbstsüchtig, schert sich nicht um die Gefühle anderer, spannt an einer Stelle ihrer eigenen Schwester den Mann aus, um ihre Ziele zu verfolgen, ist oft eine falsche Schlange. Auch Butler ist niemand, den man sich zum Vorbild nehmen sollte. Er ist witzig und charmant, dazu einfallsreich: Er erkennt in jeder Situation die sich bietenden Möglichkeiten und weiß, wie er diese nutzen soll. Aber auch er setzt sich über andere hinweg. An einer Stelle vergewaltigt er seine Frau praktisch, weil er es nicht akzeptieren kann, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht. An diesen und vielen anderen Stellen ist Vom Winde verweht dann doch ein Produkt seiner Zeit, viele Punkte sind aus heutiger Sicht fragwürdig bis verstörend. Dass beispielsweise die Yankees darauf reduziert werden, die prächtigen Häuser zu plündern und die Menschen zu erpressen, ist mindestens schwierig – gerade auch wenn die als nobel beschriebenen Einheimischen Sklaven halten.
Exzellent gespielt und bildgewaltig
Aber auch wenn man hier zahlreiche Fragezeichen und Fußnoten setzen muss, ist der Film bis heute sehenswert. Da sind die fantastischen Aufnahmen, für die man seinerzeit keine Kosten und Mühen scheute. Vor allem aber das exzellente Ensemble trägt dazu bei, dass man Vom Winde verweht zumindest einmal gesehen haben sollte. Zudem sind die Figuren deutlich interessanter und vielschichtiger, als man das bei den Melodramen des alten Hollywoods kennt. Nicht nur die beiden Hauptfiguren haben verschiedene Facetten, können je nach Situation fürsorglich, verschlagen, charmant und abstoßend sein. Auch bei anderen ist einiges zu holen. Manches muss man nicht nachvollziehen können, gerade im Hinblick auf Scarletts Liebeskarussell. Und natürlich ist vieles ganz groß und überzogen, seien es die Schicksalsschläge oder die Reaktionen, begleitet von einer überwältigenden Musik, die einen kaum noch Zeit zum Luftholen lässt. Aber es ist doch spannend, bei dieser turbulenten Reise in die Vergangenheit dabei zu sein, die voll ist von tragischen Gestalten. Von Menschen, die Träumen hinterherlaufen, die ihnen nicht bestimmt sind.
OT: „Gone with the Wind“
Land: USA
Jahr: 1939
Regie: Victor Fleming, George Cukor, Sam Wood
Drehbuch: Sidney Howard
Vorlage: Margaret Mitchell
Musik: Max Steiner
Kamera: Ernest Haller
Besetzung: Clark Gable, Vivien Leigh, Leslie Howard, Olivia de Havilland, Thomas Mitchell, Evelyn Keyes, Barbara O’Neil, Ann Rutherford, George Reeves, Fred Crane, Hattie McDaniel, Butterfly McQueen
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1940 | Bester Film | Sieg | |
Beste Regie | Victor Fleming | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Clark Gable | nominiert | ||
Beste Hauptdarstellerin | Vivien Leigh | Sieg | ||
Beste Nebendarstellerin | Olivia de Havilland | nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Hattie McDaniel | Sieg | ||
Bestes Drehbuch | Sidney Howard | Sieg | ||
Bestes Szenenbild | Lyle Wheeler | Sieg | ||
Beste Kamera (Farbe) | Ernest Haller, Ray Rennahan | Sieg | ||
Bester Schnitt | Hal C. Kern, James E. Newcom | Sieg | ||
Beste Musik | Max Steiner | nominiert | ||
Bester Ton | Thomas T. Moulton | nominiert | ||
Beste visuelle Effekte | Jack Cosgrove, Fred Albin, Arthur Johns | nominiert | ||
Ehrenpreis | William Cameron Menzies | Sieg | ||
Technischer Ehrenpreis | Don Musgrave, Selznick International Pictures | Sieg |
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