Wo keine Goetter sind walten Gespenster
© Anslem Belser

Wo keine Götter sind, walten Gespenster

Inhalt / Kritik

Eine Gruppe von Rebellen und Widerstandskämpferinnen will ein totalitäres System stürzen, das den Menschen ein glückliches Leben aufgezwungen hat. Unter den Aufständischen befindet sich auch ein Bettlaken-Gespenst (Phillip Gärtner). Zwischen dem Schmieden von Plänen, existenziellen Fragen und dem quasi-typischen WG-Leben beginnt sich dieser Widerstand jedoch allmählich zu verkomplizieren. Wird ihr Angriff auf das System glücken?

Heist, Sitcom und Essay

Mit Wo keine Götter sind, walten Gespenster liefert uns Regisseur Bastian Gascho die ungewöhnliche Interpretation eines Heist-Movies mit Sitcom-Elementen und teils theatralen Mono- und Dialogen, die mit dem leichten Charme einer Poetry-Slam-Lesung daherkommen. Die Rebellen-WG hat einen MacGuffin – ein Begriff, den Alfred Hitchcock prägte – als Ziel ihrer sprengstoffgeladenen Befreiungsaktionen ins Auge gefasst. Der MacGuffin bleibt jedoch nicht der einzige Meta-Kommentar über Film- und Erzählkonventionen. So entspinnt sich zum Beispiel mitten im Wald ein Streit unter den Rebellen, ob sie nicht vielleicht selbst ausgedacht seien. Wo geht die Realität in Schein, in Illusion über? An dieser Stelle kann man das Spiel mit den Kostümen loben, wenn sich aus der Landschaft plötzlich eine Figur schält, die dem Publikum zunächst verborgen gewesen war.

Das Werk hat etwas bewusst Unkonkretes, mal Wirres und Essayistisches, mal etwas Kreatives und Lustiges mit gutem Timing, aber über seine Lauflänge von ca. 91 Minuten streckenweise etwas Zähes. Die Herangehensweise hat etwas Experimentelles und ist damit auch herausfordernd für die Sehgewohnheiten. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen guten Ansätzen – so gesellt sich plötzlich die Off-Erzählerin selbst, gespielt von Banafshe Hourmazdi in die Geschichte – und Orientierungslosigkeit. Letztere scheint zwar einerseits eine Pointe des Werkes zu sein, gleichzeitig steht sich dieser Ansatz ein wenig selbst im Weg, worunter der Unterhaltungsfaktor leiden kann.

Verwandlungskünste

Unterhaltsam ist wie erwähnt das Spiel mit den Kostümen. Sei das nun, dass ein gutgemachter Tarnanzug zum Tragen kommt, oder seien das die „Verwandlungskünste“ des Bettlaken-Geistes, die immer wieder mal für ein Schmunzeln sorgen. Positiv ist auch die Spielfreude des Ensembles und dass sich durch den Aufbau der Szenen und der Dialoge – diese erinnern teilweise leicht an Gespräche aus Werken von Tarantino – eine ganz charmante Stimmung aufbaut. Als wären die Figuren eines Improvisationstheaterstückes in ein Lost Place im Wald gestolpert und hätten dort eine WG gegründet.

Wo keine Götter sind, walten Gespenster greift im späteren Verlauf auch auf Animationen zurück. Dadurch wird womöglich der technisch-algorithmische Aspekt des Systems, das von den Figuren bekämpft werden soll, zitiert bzw. gespiegelt. Die Idee an sich ist zwar ganz interessant, so ganz harmonisch wirkt das jedoch leider nicht.

Schwer greifbare Gefahr

Das totalitäre System, das seinen Bewohnern ein glückliches Leben aufgezwungen haben soll, wird leider kaum herausgearbeitet. Es wird zwar mal kurz gezeigt und ist damit selbst kein vollständiger MacGuffin, trotzdem bleibt das Gefühl für die Gefahr dadurch fast aus. Es gibt keine spürbaren Fallhöhen. Es bleibt eher unkonkret, auch was die Geschichten der Figuren angeht. Was nicht uninteressant ist, sind die emotionalen Zwischentöne und die Rolle des Geistes Buh, verkörpert durch Phillip Gärtner, über die man ein wenig rätseln darf. Da manche Szenen jedoch scheinbar völlig ins Leere laufen, so etwa eine Aktion auf einem Schrottplatz, die dadurch eher wie ein Kommentar auf das Genre wirkt, als etwas Handlungsvorantreibendes, bleibt auch der Pay-off am Ende eher blass.

Credits

OT: „Wo keine Götter sind, walten Gespenster“
Jahr: 2023
Land: Deutschland
Regie: Bastian Gascho
Drehbuch: Bastian Gascho
Musik: Paul Timmich, Dorian Behner
Kamera: Anselm Belser
Besetzung: Jan Koslowski, Leonie Jenning, Anaïs Urban, Noël Seiß, Antonis Antoniadis, Philipp Gärtner, Banafshe Hourmazdi, Milan Herms, Rémi Pradère, Jakob D’Aprile



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Wo keine Götter sind, walten Gespenster
fazit
"Wo keine Götter sind walten Gespenster" handelt von einer Gruppe Widerständlern, die dem totalitären System, das den Menschen ein glückliches Leben aufzwingt, den Kampf angesagt hat. Das Werk hat gute Ansätze und unterhaltsame Momente, wirkt jedoch durch seine erzählstrukturaufbrechende Machart und die theaterhaften Dialoge teilweise etwas sperrig.
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