Nino (Nicolás Díaz) ist 14 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in der argentinischen Stadt Santiago del Estero. Frisch in der Pubertät wird Nino erstmals mit sexuellen Gedanken konfrontiert und erkennt relativ schnell, dass er sich mehr zu gleichgeschlechtlichen Partnern hingezogen fühlt. Bei seinen Klassenkameraden und im insgesamt sehr konservativen und christlich geprägten Argentinien macht ihn das allerdings zum Außenseiter und sogar zur Zielscheibe. Als die homophoben Attacken seiner Mitschüler eskalieren und es zu körperlicher Gewalt gegen Nino kommt, beschließt seine Familie die Stadt für eine gewisse Zeit zu verlassen und zusammen auf eine ländliche Farm zu ziehen. Zwar ist Nino hier sicher vor Übergriffen und Anfeindungen, allerdings bessert sich sein mentaler Zustand dadurch kaum. Seine Schwester wirft ihm vor, seinetwegen von ihren ganzen Freunden aus der Stadt getrennt zu sein und seine Mutter versucht ihm einzureden, dass seine Homosexualität nur eine Phase sei, die vorbeigehen werde. Zeitgleich verschwindet ein Junge aus dem Dorf spurlos im Wald und Gerüchte häufen sich, dass er von der mythischen Figur „Almamula“ verschleppt wurde, die Jugendliche holt, welche sich unreinen Gedanken und „falschen“ sexuellen Fantasien hingeben.
Autobiographisch inspiriert
Regisseur Juan Sebastian Torales hat in Almamula viele Elemente und Erfahrungen aus seinem eigenen Leben einfließen lassen. Er selbst ist als homosexueller Jugendlicher in einem Umfeld aufgewachsen, das die Welt laut eigener Beschreibung nur durch zwei Linsen sieht: Konservatismus und Vorurteile. Mit Almamula hat er seine eigenen negativen Erlebnisse aus der Vergangenheit kombiniert mit argentinischer Folklore aus seiner Jugend und so einen Film erschaffen der Jugendlichen in ähnlichen Situationen Hoffnung vermitteln soll und ihnen vor allem aufzeigen soll, dass sie mit ihren Gefühlen, ihrer Unsicherheit und ihren Sehnsüchten nicht alleine sind. Selbst abseits von Sexualität gibt es wohl kaum einen Menschen der nicht irgendwann in seinem Leben schwere Zeiten durchleben musste und sich alleine und vielleicht hoffnungslos gefühlt hat, so kann sich auch fast jeder in irgendeiner Weise in Almamula wiederfinden, auch wenn die spezifische Situation eine andere war oder ist.
Gegensätzlicher Symbolismus
Torales geht stilistisch betrachtet einen interessanten Weg. Im Laufe des Films wird Ninos Familie, die Kirche und die Gesellschaft in seinen Gedanken immer mehr zu einer Art symbolischen Monstern, denen es zu entfliehen gilt, während er aus Verzweiflung heraus eine Sehnsucht nach dem echten Monster, der Almamula entwickelt in der Hoffnung auf Akzeptanz und Schutz. So zeigt der Film wie sich eine Gemeinschaft wie die eigene Familie oder eine Institution wie die Kirche, die eigentlich dafür da sind ein sicheres Umfeld zu schaffen das genaue Gegenteil bewirken können und wie Menschen eben dadurch ihren Halt verlieren.
Slow-burn mit beeindruckender Atmosphäre
Die Geschichte von Nino wird über knapp eineinhalb Stunden sehr langsam und unaufgeregt erzählt und verlangt dem Zuschauer dabei durchaus Konzentration und Sitzfleisch ab. Lässt man sich allerdings auf den Film ein, erwartet einen aber ein Meisterwerk an Cinematographie und Atmosphäre. Die Landschaft, das Licht und vor allem die Soundeffekte sind wahrlich gut in Szene gesetzt. Vereinzelte Szenen sind inspiriert durch Horrorelemente und bietet damit eine willkommene Abwechslung in der sonst wenig aufgeregten Erzählweise von Almamula ohne fehl am Platz zu wirken. Das Schauspiel aller Darsteller ist gut, speziell hervorzuheben ist allerdings Nicolás Díaz, der trotz seines jungen Alters eine beeindruckende schauspielerische Leistung in der durchaus anspruchsvollen Rolle des Nino abliefert.
OT: „Almamula“
Land: Frankreich, Italien, Argentinien
Jahr: 2023
Regie: Juan Sebastian Torales
Drehbuch: Juan Sebastian Torales
Musik: Matteo Locasciulli
Kamera: Ezequiel Salinas
Besetzung: Nicolás Díaz, Martina Grimaldi, María Soldi, Cali Coronel, Luisa Lucía Paz, Beto Frágola, Tania Darchuk, Adrián Ramallo
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