So richtig ist der Traum von Thelonious „Monk“ Ellison (Jeffrey Wright), ein großer Schriftsteller zu werden, nicht in Erfüllung gegangen. Sicher, die Romane des afroamerikanischen Autors erhielten immer gute Kritiken. Die Verkaufszahlen waren aber erbärmlich, der große Durchbruch ist ihm nie gelungen. Inzwischen hat er sogar Schwierigkeiten, seine Manuskripte überhaupt an Verlage zu verkaufen. Niemand will sein neuestes Werk haben, da es nicht schwarz genug sei – was für ihn ein schrecklicher Affront ist. Auch im Unterricht wehrt sich der an einer Universität lebende Professor gegen Klischees, was ihm mehr als einmal Ärger eingebracht hat. Nach einem erneuten Vorfall soll er sogar beurlaubt werden. Der Zeitpunkt ist dafür günstig, ist doch auch privat bei seiner Familie eine ganze Menge los, ob es nun seine Mutter Agnes (Leslie Uggams) ist, die an einer frühen Form von Alzheimer leidet, oder auch sein Bruder Cliff (Sterling K. Brown), von dem er sich entfremdet hat. Um sich seinen Frust von der Seele zu schreiben, verfasst Monk einen Roman, der die bestehenden Klischees annimmt – und wird dafür gefeiert …
Der Geheimtipp bei den Oscars
Als die Nominierungen für die Oscars 2024 angekündigt wurden, fanden sich auf der Liste die üblichen Verdächtigen wie Oppenheimer oder Poor Things, die diesjährigen Favoriten eben. Es schaffte aber auch ein Film auf diese Liste, den zumindest in Europa kaum jemand auf dem Schirm gehabt haben dürfte. Immerhin in fünf Kategorien ist American Fiction im Rennen, darunter für den besten Film und den besten Hauptdarsteller. Auch wenn der Komödie nur wenig Chancen eingeräumt werden, sorgte das doch für einen größeren Popularitätsschub. Hierzulande war die Neugierde auch deshalb groß, weil keine Veröffentlichung in Deutschland angekündigt war. Das hat sich jetzt geändert, relativ überraschend ist der Film unter dem Titel Amerikanische Fiktion bei Amazon Prime Video erschienen, wo sich dann auch offiziell die Menschen hierzulande ein Bild machen können.
Dabei wird relativ schnell klar, warum der Film als einziger der zehn Oscar-Filme keinen deutschen Kinostart bekommt, ist das Thema doch – zumindest zum Teil – durch und durch amerikanisch. Basierend auf dem Roman Ausradiert von Percival Everett geht es um das Leben afroamerikanischer Menschen. Jedoch eben nicht das Leben, wie es in Filmen oft gezeigt wird, die von dem großen Leid erzählen, von systematischer Unterdrückung, Gewalt und Perspektivlosigkeit. Stattdessen führen der Protagonist und sein Umfeld ein gehobenes Leben, verkehren in besseren und intellektuelleren Kreisen, müssen nicht mit Drogen handeln, werden nicht von der Polizei verprügelt. Amerikanische Fiktion bestreitet dabei nicht, dass es solche Schicksale gibt. Es macht sich aber darüber lustig, wie Schwarze auf ein solches Leben reduziert werden.
Der tägliche positive Rassismus
So hat Ellison durchaus mit Rassismus zu kämpfen, nur ist es eine Art positiver Rassismus. Mal geht es darum, dass seine Romane im Buchhandelt unter afroamerikanischer Literatur geführt werden, obwohl die Geschichten überhaupt nicht von Erfahrungen Schwarzer handeln. Mal muss er sich anhören, nicht authentisch genug zu sein, wobei die Authentizität eben nicht von People of Color definiert wird, sondern den Weißen. Amerikanische Fiktion hat dabei auch immer wieder satirische Elemente. Das gilt besonders für den Handlungsstrang um den neuen Roman des Schriftstellers, mit dem er sich eigentlich über die Klischees lustig machen will, die aber als real missverstanden werden. Eine der besten Szenen gibt es da zum Schluss, wenn Ellison mit anderen in der Jury eines Buchpreises sitzt und von den weißen Mitgliedern überstimmt wird, die sich hierfür selbst als liberal und einfühlsam verkaufen.
Ein europäisches Publikum wird mit diesem humorvollen Spiel mit Klischees und Vorurteilen, die sich speziell auf die USA beziehen, vielleicht weniger anfangen können. Lustig ist das Ergebnis aber durchaus. Hinzu kommen andere Themen, die universeller sind, wenn beispielsweise der Umgang mit der Familie im Mittelpunkt steht. Auch das Gefühl, nicht die gebührende Anerkennung zu bekommen, während andere nach oben kommen, dürfte eines sein, das vielen bekannt vorkommt. Da ist also schon einiges drin in dieser Komödie von Cord Jefferson, die auf dem Toronto International Film Festival 2023 Premiere hatte. Ob man Amerikanische Fiktion unbedingt zu den besten Filmen des Jahres zählen muss, darüber lässt sich streiten. Es könnte durchaus sein, dass – vergleichbar zu den Reaktionen auf die Romane in dem Film – die Resonanz andere Gründe hat, was hier nicht einer gewissen Ironie entbehren würde. Erfreulich ist es aber so oder so, dass es die Abrechnung mit vermeintlich wohlmeinenden Leuten ihren Weg zu uns gefunden hat.
OT: „American Fiction“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Cord Jefferson
Drehbuch: Cord Jefferson
Vorlage: Percival Everett
Musik: Laura Karpman
Kamera: Cristina Dunlap
Besetzung: Jeffrey Wright, Tracee Ellis Ross, John Ortiz, Erika Alexander, Leslie Uggams, Adam Brody, Issa Rae, Sterling K. Brown
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 2024 | Bester Film | nominiert | |
Bestes adaptiertes Drehbuch | Cord Jefferson | nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Jeffrey Wright | nominiert | ||
Bester Nebendarsteller | Sterling K. Brown | nominiert | ||
Beste Musik | Laura Karpman | nominiert | ||
BAFTA | 2024 | Bestes adaptiertes Drehbuch | Cord Jefferson | Sieg |
Golden Globes | 2024 | Bester Film (Komödie oder Musical) | nominiert | |
Bester Hauptdarsteller (Komödie oder Musical) | Jeffrey Wright | nominiert |
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