Einhundert Jahre lang war der zwölfjährige Aang im Eis eingefroren. Er ist der letzte Avatar, der einzige, der den vier Nationen Frieden bringen kann. Lange lebten Luft, Wasser, Erde und Feuer im Einklang miteinander, bis die Feuernation einen Krieg entfachte. Eines Tages wird Aang durch Zufall von den Geschwistern Katara und Sokka aus seinem frostigen Gefängnis befreit. Während Sokka keine besonderen Talente hat, ist Katara eine Wasserbändigerin. Um ihre Fähigkeit zur Manipulation von Wasser vollends zu beherrschen, fehlt ihr allerdings ein Lehrmeister. Aang ist ein Luftbändiger, muss aber lernen, die anderen Elemente zu kontrollieren, um sein volles Potenzial als Avatar zu entfalten. Gemeinsam begeben die beiden sich vom Südpol zum Nordpol, um jemanden zu treffen, der ihnen das Wasserbändigen beibringt. Währenddessen ist der junge Prinz Zuko von der Feuernation auf der Suche nach dem Avatar. Er weiß nichts von Aangs unfreiwilliger Auszeit und rechnet mit jemandem, der über hundert Jahre lang seine Fähigkeiten trainiert und perfektioniert hat. Abgesehen davon, dass der Avatar der Feuernation gefährlich werden kann, wird Zuko von ganz eigenen Motiven angetrieben …
Schwieriger Anfang einer Erfolgsgeschichte
Sonderlich vielversprechend ist der Beginn von Avatar – Der Herr der Elemente eigentlich nicht. In den ersten drei Minuten nach dem Intro lernen wir Katara und Sokka kennen und erfahren direkt eine Menge über sie. Die Mutter ist tot, Sokka ist ein selbstverliebter, (vermeintlich) sexistischer Nichtsnutz, Katara eine so genannte Wasserbändigerin – sie kann das Wasser also nach ihrem Willen formen, was aber keine Zauberei ist. Allerdings findet das fast ausschließlich über Exposition im Dialog statt. Das ist natürlich eine effiziente Methode, dem Zuschauer nötige Informationen an die Hand zu geben, die auf anderem Mitteilungswege sehr viel mehr Zeit in Anspruch genommen hätten. Es ist nur keine sonderlich spannende oder filmische. Es ist vielleicht kein idealer Einstieg, aber auf jeden Fall ein verzeihbarer. Insbesondere angesichts des weiteren Verlaufs der Serie. Bis zum Cliffhanger am Ende der ersten Folge wird sie wohl einen guten Teil der Skeptiker dazu bewogen haben, zumindest weiter dran zu bleiben. Das vorsichtige Interesse mag sich alsbald in ein gespanntes Mitfiebern verwandeln.
Wie groß Avatar – Der Herr der Elemente werden würde, war 2005 noch gar nicht abzusehen. Drei Staffeln waren geplant, je nachdem wer gefragt wird, war nachdem sich der Erfolg abzeichnete auch eine vierte Staffel im Gespräch. Diese wäre dann aber zugunsten des von M. Night Shyamalan inszenierten Realfilmes außen vor gelassen worden, obwohl der Regisseur selbst darauf bestanden hätte, stattdessen lieber eine vierte Staffel zu produzieren. Ob das alles stimmt und wenn ja, inwieweit, wird als Außenstehender wohl nie mit Gewissheit zu beurteilen sein. Fest steht, dass der 2010 erschienene Streifen Die Legende von Aang besser mal nicht gedreht worden wäre. Der Popularität des Franchises hat er aber keinen Abbruch getan. Neben dem Realfilm gab es Bücher, Comics, Videospiele; mit Die Legende von Korra auch eine Nachfolgeserie, die 70 Jahre später spielte. Demnächst erscheint die Realserie Avatar: Der Herr der Elemente auf Netflix.
Fantastisches Worldbuilding
Die Animationsserie besteht aus drei Staffeln, die hier Bücher genannt werden und eine kontinuierliche Geschichte erzählen. Wir haben also Buch 1: Wasser, Buch 2: Erde und Buch 3: Feuer. Von den vier Elementen fehlt hier offensichtlich die Luft, aber diese wird ja bereits von Aang beherrscht. Die anderen drei muss er lernen, um seiner Rolle als Avatar gerecht werden zu können. In diesem Zusammenhang muss die Übertragung des Wortes „bending“ ins Deutsche gelobt werden. Für hiesige Zuschauer bändigen Aang und Co. die Elemente, was besser passt als die wörtliche Übersetzung. Die Charaktere verbiegen die Elemente ja nicht, sondern müssen lernen, sie zu beherrschen, müssen ihnen ihren Willen aufzwingen, um ihre Form verändern zu können. Wer des Englischen mächtig ist, sollte die Serie nach Möglichkeit dennoch im Original rezipieren. Aber was macht Avatar – Der Herr der Elemente denn nun so gut? Das ließe sich mit Spoilern deutlich umfangreicher beantworten, es geht in geringerem Maße aber natürlich auch ohne.
Wenngleich Katara direkt zu Beginn klarstellt, dass es sich beim Bändigen nicht um Zauberei handelt, ist die Sache erzählerisch betrachtet natürlich Magie. Eine der großen Stärken von Avatar – Der Herr der Elemente ist das Worldbuilding. Die Magie, die verschiedenen Kulturen, die damit einhergehende geopolitische Lage und weitere Aspekte sind alle geschickt miteinander verwoben. Vor allem aber sind es die Charaktere, die diese Welt bevölkern, welche die Serie so großartig machen. Sokka und Zuko machen vielleicht die beste Entwicklung durch, aber generell sind alle Figuren hier fantastisch geschrieben. Sich auf einen Favoriten festzulegen, ist so gut wie unmöglich (es ist natürlich Iroh … oder doch Azula? Toph? Zuko? Oder …), aber hier muss sich auch gar nicht entschieden werden, da ja zum Glück sowieso alle davon in der Serie auftauchen. Dann kann eben jeweils bevorzugt werden, wer gerade auf dem Bildschirm zu sehen ist. Es sind auch nicht nur die einzelnen Charaktere, die sich hier mit Spannung verfolgen lassen, es ist zudem das Zusammenspiel der jeweiligen Konstellationen, das hervorragend funktioniert.
Viel Stoff zum Nachdenken
Die Serie überzeugt auch durch ihre politische und ethische Komplexität. Kinder können das hier auch alles anschauen und begeistert davon sein, doch Zuschauer mit der nötigen Reife werden mehr mitnehmen können. Avatar – Der Herr der Elemente bietet politische Konflikten und moralische Dilemmata, die es dem Zuschauer ermöglichen, über verschiedene Standpunkte und Perspektiven nachzudenken. Durch die Darstellung von Themen wie Machtmissbrauch, Gerechtigkeit und Freundschaft werden wichtige Fragen aufgeworfen, die über die Grenzen einer einfachen Zeichentrickserie für Kinder hinausgehen. Avatar – Der Herr der Elemente fordert den Zuschauer heraus, sich mit ethischen Entscheidungen auseinander zu setzen und regt zum Nachdenken über die Komplexität von Gut und Böse in einer oft undurchsichtigen Welt an. Natürlich sind wir erst einmal auf Seite von Aang beziehungsweise Team Avatar, doch können wir es nicht vermeiden, auch für Zuko zu fühlen. Der Prinz der Feuernation, der als Antagonist anfangs beinahe generisch daherkommt, entwickelt sich rasch zu einem komplexen Charakter.
Ein weiteres Beispiel ist die Figur der Prinzessin Azula, Zukos jüngere Schwester, bei der es sich um eine starke, machthungrige, manipulative und sadistische Antagonistin handelt. Sie ist ein Feuerbändiger-Wunderkind und gehorcht stets ihrem Vater, dem Feuerlord Ozai. Obwohl sie grausame Taten begeht, zeigt die Serie auch ihre Verletzlichkeit und die inneren Konflikte, die sie plagen. Während sie ihres Talents wegen vom Vater bevorzugt wurde, fühlte sie sich von ihrer Mutter vernachlässigt, die ihre Liebe vorrangig Zuko zukommen ließ. Sie lechzt nach dem Thron, nach dem Status eines Feuerlords, muss also auch Führungsqualitäten beweisen. Durch ihr Umfeld und ihre Lebensumstände ist sie einem Drang nach Perfektionismus anheim gefallen, dem sie sich nicht entziehen kann. Das ist ihrem Elternhaus beziehungsweise ihrer Erziehung geschuldet. Azula ist nie als Tochter großgezogen, eher als Ozais Werkzeug. Was sie letztendlich genau tut, soll hier natürlich nicht verraten werden. Ihre finalen Momente untermauern jedoch, welch tragischen Verlauf das Leben eines falscherzogenen Kindes nehmen kann.
Diese Probleme fangen aber nicht bei Azula an, sondern lassen sich bis in Ozais eigene Kindheit zurückverfolgen. Das ist nun natürlich alles verkürzt dargestellt und hier kann auch keine Charakteranalyse für jede einzelne Figur vorgelegt werden. Es sollte aber aufgezeigt worden sein, dass sich hier intensiver mit ihnen auseinander gesetzt werden kann.
Fast durchgängig erstklassig
Wem Buch 1: Wasser zusagt, der wird von Buch 2: Erde begeistert sein. So gut wie alles, was über eine Staffel hinweg etabliert wurde, wird hier aufgegriffen und ausgebaut. Buch 2 ist die beste Staffel der Serie, mitunter eben auch deshalb, weil sie so gut vorbereitet wurde. Die dritte Staffel wartet mit einem fantastischen Serienfinale auf. Was Avatar – Der Herr der Elemente jedoch darüber hinaus wortwörtlich sehenswert macht, ist die Optik der Serie. Sie ist in einer Art Anime-Stil gehalten, wobei viele der Einstellungen tatsächlich wie Gemälde aussehen. Der Einsatz von Farbe im Zusammenspiel mit der Lichtsetzung und der Bildkomposition ist klar von Vorbildern inspiriert, kann aspirierenden Filmemachern aber selbst als Vorbild dienen.
Die Musik und vor allem die Actionszenen ließen sich ebenfalls gesondert loben, aber ein wenig Kritik muss ja auch noch sein. Das Pacing ist insgesamt sehr gut, hier und da ist die Serie aber doch zu schnell oder zu langsam. Folge 17 der dritten Staffel, die letzte Episode vor dem vierteiligen Finale, ist zum Beispiel eine Clipshow, wenngleich zugegebenermaßen eine kreative Version einer solchen. Sie ist lustig (das Lob für den Humor der Serie kam hier nun auch zu kurz) und einige Momente bringen auch die Story voran, aber insgesamt hält sie den Betrieb doch eher auf. Da sie gleichsam eine Zusammenfassung des Bisherigen ist, wirkt sie ein wenig so, als hätten die Macher dem Zuschauer noch einmal eine kleine Gedächtnisstütze geben wollen, bevor die Geschichte ihre Konklusion findet. Gemessen daran, was Avatar – Der Herr der Elemente alles zu bieten hat, fällt das zum Glück nicht weiter ins Gewicht.
OT: „Avatar: The Last Airbender“
IT: „Avatar: The Legend of Aang“
Land: USA
Jahr: 2005-2008
Regie: Dave Filon, Lauren MacMullan, Giancarlo Volpe, Anthony Lioi, Ethan Spaulding, Michael Dante DiMartino, Joaquim Dos Santos
Drehbuch: Michael Dante DiMartino, Bryan Konietzko, Aaron Ehasz, Peter Goldfinger, Josh Stolberg, Nick Malis, John O’Bryan, Matthew Hubbard, James Eagan, Ian Wilcox, Tim Hedrick, Elizabeth Welch, Joshua Hamilton, Joann Estoesta, Lisa Wahlander, Andrew Huebner, Gary Scheppke, Lauren MacMullan, Katie Mattila, Justin Ridge, Giancarlo Volpe, May Chan
Musik: Jeremy Zuckerman, Benjamin Wynn
Animation: JM Animation, DR Movie, Moi Animation
Amazon (Blu-ray „Avatar – Der Herr der Elemente“)
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