Der Wald in mir
© 2pilots / Martin Rottenkolber

Der Wald in mir

Der Wald in mir
„Der Wald in mir“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Der Student Jan (Leonard Scheicher) liebt Tiere. Das hat ihn nicht nur dazu veranlasst, Biologie zu studieren. Sein Zuhause gleicht zudem einem Zoo, wenn überall irgendwelche Aquarien und Terrarien herumstehen. Mit den Menschen kommt er hingegen weniger gut klar, er weiß oft nichts mit ihnen anzufangen. Das ändert sich erst, als er Alice (Lia von Blarer) kennenlernt. Auch sie liebt Tiere, weshalb sie sich als Aktivistin immer wieder für deren Wohl einsetzt. Mit ihrer selbstbewussten Art imponiert sie dem jungen Mann, findet aber auch selbst mit der Zeit Gefallen an ihm. Die Beziehung mit ihr löst in Jan, der immer wieder mit psychischen Problemen zu kämpfen hat, jedoch etwas aus. Er beginnt, zunehmend die Kontrolle über sich zu verlieren …

Das eingebildete Tier

Gut Ding will Weile haben, dachte sich wohl Sebastian Fritzsch. Nachdem er mehrere Kurzfilme gedreht hatte, gab der deutsche Regisseur 2013 sein Langfilmdebüt Endzeit, nur um im Anschluss völlig von der Bildfläche zu verschwinden. Sage und schreibe elf Jahre sollte es dauern, bis er sich wieder zurückmeldete. Für den Lebenslauf mag das weniger ideal ist, für weitere Arbeiten empfiehlt man sich damit nicht. Und doch ist es erfreulich, dass er es am Ende geschafft hat, sowohl für ihn wie auch das Publikum. Sein Zweitwerk Der Wald in mir über einen psychisch labilen Studenten ist ein interessantes Drama geworden, welches in der deutschen Kinolandschaft hervorsticht und tatsächlich mal einen eigenen Weg beschreitet.

Wobei der Film ein wenig an Animalia erinnert, das kurz zuvor bei uns gestartet war. In beiden Fällen steht ein junger Mann im Mittelpunkt, der sich zur Natur hingezogen fühlt und sich nach und nach in ein Tier verwandelt. Während das oben aber tatsächlich geschah und allegorisch eine Reihe von Themen ansprach – darunter Entfremdung und Diskriminierung –, ist die Transformation in Der Wald in mir eher eine eingebildete. Jan wird nicht wirklich ein Tier. Ihm wachsen keine Klauen oder ein Fell. Dafür verliert er sich psychisch in etwas Animalischem, wenn nach und nach seine Kommunikationsfähigkeit verschwinden, er komische Laute von sich gibt und aggressiv reagiert. Es ist auch nicht so, dass ihm der Wandel wirklich bewusst wäre. Er geht zunehmend in sich selbst verloren, zieht sich von der Außenwelt zurück, die nur hilflos zusehen kann.

Tragische Rückbesinnung auf die Natur

Dem Publikum geht es ähnlich, es ist schon tragisch, was da geschieht. An manchen Stellen wird es auch ein wenig verstörend, wenn man vergeblich Zugang zu dem jungen Mann sucht. Das ist gut gespielt von Leonard Scheicher, der eigentlich das Aussehen für seichte Liebesfilme hätte, sich aber immer mal wieder interessante Projekte aussucht. Das gilt für Der vermessene Mensch, wo ein angehender Wissenschaftler für die Karriere seine Überzeugungen aufgibt und rassistische Thesen annimmt. Und es gilt eben auch für Der Wald in mir, dessen Protagonist ebenfalls eine Wandlung durchmacht. Ein bisschen weltfremd ist dieser zwar von Anfang an, versteht vieles nicht so wirklich. Aber es ist dieser Rückzug in eine eigene Welt, der in Erinnerung bleibt.

Fritzsch nimmt dafür auch in Kauf, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen selbst verloren zurückbleiben und keinen Zugang finden. So verrät er nur wenig zu den psychischen Problemen von Jan, sagt nur, dass es sie schon vorher gab und jetzt wohl einen Schub erhalten. Er gibt auch keine Einsichten in diese innere Welt, es bleibt bei einem Blick von außen. Selbst in den Szenen, in denen wir allein sind mit ihm, kommen wir ihm nicht näher. Der Film hat einiges zu zeigen, sagt zu dem Thema aber nicht wirklich etwas. Für manche wird Der Wald in mir deshalb frustrierend sein, vielleicht auch nichtssagend. Und doch ist das Drama, welches auf dem Max Ophüls Preis 2024 Premiere feierte, sehenswert, wenn eine Rückbesinnung auf die Natur ausnahmsweise mal zu einem furchteinflößenden Irrweg wird.

Credits

OT: „Der Wald in mir“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Sebastian Fritzsch
Drehbuch: Marcus Seibert
Musik: Gregor Schwellenbach
Kamera: Bernhard Keller
Besetzung: Leonard Scheicher, Lia von Blarer, Susanne Blodt, Liliom Lewald, Leonard Grobien

Trailer

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Der Wald in mir
fazit
„Der Wald in mir“ erzählt von einem jungen Biologiestudenten, der Tiere liebt und sich zunehmend einbildet, selbst eins zu sein. Das ist tragisch bis verstörend, auch eindrucksvoll gespielt. Man sollte von dem Drama aber keine Einblicke oder Erklärungen erwarten, das Publikum schaut nur aus der Distanz zu.
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