Die Vorwürfe wiegen schwer: Inmitten eines Sturms haben Marineoffizier Stephen Maryk (Jake Lacy) und andere Besatzungsmitglieder der U.S.S. Caine ihren Kapitän Lt. Commander Queeg (Kiefer Sutherland) seines Postens enthoben, weil sie ihm und seinen geistigen Fähigkeiten nicht mehr trauten. Dafür muss er sich nun vor einem Militärgericht verantworten. Zur Seite steht ihm dabei Lieutenant Greenwald (Jason Clarke), der ihn vor den Angriffen von Anklägerin Lt. Commander Challee (Monica Raymund) schützen soll. Die geht ihn auch hart an, will ihn wegen Meuterei verurteilt sehen. Captain Blakely (Lance Reddick), der als Hauptrichter die Verhandlung verantwortet, muss nun entscheiden, ob die Männer mit ihrer Einschätzung richtig lagen …
Abschied von einer Legende
Mit Die Caine war ihr Schicksal gelang Herman Wouk 1952 ein großer Erfolg, der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Zwei Jahre später folgte die gleichnamige Verfilmung, die ebenfalls auf große Resonanz stieß, sowohl an den Kinokassen wie auch bei Kritikern. Insgesamt sieben Mal wurde das Drama für einen Oscar nominiert, darunter als bester Film. Wouk wiederum nutzte den Erfolg, um aus dem Stoff ein Theaterstück zu machen, das sich allein auf die Gerichtsverhandlung konzentriert, das im Roman nur einen Teil der Geschichte ausmachte. Auch dieses wurde von den Leuten gut angenommen. 1988 folgte eine Verfilmung des Stück durch Regielegende Robert Altman, produziert fürs Fernsehen. Mit William Friedkin fand sich aber noch eine weitere Regielegende, die ebenfalls von dem Stoff angetan war und lange davon träumte, ihn umzusetzen. Diesen Traum konnte er noch erfüllen, 2023 feierte sein Film Die Caine-Meuterei vor Gericht in Venedig Premiere.
Es ist das letzte Werk des Filmemachers, der mit Titeln wie French Connection – Brennpunkt Brooklyn und Der Exorzist Kinogeschichte geschrieben hat. Letzteres ist hier nicht möglich, da es ausschließlich auf Paramount+ zu sehen ist. Das mag zunächst enttäuschend erscheinen, vielleicht auch überraschend, schließlich konnte Friedkin für seinen Abschied eine Reihe bekannter Schauspieler um sich scharen. Andererseits ist es verständlich, da es sich bei Die Caine-Meuterei vor Gericht doch sehr eindeutig um einen Theaterfilm handelt. Das dialoglastige Werk spielt nahezu ausschließlich in einem Gerichtssaal, gehandelt wird nicht. Solche Gerichtsdramen erfreuten sich früherer größerer Beliebtheit. Inzwischen sind sie aber wohl kaum noch zu verkaufen, selbst einem größeren Publikum. Selbst beim Streamingdienst darf bezweifelt werden, ob sehr viele einschalten werden.
Viel Stoff zum Diskutieren
Das heißt aber nicht, dass der Film nichts zu bieten hätte. So erfreut die Auseinandersetzung vor Gericht mit messerscharfen Dialogen, da schenkt sich niemand etwas. Im militärischen Umfeld ist der Ton noch einmal etwas schärfer, die Idee, einem Kapitän die Führungsbefähigung abzusprechen, grenzt an Majestätsbeleidigung. In Die Caine-Meuterei vor Gericht geht es dann auch um Fragen der Moral und Angemessenheit. Wie viel müssen sich Männer von ihrem Vorgesetzten gefallen lassen? Ab wann ist der Punkt erreicht, ab dem er nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeit zu machen? Was braucht es überhaupt, um dieser Position gerecht zu werden? Hinzu kommt eine interessante Passage ist, bei der es ganz allgemein um das Konzept geistiger Normalität geht und wie diese von außen bestimmt werden kann.
Der Film bietet also nicht nur viele Gedanken. Er regt auch selbst zum Nachdenken an, trotz des spröden Äußeren ist die Geschichte durchaus spannend. Sie ist auch gut gespielt, wobei Jason Clarke die interessanteste Figur abbekommen hat, da sie von Zweifeln und Ambivalenzen geprägt ist. Das zeigt sich gerade auch beim Finale. Und doch ist dieses der Schwachpunkt von Die Caine-Meuterei vor Gericht. Zwar ist damit eine Wendung verbunden, die wohl niemand, der nicht mit dem Original vertraut ist, wird kommen sehen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass es nicht zu dem zuvor Gezeigten passt. Der Film gleicht da einem Krimi, der zum Schluss auf einmal alles auf den Kopf stellen will, ohne viel dafür zu tun oder sich darum zu scheren, ob das glaubwürdig ist. Da wird einfach etwas aus dem Zylinder gezogen und so getan, als wäre das Vorangegangene nicht gewesen. Das billige Finale kann den positiven Gesamteindruck aber nicht wirklich schmälern, der letzten Sommer verstorbene Friedkin setzt noch einmal einen guten Schlusspunkt unter seine lange Karriere.
OT: „The Caine Mutiny Court-Martial“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: William Friedkin
Drehbuch: William Friedkin
Vorlage: Herman Wouk
Kamera: Michael Grady
Besetzung: Jason Clarke, Jake Lacy, Monica Raymund, Kiefer Sutherland, Lance Reddick, Lewis Pullman, Jay Duplass, Tom Riley
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