Sie erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit: Geschichten über wahre Verbrechen. Vor allem Netflix ist in diesem Bereich sehr umtriebig, normalerweise erscheinen jeden Monat mehrere True Crime Dokus. Dabei können die durchaus sehr unterschiedlich sein. Manche setzen auf einen Schockfaktor, andere wollen das Publikum lieber rätseln lassen. Und dann gibt es noch solche, die mit kuriosen Verbrechen unterhalten wollen. Unterschiede gibt es aber auch im Hinblick auf die Hauptfiguren der Geschichten. Das können mal die Opfer sein, oft sind es die Täter, die porträtiert werden. Die Ermittler und Ermittlerinnen werden hingegen nur selten näher vorgestellt, sofern sie nicht großen Mist gebaut haben. Aber es gibt auch Ausnahmen, Die Unsichtbaren ist eine solche.
Die Frau hinter der Ermittlung
Genauer hat Regisseur Matthias Freier damit seiner verstorbenen Stiefmutter Marianne Atzeroth-Freier ein filmisches Denkmal gesetzt. Diese arbeitete bei der Hamburger Polizei, zuerst bei der Sitte, einige Stationen später landete sie bei der Mordkommission. Der berühmteste Fall, an dem sie arbeitete, war der um die Säurefassmorde. Die Geschichte um Lutz Reinstrom, der mehrere Frauen entführte und tötete, ist noch heute bekannt. So veröffentlichte Amazon Prime Video vor rund einem Jahr die Serie German Crime Story: Gefesselt, die von der Geschichte inspiriert wurde. Die Unsichtbaren ist nun quasi das Original dazu, ohne bekannte Schauspieler und die üblichen Inszenierungstricks, dafür mit umso mehr Hintergrundinformationen.
Wer mit dem Fall bereits vertraut ist, wird hier nicht wirklich Neues erfahren. Der Film bringt keine neuen Erkenntnisse mit, die Fragen, die seit Jahrzehnten offen sind, werden hier nicht beantwortet. Es wird nicht einmal spekuliert, wie es bei manch anderer True Crime Doku der Fall ist. Für Neulinge ist Die Unsichtbaren aber durchaus spannend. Chronologisch werden hier die Ermittlungen rekonstruiert, von dem ersten Vermisstenfall bis zur Überführung des Täters. Dabei war lange nicht klar, ob es überhaupt ein Verbrechen gab. Es ist maßgeblich auch Atzeroth-Freier zu verdanken, dass die Suche überhaupt an Fahrt aufnahm, war sie es doch, die gegen den Widerstand der Oberen Indizien sammelte und Ungereimtheiten aufdeckte.
Informativ und nüchtern
Dieser Kampf gegen die Vorgesetzten ist dann neben den Ermittlungen das zweite große Thema. Genauer führt die Doku vor Augen, wie schwierig es Frauen damals noch hatten, sich in der Männerdomäne Polizei durchzusetzen. Sie wurden damals einfach nicht ernstgenommen, weshalb Atzeroth-Freier gleich doppelt kämpfen musste, um den Fall voranzubringen. Die Unsichtbaren ist damit auch ein Stück Zeitgeschichte, die losgelöst von dem kriminologischen Aspekt spannend ist. Dass die Protagonistin nicht selbst davon erzählen konnte, sondern der Umweg über eine Kollegin gegangen wird, ist zwar schade. Aber selbst über Bande hat der Film einiges zu erzählen, wofür es sich lohnt, ihn anzuschauen.
Die Umsetzung ist dabei ziemlich nüchtern gehalten. Wo andere Dokus aus dem Segment gern richtig dick auftragen, etwa durch eine aufdringliche Musik oder voyeuristische Momente, in denen die Opfer sich unter Tränen zurückerinnern, da hält sich Freier an die Fakten. Ob das der Zielgruppe solcher Produktionen reichen wird, bleibt abzuwarten, zumal hier inszenatorisch nichts versucht wird, um sich hervorzuheben. Es gibt den üblichen Mix aus Interviewsituationen, historischen Aufnahmen und der einen oder anderen nachgestellten Szene. Da ist nichts dabei, das einem in Erinnerung bleiben würde. Muss es aber auch nicht, Die Unsichtbaren verlässt sich auf den Inhalt und liegt damit richtig. Andere True Crime Titel mögen unterhaltsamer aufgezogen sein. Und doch ist diese hier sehenswerter als viele andere, die in der letzten Zeit herausgekommen sind.
OT: „Die Unsichtbaren“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Matthias Freier
Drehbuch: Matthias Freier
Musik: Therese Strasser
Kamera: Kay Madsen
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