Es hätte eigentlich ein Grund zum Feiern sein sollen: Als Pierre Leprieur (Olivier Gourmet) 60 wird, kommen sie alle zusammen, um ihm zu würdigen. Schließlich wird der Hafenarbeiter aus Le Havre von allen geschätzt und respektiert, auch wegen seines großen politischen und gewerkschaftlichen Engagements. Doch dann wird sein jüngster Sohn Simon (Panayotis Pascot) bei einem illegalen Autorennen erwischt, der Wagen ist zudem voller Drogen. Dafür wird nicht nur er verhaftet, auch sein Bruder Jean (Pierre Lottin), der ein Autohaus betreibt, wird von der Polizei mitgenommen. Während ihre Schwester Emma (Margot Bancilhon), die in Paris als Anwältin arbeitet, die Verteidigung der beiden vorbereitet, ist sich Pierre sicher, dass dies ein abgekartetes Spiel ist. Schließlich hatte er selbst immer gegen den Drogenhandel gekämpft …
Familiendrama und Krimi
Donnerstagabend, da wird auf arte wieder eine düstere Serie ausgepackt. Zuletzt lief auf dem Programmplatz die Krimiserie Nach dem Prozess, bei der vier Geschworene nach dem Urteil ihrem Fall noch einmal nachgehen und die Wahrheit herausfinden wollen. Davor gab es den deutschen Beitrag Haus aus Glas, der von einer dysfunktionalen Familie handelte, die viele Geheimnisse und alte Konflikte mit sich herumträgt. Nun steht bei dem Sender eine Reise nach Frankreich an. Hafen ohne Gnade stellt dabei eine Mischung aus den beiden oberen Kollegen dar. Schließlich geht es hier sowohl um kriminelle Machenschaften und die Suche nach einem Mörder wie auch um eine Familie, bei der nichts in Ordnung ist und die das mit dem Ehrlichsein nicht so ganz auf die Reihe bekommt.
Dabei ist zunächst nicht klar, worum es in der Geschichte eigentlich gehen soll. Anfangs meint man noch, die Serie wäre eventuell eine Art Milieustudie, die uns das Leben und Arbeiten am Hafen näherbringen soll, vergleichbar zu Blackport, das vor etwa einem Jahr auf arte ausgestrahlt wurde und von den Veränderungen im Fischfang erzählte. Bei Hafen ohne Gnade bleibt dafür aber kaum Zeit. Zwar gibt es im Lauf der sechs Folgen schon einige Szenen, die am Hafen spielen, etwa wenn Simon dort selbst als Arbeiter beginnt, um seine Chancen vor Gericht zu verbessern. Richtig viel hat man über diesen Aspekt hier aber nicht zu sagen. Das Sozialdrama verschwindet bald und macht einem Familiendrama Platz, wenn klar wird, dass bei den Leprieurs einiges im Argen lag. Gerade auch an Pierre, der zu Beginn so gefeiert wird, scheint dann mehr dran zu sein.
Tragisch und düster
Während wir so mehr über die einzelnen Familienmitglieder erfahren, nimmt natürlich auch der Krimi an Fahrt auf. Dass da am Hafen kriminelle Geschäfte getätigt werden, wird früh verraten. Und so überrascht es dann auch nicht, dass mit der Zeit die Intensität zunimmt, es zu gefährlichen Situationen kommt, zu Gewalt auch. Wobei man nicht erwarten sollte, dass sich die Serie in einen Actionthriller verwandelt. Selbst die Szenen, in denen beispielsweise Schusswaffen zum Einsatz kommen, sind kurz. Regisseur Vincent Maël Cardona, der zuvor das wunderbare Musik-Coming-of-Age-Drama Die Magnetischen inszeniert hat, mag es bei Hafen ohne Gnade lieber etwas ruhiger. Nur selten sind da Passagen, bei denen das Publikum richtig mitfiebern wird.
Sehenswert ist die Mischung aus Krimi und Drama aber auch so. Da finden sich immer wieder interessante Themen in der Geschichte. Diese ist auch gut gespielt, selbst wenn das belgische Aushängeschild Olivier Gourmet (Farang – Schatten der Unterwelt) eine kleinere Rolle hat, als man anfangs meinen würde. Hafen ohne Gnade spart nicht an Tragik, wenn die Verluste mit der Zeit immer größer werden. Es gibt an dem Ort nicht nur keine Gnade. Auch mit der Hoffnung ist es nicht weit her, wenn die Serie immer düsterer wird. Ein paar Punkte sind vielleicht ein bisschen zu sehr konstruiert, ein bisschen näher am Alltag wäre bei diesem Setting schon nett gewesen. Aber auch so zeigte der Sender wieder guten Geschmack bei der Auswahl des Donnerstagabendprogramms.
OT: „De Grâce“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Vincent Maël Cardona
Drehbuch: Maxime Crupaux, Baptiste Fillon
Musik: Maxence Dussère
Kamera: Brice Pancot
Besetzung: Olivier Gourmet, Astrid Whettnall, Margot Bancilhon, Panayotis Pascot, Pierre Lottin, Alyzée Costes, Philippe Rebbot, Gringe, Nailia Harzoune, Xavier Beauvois, Michaël Erpelding, Mounir Kateb
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