Hao Are You
Florian Mag

Hao Are You

Hao Are You
„Hao Are You“ // Deutschland-Start: 15. Februar 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eine direkte Folge von Kriegen und Krisen sind unter anderem Flucht und Vertreibung. Es ist eine Geschichte, die jede historische Auseinandersetzung leider mit sich bringt und die nicht nur dafür sorgt, dass viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen, sondern auch viele Familien auseinandergerissen werden. Bisweilen hört man von Fällen, in denen Angehörige einer Familie in ganz unterschiedlichen Kulturen Zuflucht fanden, dort selbst eine Familie gründeten und gar nichts über den Verbleib der übrigen Verwandtschaft wissen. Wenn man Glück hat, trifft man nach vielen Jahren aufeinander, doch leider sind die Ausnahmefälle, denn Konflikte reißen bekanntlich Wunde und nicht alle von ihnen können verheilen.

In der Familiengeschichte von Regisseur Dieu Hao Do zeigen sich diese Wunden mehr als deutlich. Nachdem sie von China nach Vietnam flohen und von dort von den Kommunisten nach Ende des Vietnamkrieges vertrieben wurden, verlor sich zunächst die Spur seiner Onkels, Tanten und Cousinen, bis man sie Jahre später wiederfand. Jedoch überwiegen die Traumata in der Familie und das Schweigen der eigenen Mutter motivierte den jungen Mann nur noch mehr, nach Antworten zu suchen.

Diese Suche nach Antworten nahm ganze drei Jahre seines Lebens in Anspruch und ist auszugsweise in Dieu Hao Dos erstem Langdokumentation Hao Are You zu sehen. Seine Uraufführung erfuhr die Dokumentation auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2023, wo sie unter anderem in der Kategorie als Bester Dokumentarfilm nominiert war. Wenig später erhielt Hao Are You den First Steps Award als Bester Dokumentarfilm. Diese Ehrungen sind nicht zuletzt auch als Wertschätzungen anzusehen für die Zeit und die Leidenschaft, die Do in seine Dokumentation einfließen ließ und die ihn von seiner Heimat Deutschland nach Hongkong, nach Vietnam und in die USA führte. Im Kern stehen dabei die Gespräche mit seinen Onkeln und Tanten, die teils jahrelang nicht mehr miteinander gesprochen haben, ihre Biografien nach der Flucht und natürlich, was hinter dem Schweigen der Mutter steckt.

Man muss sich zurückziehen können.

Es ist eine Eröffnungsszene, die man aus einem Thriller kennt. Ein Mann ist am Telefon und redet auf seinen Gesprächspartner am anderen Ende ein, der sehr aufgebracht zu sein scheint. Es geht um ein Treffen, zu dem es nun nicht mehr kommen soll, denn die Stimme des Anrufers aus dem Hörer erklärt drohend, er werde die Polizei holen, behaupten, er werde entführt oder gefangen gehalten, sollte sich der Mann am Telefon bei ihm noch einmal blicken lassen. Dass Do dabei noch so ruhig bleibt, während ihn einer seiner vielen Onkel beschimpft und bedroht, ist schon beachtlich und führt direkt ein in das Netz des Schweigens, das in dieser Dokumentation noch viel lauter sein kann als Flüche und Drohungen. Die Fragen dieses Verwandten aus Deutschlands, den viele nur entfernt kennen, rühren in jener Vergangenheit, die sein Onkel in Hongkong lieber ganz vergessen würde. Indem die Kamera das Schweigen einfängt, zwischen den Fragen oder auch nach den Gesprächen, bekommt man einen Eindruck von diesem Trauma, das nun an die nächste Generation vererbt wird.

Das Schweigen ist natürlich Selbstschutz. Viele der Angehörigen des Regisseurs können auch nicht mehr anders, wie sein Onkel in Hannover, der bleibende psychische Schäden von der Zeit in kommunistischer Gefangenschaft hat. Man brauche Zeit und einen Ort, um sich zurückzuziehen, hört er immer wieder, doch auch das ist ein Teil dieses Schweigens. Die Geschichte der Familie Do ist zugleich eine Biografie von vielen, die Ähnliches durchgemacht haben und nach wie vor in Kulturen leben, in denen an eine Aufarbeitung der Vergangenheit gar nicht erst gedacht wird. Der Rückzug ist keine Option für jemanden wie den Regisseur, doch nach vorne zu gehen ist auch ein Wagnis, wenn einem eine Mauer der Stille im Weg steht.

Credits

OT: „Hao Are You“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Dieu Hao Do
Musik: Delphine Malausséna
Kamera: Florian Mag, Jonas Römmig

Bilder

Trailer

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Hao Are You
fazit
„Hao Are You“ ist eine Dokumentation über Familie, Flucht und Identität. Regisseur Dieu Hao Do erzählt die Geschichte seiner Familie, die aufgrund politischer Konflikte zerrissen wurde und nun nicht mehr zusammenfindet. Es ist eine bewegende Dokumentation, die zugleich sinnbildlich für das Traumata vieler Vertriebener stehen kann.
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