In einem Jahr mit 13 Monden
© Studiocanal

In einem Jahr mit 13 Monden

In einem Jahr mit 13 Monden
„In einem Jahr mit 13 Monden“ // Deutschland-Start: 17. November 1978 (Kino) // 24. Januar 2019 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

In letzter Zeit läuft vieles nicht gut im Leben von Elvira Weishaupt (Volker Spengler). Nach einer Prügelei mit ein paar Halbstarken in einem Frankfurter Park kommt es zu einem Streit mit ihrem Liebhaber, der ihr verschiedene Vorwürfe macht und sie schließlich verlässt. Allein in der ehemals gemeinsamen Wohnung tröstet die Prostituierte Zora (Ingrid Caven) Elvira, die außer sich vor Trauer über die Trennung ist. Als wäre dies nicht genug, erhält sie Besuch von Irene (Elisabeth Trissenaar), ihrer Frau, als Elvira noch Erwin hieß. Aufgrund eines Zeitungsinterviews ist sie sehr aufgebracht, denn neben ein paar harmlosen Geschichten aus ihrem Leben erzählt Elvira auch von ihrer Beziehung zu Anton Saitz (Gottfried John), einem wohlhabenden Geschäftsmann, der weite Teile Frankfurts kontrolliert. Sie befürchtet, Anton werde sich an ihr und der gemeinsamen Tochter Marie-Ann (Eva Mattes) rächen und bittet Elvira, sich bei Saitz zu entschuldigen.

Auf ihrem Weg durch Frankfurt begegnet Elvira Menschen, die ihr Leben geprägt haben, angefangen bei der Ordensschwester, die ihr im Kinderheim Trost spendete. Der Gang zu Anton wird zu einer Wiederbegegnung mit ihrem alten Leben, ihrer Zeit als Mann und als Gatte, doch ebenso mit den Beleidigungen und der Ablehnung, die sie immer wieder erfährt, doch nach der Trennung von ihrem Liebhaber doppelt schmerzt.

Die Härte der Welt

Im Vorspann des Filmes heißt es, dass 1978, wie jedes siebte Jahr, ein Jahr des Mondes ist. Besonders sensible Menschen sind in dieser Zeit von Depressionen betroffen. Diese Prämisse nutzt Regisseur Rainer Werner Fassbinder einmal mehr, um ein dramatisches Gesellschaftsporträt zu zeichnen, in dem er sich mit einer Vielzahl von Themen auseinandersetzt und dabei einen Ton trifft, der von vielen zeitgenössischen Kritikern „polemisch“ und „wüst“ genannt wurde. Getreu seinem Statement, dass ein System „seine Kinder frisst“, wo es sie findet, zeigt In einem Jahr mit 13 Monden einen Prozess der Selbstauflösung und damit einen verbitterten Blick auf ein Deutschland, das immer weiter macht, nicht zurückblickt und dabei immer rücksichtsloser vorgeht.

Wie bei vielen Werken Fassbinders ist die Stadt, in diesem Falle Frankfurt, abermals ein wichtiger Charakter für die Handlung. Die Nähe von Kapitalismus, symbolisiert durch die Skyline und die zahlreichen Banken, und des Rotlichtviertels mag als Metapher für eine Welt herhalten, die zwischen diesen beiden Extremen changiert. Der Erfolg, wie im Falle von Anton Saitz, stellt sich ein, wenn man beide Welten gleichermaßen beherrscht und zu führen weiß, was beide Sphären dieser Welt gleichermaßen zu gefährlichen Orten macht, an denen Verachtung und Gewalt regiert. Nur die Verleugnung kann dem Menschen helfen, hier zu überleben, wie der von Volker Spengler gespielte Erwin/Elvira früh gelernt hat. Die neue Identität als Frau kann man als Versuch des Selbstschutzes sehen, als Versuch eines Neuanfangs, nach dem das erste Leben als Mann mit so vielen Enttäuschungen verbunden war. Jedoch funktioniert dies nicht mehr, zumindest nicht für Erwin/Elvira, die bis an die Grenze getrieben wird und die Härte dieser Welt zu spüren bekommt.

Die Welt als Schlachtbank

Fassbinder inszeniert den Gang des Protagonisten durch Frankfurt in der für ihn oft typischen episodischen Weise. Parallelen zu Werken von Autoren wie James Joyce oder Franz Kafka bemerkt man, wenn die Welt als undurchschaubarer und oftmals gnadenloser Ort gezeigt wird, der scheinbar nur darauf aus ist, dem Menschen auf alle nur denkbare Weise zu schaden. Der Gang ins Schlachthaus – eine frühe Szene im Film – wird zu einer Parabel auf die Mentalität eines Systems, das seine Mitglieder nach und nach dem Ende zuführt, diese zuerst betäubt und sie dann ihrem Ende überlässt. Spenglers Figur scheint um dieses Ende zu wissen, will aber irgendwie entkommen, dem Leben einen Sinn geben oder zumindest seinen Lieben etwas Schutz verschaffen, der ihm/ihr selbst verwehrt blieb. Der Gang führt dann aber doch immer weiter in den höllengleichen Irrgarten, was Fassbinder vor allem durch den Einsatz von Licht und Musik verdeutlicht, die beispielsweise den Szenen bei Zoras Zuhälter eine zutiefst surreale, unangenehme Atmosphäre verleihen.

Credits

OT: „In einem Jahr mit 13 Monden“
Land: Deutschland
Jahr: 1978
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder
Musik: Peter Raben
Kamera: Rainer Werner Fassbinder
Besetzung: Volker Spengler, Ingrid Caven, Gottfried John, Elisabeth Trissenaar, Eva Mattes, Günther Kaufmann, Lieselotte Pempeit

Trailer

Kaufen / Streamen

Amazon (DVD „In einem Jahr mit 13 Monden“)
Amazon (Blu-ray „In einem Jahr mit 13 Monden“)

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

In einem Jahr mit 13 Monden
fazit
„In einem Jahr mit 13 Monden“ ist ein Drama und zugleich ein Porträt einer gnadenlosen Gesellschaft. Rainer Werner Fassbinder gelingt ein irritierender, oft sehr unbequemer Film, der deutlich macht, wie sehr man seine Stimme im deutschen Gegenwartskino vermisst.
Leserwertung1 Bewertung
10
9
von 10