Jane (2022)

Olivia (Madelaine Petsch) hat einen großen Traum: Sie möchte an der Stanford University aufgenommen werden. Das ist ihr so wichtig, dass sie alles andere erst einmal beiseiteschiebt. Die Vorzeigeschülerin hat nur auf dieses Ziel hingearbeitet. Sogar der Selbstmord ihrer besten Freundin Jane (Chloe Yu) schenkt sie wenig Aufmerksamkeit. Umso schlimmer wird es für sie, als sie dort erst einmal eine Absage erhält. Was tun? Gemeinsam mit Izzy (Chloe Bailey), mit der sie früher eng befreundet war, beginnt sie, das verwaiste Profil von Jane in den sozialen Medien zu nutzen, um anderen das Leben zur Hölle zu machen, die ihnen aus welchen Gründen auch immer ein Dorn im Auge sind. Damit sind sie erfolgreich. So erfolgreich, dass die Geschichte bald aus dem Ruder läuft und die beiden nicht mehr wissen, wie sie mit ihrem Rachefeldzug umgehen sollen …

Das Internet als Ort beliebiger Identitäten

Dass das Internet ein gefährlicher Ort ist, das ist kein Geheimnis. Eine Besonderheit ist, wie einfach es ist, zu einem anderen Menschen zu werden. Das betrifft die täglichen kleinen Lügen, um sich zu jemand Besserem zu machen. Es betrifft vor allem aber auch das Phänomen, die Identität anderer anzunehmen, ohne dass dies ersichtlich ist. Die Netflix True Crime Dokus Darf ich dir ein Geheimnis verraten? und Love Stalker Killer erzählten von zwei realen und sehr schockierenden Fällen von Menschen, die sich als jemand anderes ausgaben, um so ungestört terrorisieren zu können. Ein fiktionales, aber ebenfalls interessantes Beispiel ist der Spielfilm Jane, wo zwei Schülerinnen sich als ihre verstorbene Freundin ausgeben.

So etwas hätte theoretisch auch Teil eines Trauerprozesses sein können. Richtig viel geschieht dort aber nicht. Dann und wann fühlt sich Olivia zwar von der Verstorbenen verfolgt. Dabei ist aber unklar, ob dies nun das Ergebnis von Schuldgefühlen ist, einer echten Wertschätzung der Jugendlichen oder nur das Ergebnis eines auseinanderbrechenden Menschen. Schließlich erzählt Jane, wie die Protagonistin sich immer mehr hineinsteigert und aufgrund fehlender Konsequenzen für ihr Handeln keine Grenzen mehr kennt. Auch der Aspekt wird nicht wirklich ausformuliert. So ist nicht klar, ob Regisseurin und Co-Autorin Sabrina Jaglom, die nach mehreren Kurzfilmen hiermit ihr Langfilmdebüt gibt, eine wirkliche Aussage verfolgt. Geht es ihr um eine Auseinandersetzung mit dem Internet? Will sie etwas zu schulischem Druck sagen, der Olivia letztendlich kaputtmacht? Oder soll das ein Einblick in universelle jugendliche Belange sein?

Nicht konsequent genug

Das ist alles etwas schade, weil da das Potenzial für mehr war. Indem die Filmemacherin alles mal ein bisschen anschneidet, aber nichts konsequent verfolgt, bleibt das eher oberflächlich. Auch in anderer Hinsicht wäre mehr möglich und wünschenswert gewesen. So wird Jane zwar als Thriller verkauft. Es gibt aber zu wenige Szenen, die eine solche Einordnung wirklich rechtfertigen würden. Klar, im weiteren Verlauf eskaliert das alles. Zwischendurch gibt es die Gefahr, dass alles auffliegt. Und zum Ende hin wird es auch richtig böse. Aber eben erst dann, vorher geschieht nicht so wahnsinnig viel. Man wartet hier überwiegend darauf, dass der Film mal die nächste Stufe erreicht und es wirklich losgeht. Erfolglos.

Schlecht ist der Film deswegen nicht. Beispielsweise darf Hauptdarstellerin Madelaine Petsch (Riverdale, Sightless) hier ihr schauspielerisches Talent beweisen, wenn sich ihr Alter Ego immer mehr verliert und kein Rechtsempfinden mehr hat. Das Finale hat es dann auch in sich und hallt noch ein bisschen länger nach. Überhaupt kann man Jane schauspielerisch keine Vorwürfe machen, auch die Figurenzeichnung ist in Ordnung. Es fehlt jedoch die letzte Konsequenz, um aus dem Ganzen wirklich etwas zu machen. Am Ende gibt es viel Unglück und zerstörte Konsequenzen – aber eben auch eine gewisse Beliebigkeit.