Regisseur Luc Jacquet spricht über seinen neuen Dokumentarfilm "Rückkehr zum Land der Pinguin" (© Sarah Del Ben)

Luc Jacquet [Interview]

Mit seiner Dokumentation Die Reise der Pinguine hat Luc Jacquet Filmgeschichte geschrieben: Das Werk war ein weltweiter Kassenschlager und erhielt den Oscar als bester Dokumentarfilm. Nun kehrt der französische Regisseur mit Rückkehr zum Land der Pinguine in die Antarktis zurück. Dabei lässt er uns nicht nur an der Reise teilhaben und zeigt Aufnahmen von der Landschaft. Er teilt auch seine Gedanken, sowohl über den Ort selbst wie auch das Verhältnis von Mensch und Natur. Wir haben uns anlässlich des Kinostarts am 15. Februar 2024 mit dem Filmemacher unterhalten. Im Interview sprechen wir über die Dreharbeiten und welche Bedeutung das Projekt für ihn hat.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Rückkehr zum Land der Pinguine verraten? Wie kam es zu dem Projekt?

Die Antarktis ist ein ganz besonderer Ort, der mich magisch anzieht. Seit 30 Jahren schon reise ich immer wieder dorthin und bin einfach süchtig danach. Ich wollte wissen, warum das so ist. Was bringt einen dazu, an einen solchen Ort zu fahren, der so beschwerlich ist? Während ich mich mit der Frage auseinandergesetzt habe, habe ich festgestellt, dass es auch anderen so geht. Es ist mir dabei immer schwergefallen, meiner Familie und meinen Freunden zu beschreiben, wie die Antarktis wirklich ist, weil sie so anders ist. So, als wäre sie gar nicht aus dieser Welt. Mit dem Film wollte ich all diesen Sachen nachgehen und zeigen, wie eine solche Reise aussieht.

Wie viel Zeit hast du insgesamt dort verbracht?

Ich denke, dass alle Reisen zusammen mehr als drei Jahre gewesen sein müssen. Meine erste dauerte 14 Monate. Damals war ich als Wissenschaftler bei einer französischen Forschungsstation. Später war ich noch mehrfach da, entweder um Filme zu drehen oder für weitere Forschungen.

Und warum nun die Antarktis? Es gibt noch viele andere ferne Orte auf der Welt, bei der es faszinierende Landschaften oder Tiere zu sehen gibt. Was macht die Antarktis so besonders?

Die Frage kann ich auch nach dem Film nicht beantworten. (lacht) Was interessant ist: Parallel zu dem Film habe ich auch eine Ausstellung über die Texte gemacht, die Leute bei ihren Reisen in die Antarktis geschrieben haben, von den ersten Expeditionen im späten 19. Jahrhundert. Und du findest in diesen Texten sehr ähnliche Beschreibungen. Wer dort ist, fängt automatisch an, über sich selbst nachzudenken und die eigene Bedeutung in einer so riesigen, unfassbaren Landschaft.

Und wie war es für dich, wieder dort zu sein?

Es war schon etwas ganz Besonderes. Vor allem wenn ich ganz nah an den Tieren war, war das für mich ein tolles Gefühl. Es hat mir auch Hoffnung gemacht, dass es möglich ist, dass Menschen im Einklang mit der Natur leben. Je älter ich werde, umso mehr empfinde ich es auch als Privileg, dort sein zu dürfen. Natürlich ist das immer mit Arbeit verbunden. Du reist nicht in die Antarktis, um dort Urlaub zu machen, sondern um etwas zu tun. Auf diese Weise kommt dann viel zusammen, das Erleben und das Kontemplative.

Gibt es denn für dich noch etwas zu entdecken?

Es ist so, dass ich vieles jetzt mit anderen Augen sehe. Einfach weil die Umstände jetzt anders sind.  Heute spüre ich stärker die Notwendigkeit, etwas zu tun und die Natur zu bewahren. Als ich jünger war, habe ich diese noch für selbstverständlich gehalten. Jetzt bin ich mir bewusst, dass sie ein Geschenk ist und wir alles dafür tun müssen, um sie zu retten – und damit auch uns selbst. Wenn du in der Antarktis bist, hast du das Gefühl, dass die Menschheit ganz weit weg ist und du unberührte Natur hast. Und doch ist der Einfluss der Menschen so groß, dass du ihn selbst dort noch spürst.

Du hast gemeint, dass dir die Antarktis Hoffnung gibt, dass Menschen und Natur in Einklang leben können. Aber wie ist das möglich, wenn der Mensch sie selbst dort verändert, wo er gar nicht ist?

Einfach ist das natürlich nicht. Wenn ich ganz objektiv an die Sache rangehe, gibt es vielleicht auch wenig Anlass zur Hoffnung. Und doch weigere ich mich, sie aufzugeben, allein schon wegen meiner Kinder und der zukünftigen Generationen. Wir können es uns nicht leisten einfach aufzugeben.

Denkst du, dass du als Filmemacher etwas beitragen kannst?

Wir haben schon Einfluss. Vielleicht nicht den allergrößten, aber wir haben ihn. Filme haben die Kraft, durch ihre Bilder etwas zu bewegen und die Menschen zu erreichen. Natürlich ist es schwieriger, heute noch ein großes Publikum mit solchen Dokumentarfilmen anzusprechen. Es ist ja schon schwierig, solche Filme überhaupt noch ins Kino zu bringen. Die Situation ist eine andere als damals, als ich Die Reise der Pinguine gemacht habe. Außerdem gehen immer weniger Leute noch in die Kinos. Insofern mache ich mir da keine Illusionen. Und doch ist es wichtig, dass wir alle unseren Beitrag leisten.

Nun werden aber nach wie vor viele Naturdokus gedreht, etwa für Netflix oder auch das Fernsehen. Und dort werden sie nach wie vor angeschaut. War das für dich eine Option, den Film für diese Kanäle zu drehen?

Das Problem dort ist, dass du keine Freiheiten hast. Die Sender geben dir genau vor, was du drehen sollst. Dadurch ist es nicht möglich, dass du selbst irgendwie kreativ werden kannst. Und das ist ein Umfeld, in dem ich mich einfach nicht wohlfühle. Das ist für mich die größte Hürde. Hinzu kommt, dass die Filme auf einem Fernseher einfach nicht so wirken wie auf der großen Leinwand. Um die Natur wirklich erfahren zu können und etwas zu fühlen, musst du ins Kino gehen.

Auffällig ist, dass du bei Rückkehr zum Land der Pinguine Schwarzweiß-Aufnahmen verwendest. Wie kam es dazu?

Zum einen mag ich die Ästhetik von Schwarzweiß-Bildern. Ich wollte aber auch etwas Anderes machen. Das Publikum sollte sofort wissen, dass das kein einfacher Landschaftsfilm ist. Wenn du einfach nur Aufnahmen aus der Antarktis sehen willst, dann findest du sie im Internet zuhauf. Ich wollte etwas Persönlicheres. Außerdem war es für mich eine Möglichkeit auszudrücken, was für eine Ausnahmeerfahrung es ist, in der Antarktis zu sein. Du hast das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. All das, was wir mit unserem ich nenne es mal westlichem Leben verbinden, fällt weg, du hast das Gefühl in die Vergangenheit zu reisen, als unsere Welt noch eine andere war.

Wie sah es mit den Vorbereitungen aus für eine solche Reise? Haben die viel Zeit in Anspruch genommen? Für jemanden, der wirklich gar keine Erfahrungen hat, sieht es immer sehr schwierig aus.

Um ehrlich zu sein: nein, ist es nicht. Zum einen habe ich inzwischen so viel Erfahrungen gesammelt, dass ich genau weiß, was es braucht. Außerdem sind wir in einer Forschungsstation untergekommen, da brauchten wir nicht viel zu organisieren. Natürlich mussten wir gute Aufnahmebedingungen finden und auch eine Geschichte, die wir erzählen können. Es war also schon Arbeit. Im Hinblick auf die Logistik war es aber keine große Herausforderung. Tatsächlich war der Trip in die Antarktis für mich einfacher als ein Skitrip. (lacht)

Trotz dieser Forschungsstationen ist die Antarktis aber kein Platz, für den die Menschen gemacht sind. Hattest du je das Gefühl, in einen Ort einzudringen, an dem du nichts zu suchen hast?

Nein. Vielleicht bin ich da auch etwas altmodisch, aber ich bin aus einer Generation, wo viele den Traum hatten, die Welt zu erkunden und alles einmal gesehen zu haben. Menschen sind dazu gemacht, zu erkunden und sich auszubreiten. Darin sind wir sehr effektiv, weshalb die Menschen auch praktisch die ganze Erde besiedeln konnten.

Gibt es für dich noch einen Ort, den du gern erkunden würdest?

Ja, überraschenderweise habe ich es nie auf den Himalaya geschafft. In den Bergen war ich natürlich viel, ich bin auch in der Nähe der Alpen aufgewachsen. Aber der Himalaya fehlt mit noch.

Letzte Frage, was sind deine nächsten Projekte? Woran arbeitest du?

Ich arbeite an mehreren Projekten. Am weitesten fortgeschritten ist eines, das von Korallenriffen handeln wird.

Vielen Dank für das Gespräch!



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