Es läuft nicht mehr so wirklich bei Familie Hayes, sie sehen für sich keine Perspektive mehr in der Stadt. Also beschließen Dave (Milo Gibson) und seine Frau Alice (Annet Mahendru), in eine ländliche Gegend zu ziehen und dort mit ihren Töchtern Mary (Madison Friedman) und Riley (Lexy Kolker) einen Neuanfang zu wagen. Einfach ist das nicht. So kommt es zu einem Vorfall mit der Nachbarschaft. Außerdem ist Alice psychisch labil, weshalb sie auch ihre Arbeit als Lehrerin verloren hat. Nach und nach werden die vier dennoch heimisch, arbeiten zumindest daran. Dabei ahnen sie nicht, dass ihnen noch große Probleme bevorstehen, als auch andere auf die vier aufmerksam werden …
Mehr Familiendrama als Actionspektakel
Das Erstellen eines passenden Covers ist eine Kunst für sich. Es muss in nur einem Bild einen ganzen Film zusammenfassen, soll neugierig machen und die Leute dazu verleiten, sich den Film anzuschauen. Dass für Letzteres gern mal ein bisschen geschummelt wird, ist kein Geheimnis. Vor allem im B-Movie-Bereich kommt es beispielsweise ständig vor, dass Leute aus dem Ensemble ganz groß präsentiert werden, obwohl sie im Film kaum zu sehen sind. Bruce Willis hat daraus eine eigene Karrierestrategie gemacht. Auch bei Off the Grid – Wie weit würdest Du gehen? handelt es sich um eine Mogelpackung. Ausgehend vom Cover sollte man hier davon ausgehen, es mit einem Actionspektakel zu tun zu haben, bei dem eine Frau allein gegen eine ganze Armee kämpft.
Das trifft so aber gar nicht zu. Zwar kommt es schon noch zu dem Showdown, der hier angedeutet wird. Er kommt aber sehr spät und läuft anders ab, als impliziert wird. Stattdessen handelt es sich bei Off the Grid – Wie weit würdest Du gehen? über weite Strecken primär um ein Familiendrama. Anfangs meint man dann auch, es mit einem Film im Stil von Leave No Trace zu tun zu haben. Dort war es ein traumatisierter Mann, der mit seiner Tochter in einen Wald zog und in einem Zelt lebte. Ganz so weit geht es hier nicht, die vier wohnen schon in einem richtigen Haus. Um psychische Probleme geht es aber auch, wie sich nach einer Weile herausstellt. So hat die Mutter mit solchen zu kämpfen, was letztendlich auch die Familie zu zerreißen droht – zumal sie offensichtlich keine Hilfe erhält.
Verschenktes Potenzial
Auch das hätte in spannendes Thema werden können. Nur wollten sich Joe Dietsch und Louie Gibson, die gemeinsam Regie geführt und das Drehbuch geschrieben haben, darauf nicht festlegen lassen. Stattdessen packen sie eine Reihe von Themen hinein, gehen mal in die eine, mal in die andere Richtung. Beispielsweise kommt irgendwann auch die Frage auf, ob die Eltern in ihrer derzeitigen Verfassung überhaupt in der Lage sind, sich um die Kinder zu kümmern. Anstatt aber wie etwa All to Play For die gesamte Geschichte darum zu basteln und eine Form der gesellschaftlichen Relevanz anzustreben, wird bei Off the Grid – Wie weit würdest Du gehen? eben geschossen, womit sich das Ganze auf den letzten Metern doch noch in einen Thriller verwandelt.
Das ist dann nicht wirklich schlecht. Die Themen sind interessant und vielfältig, das Setting macht einiges her. Man kann nicht einmal über die schauspielerische Leistung meckern, die ist zumindest ganz solide geworden. Aber es ist schon bedauerlich, irritierend, vielleicht sogar ärgerlich, wie Dietsch und Gibson das Potenzial ihrer Geschichte nicht ausnutzen, sondern einen unausgegorenen Mix aus Drama und Thriller zusammengestellt haben. Dieser ist auch nicht wirklich glaubwürdig, da er zum Teil schon ziemlich überzogen ist. Letzten Endes kommt Off the Grid – Wie weit würdest Du gehen? auf diese Weise nicht über Durchschnitt hinaus und verpasst es, durch seine Ziellosigkeit, eine tatsächliche Wirkung zu zeigen. Der Film ist am Ende weder besonders bewegend, noch wird er so spannend, wie das Cover suggeriert.
OT: „Manifest West“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Joe Dietsch, Louie Gibson
Drehbuch: Joe Dietsch, Louie Gibson
Musik: Jesse Ahmann, Chris Gilbreath
Kamera: Joe Dietsch
Besetzung: Milo Gibson, Annet Mahendru, Madison Friedman, Lexy Kolker, Michael Cudlitz, Dionne Audain, Tim Heidecker, Ava Kolker
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