2005 war Luc Jacquet mit Die Reise der Pinguine eine absolute Sensation gelungen. Zwar hatte der Franzose vorher schon an Tierdokumentationen gearbeitet. So arbeitete er 1993 als Kameramann an Der Kongress der Pinguine. Danach drehte er mehrere Dokus fürs Fernsehen. Doch es war sein erster Kinofilm, der ihn berühmt machte, weltweit ein Millionenpublikum fand und ihm einen Oscar für den besten Dokumentarfilm einbrachte. Bis heute zehrt er von diesem Ruhm. So wird sein neuestes Werk Rückkehr zum Land der Pinguine als eine Art Nachfolger seines Kassenschlagers verkauft, was aber nur bedingt stimmt. Zwar sind auch hier Pinguine zu sehen. Sie nehmen aber einen vergleichsweise geringen Raum in dem Film ein: Auch wenn der deutsche Titel dies impliziert, handelt es sich nicht um eine Doku, welche die Wasservögel zum Fokus machen.
Eine innere Reise
Der französische Originaltitel Voyage au pôle sud trifft es da schon besser. Es geht darum, wie Jacquet und sein Team zum Südpol zurückkehren, das in ihm eine ganz besondere Sehnsucht weckt. Die Reise wird dann auch wirklich gezeigt. Anstatt gleich in der Antarktis zu beginnen, begleiten wir Jacquet, wie er in Südpatagonien beginnt, später Feuerland betritt, am Kap Hoorn vorbei, um dann endlich den Eiskontinent zu erreichen. Dabei ist die Fahrt kein bloßes Mittel zum Zweck. Vielmehr sind sie Teil einer sehr persönlichen Erfahrung, die der Regisseur mit den Zuschauern und Zuschauerinnen teilen möchte. Wo es bei Die Reise der Pinguine noch um den menschlichen Einblick in die Tierwelt ging, da ist Rückkehr zum Land der Pinguine ein sehr introspektiver Film. Jacquet macht sich und seine eigene Gefühlswelt zum Thema.
Diese ist dabei nicht von einer Entdeckerlust geprägt, sondern von einer Sehnsucht und Melancholie. Die Reise an den südlichsten Punkt der Erde ist für ihn zugleich eine Reise in die Vergangenheit. Immer wieder wird er sich daran erinnern, wie es war, als junger Mann diesen unwirtlichen Ort zu erkunden. 30 Jahre sind seither vergangen, inzwischen ist der Filmschaffende Mitte fünfzig. Das ist zwar noch ein paar Jährchen von der Rente entfernt. Und doch kreisen seine Gedanken um die eigene Vergänglichkeit, fragt sich, wie viele dieser Reisen er wohl noch machen kann. Rückkehr zum Land der Pinguine ist stärker von einer Wehmut definiert als von einer Wiedersehensfreude. Zwei sagt er von sich selbst, er sei süchtig nach dieser Gegend. Die Befriedigung dieser Sucht bringt aber keine Erleichterung, zumindest keine eindeutige.
Faszinierendes Tor zu einer anderen Welt
Das liegt auch daran, dass die Sorge Jacquet umtreibt, wie lange es diesen Südpol wohl noch geben wird in dieser Form. Zwar ist dieser weit weg vom menschlichen Treiben, man sieht dort praktisch keine Leute. Und doch hat der Expansionszwang seiner Artgenossen Spuren hinterlassen. Die Veränderung des Protagonisten geht mit einer Veränderung des Zielortes einher. Doch während das Altern ein natürlicher Prozess ist, sind Umweltverschmutzung und Klimawandel künstliche. Rückkehr zum Land der Pinguine ist damit immer auch ein Plädoyer dafür, im Einklang mit der Natur zu leben und nach einem Ausgleich zu suchen. Viele Naturdokus haben solche Nachrichten für das Publikum, wollen wachrütteln und für das Thema sensibilisieren. Hier geschieht das aber eher als eine Art Tagebuch.
Die von Jacquet verfassten und mit ruhiger Stimme von dem deutschen Schauspieler Ronald Zehrfeld vorgetragenen Texte sparen dabei nicht an Pathos, der Regisseur kennt da keine Zurückhaltung. Aber das passt dann auch zu den Bildern, die ihrerseits überwältigend sind. Völlig in Schwarzweiß gehalten, ist Rückkehr zum Land der Pinguine ein Kunstwerk, an dem man sich gar nicht sattsehen kann. Der Dokumentarfilm verwandelt den fernen Ort in ein eigenes Universum, das oftmals surreal wirkt. Die majestätischen Eisberge, die weiten, menschenleeren Ebenen, die Reise wird zu einem Tor in eine andere Welt, die fremd ist und einem doch nahegeht. Der Film, der unter anderem beim Locarno Film Festival 2023 gezeigt wurde, wird zwar sicherlich kein Phänomen werden wie seinerzeit der Durchbruch von Jacquet. Aber die Doku hinterlässt Eindruck, überschüttet uns mit Bildern, die einen anschließend nicht mehr aus dem Kopf gehen.
OT: „Voyage au pôle sud“
IT: „Antarctica Calling“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Luc Jacquet
Drehbuch: Luc Jacquet
Musik: Cyrille Aufort
Kamera: Christophe Graillot, Jérôme Bouvier, Sarah del Ben
Stimme: Ronald Zehrfeld
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur Luc Jaquet zu unterhalten. Im Interview zu Rückkehr zum Land der Pinguine sprechen wir über die Arbeit an dem Dokumentarfilm und welche Gefühle er dabei hatte.
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