Alaska im tiefen Winter: Für mehrere Wochen wird die Stadt Ennis keinen Sonnenaufgang mehr sehen, die Dunkelheit übernimmt in der Polarnacht. Doch eine düstere Stimmung ist nicht die größte Sorge der Polizeichefin Liz Danvers (Jodie Foster) und ihrer Kollegin Evangeline Navarro (Kali Reis): Als plötzlich acht Wissenschaftler einer Forschungsstation verschwinden und nur eine abgetrennte, gefrorene Zunge als Spur zurückbleibt, beginnt eine Ermittlung, die selbst den erfahrensten Detectives das Blut in den Adern gefrieren lässt. Welche Geheimnisse hütet die kleine Stadt und auf welches übernatürlich wirkende Unheil waren die Forscher gestoßen? Man muss nur die richtigen Fragen stellen …
Die Wurzeln des modernen Fernsehen
True Detective ist eben jene Serie die 2014 mit den Filmstars Matthew McConaughey und Woody Harrelson in den Hauptrollen gigantische Erfolge feiern durfte. Mit einer ganz besonderen Optik und einer teils zwar pathetisch anmutenden, aber doch inspirierten Philosophie und dem passenden Drehbuch zeigte erneut, wie das Fernsehen die Königsdisziplin des Storytellings sein konnte. Mit mehr Laufzeit, immenser Charaktertiefe und einer spannenden, modernen Detektivgeschichte stieg Creator Nic Pizzolatto zu den Sternen des Schreiberhimmels auf. Die Serie wurde in zwei weiteren Staffeln fortgesetzt – allerdings als Anthologieserie, d.h. mit einem neuen Thema, einem neuen Cast, einem neuen Fall. Jedes Mal. Schwächer und wesentlich uninspirierter verlor die Serie schnell ihren Charme, der wie aus dem Nichts auf der Fernsehlandschaft aufgetaucht war. Pizzolatto feierte zwar mit Staffel 3 einige Erfolge, konnte aber nie an seinen ersten Treffer anknüpfen.
Weiblicher Cast und Creatives
Mit Staffel 4, die nun einige Jahre später erst auf unseren Internetfernsehern tanzt, gibt es nun einige Veränderungen. Zuerst der Untertitel Night Country, ein First in der Geschichte von True Detective, zunächst ein weiblicher Cast und eine ganz andere Stimmung. Zu verorten ist diese Staffel, die man eigentlich auch Miniserie nennen könnte, nämlich in einem Thriller und Psychohorrorbereich, der ganz überraschend großen Spaß bereitet: Nach einem grandios guten Intro mit dem sexy Horrorsong Bury a friend von Superstar Billie Eilish im Gepäck darf man einem ganz besonders merkwürdigen Kriminalfall folgen, der mit Jump Scares, örtlicher Mythologie und indigener Kultur einen wirklich wilden Ritt bietet.
Autorin und Showrunnerin Issa López stellt ein beeindruckendes Gleichgewicht her zwischen Horrorelementen und einer schlicht und einfach fesselnden Story. Nic Pizzolatto, der in dieser Staffel auf dem Rücksitz gemeinsam mit McConaughey und Harrelson nur als Executive Producer tätig ist, hat hier ganze Arbeit geleistet, seiner Kreation frischen Wind zu geben, indem der männliche harte Stereotyp seiner letzten Staffeln eine willkommene Abwechslung widerfährt.
Starkes Comeback
Vom Sounddesign bis hin zur allgemein düsteren Ästhetik brilliert die Serie, gerade die ersten beiden Episoden reißen einen wortwörtlich mit sich. Schade ist nur, dass die beiden Detectives, abgesehen davon, dass sie biologische Frauen sind, gerade in den ersten Folgen sehr männlich daherkommen – was nicht heißen soll, dass Weiblichkeit immer mit Sensibilität oder dergleichen dargestellt werden sollte, im Gegenteil. Es ist nur eben nicht die Art Abwechslung, die man nach den testosterongeladenen und männerdominierten Staffeln 1-3 erhofft hatte.
Die Toughness der beiden Hauptdarstellerinnen fügt sich zwar gut ein, gerade weil sie es in ihrem Beruf nicht leicht haben, sich gegen besserwissende und frustrierte Männer zu behaupten, die sich unter weiblichen Führungskräften falsch vertreten fühlen – doch ist gerade Jodie Fosters Schauspiel teils einfach nicht tragbar. Das konstante Fluchen und ein seltsam affektierter Schmutz in ihrer Originalstimme wirken oft so falsch, dass man eine überspielende Darstellerin sieht und nicht die Figur zu der sie werden soll. Ihr Co-Star Kali Reis dagegen, rettet oft die Szenen, ihr subtileres und androgynes Auftreten vereint wunderbar die Härte und Feinfühligkeit vor einem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext innerhalb der Serie.
Seltsam befriedigt
Hier und da spielt die Serie auch auf ihren Ursprung an, wenn männliche Charaktere Detective Rust Cohle aus Staffel 1 zitieren, nur um gerade deswegen zurechtgewiesen zu werden. In ihren besten Momenten ist die Serie Frauenpower mit Tiefe, kulturelle Vielfalt mit Klasse und Charme, alles mit genügend Subtilität versehen, um nicht aufgesetzt zu wirken. Gerade das letzte Zitat am Ende der Serie fasst noch einmal wunderbar die Einsamkeit, Zerrissenheit und gleichzeitige Verbindung der Charaktere und ihrer (Wahl-)Heimat zusammen und lässt einen nachdenklich und seltsam befriedigt zurück.
OT: „True Detective: Night Country“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Issa López
Drehbuch: Issa López
Idee: Nic Pizzolatto
Musik: Vince Pope
Besetzung: Jodie Foster, Kali Reis, Fiona Shaw, Finn Bennett, Isabella LaBlanc, Christopher Eccleston, John Hawkes
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