Auch wenn in vielen Ländern die Geburtenrate kontinuierlich zurückgeht, das Kinderkriegen nicht mehr die große Priorität hat, gibt es doch noch genügend Menschen, für die ein Leben ohne Nachwuchs irgendwie vergeudet ist. Aber nur weil man ein Kind haben will, heißt das nicht automatisch, dass es auch klappt. Das wiederum macht das Thema für Filmschaffende interessant, man kann daraus die unterschiedlichsten Geschichten basteln. Sehr empfehlenswert ist beispielsweise die einfühlsame Serie Trying, bei der es um einen langwierigen Adoptionsprozess geht. Der Film Die Sex-Verschwörung setzte hingegen auf Komik, wenn eine Frau zu verzweifelten Mitteln greift, um doch noch schwanger zu werden. In eine ähnliche und zugleich völlig entgegengesetzte Richtung geht der Dokumentarfilm Der Wunsch.
Zwei Frauen und der Wunsch nach einem Kind
Dieser begleitet zwei Frauen, Christiane und Maria, die eigentlich sehr glücklich miteinander sind, denen aber ein eigenes Kind zum Glück fehlt. Bei ihnen ist die Situation natürlich noch einmal schwieriger. Dass zwei Frauen auf reguläre Weise ein Kind miteinander bekommen, ist ausgeschlossen. Maria ist zudem seit einem Unfall querschnittsgelähmt, was die Sache noch weiter verkompliziert. Aber nur weil eine Situation schwierig ist, ist sie nicht unmöglich. Vor allem Christiane ist darauf fixiert, dass das mit dem Nachwuchs klappen muss, sie lässt nichts unversucht, um das endlich umzusetzen. Der Wunsch begleitet die beiden dabei, zeigt sie in privaten Situationen wie auch beim Gespräch mit Ärztinnen, wo es um die verschiedenen Optionen geht.
Der Film hat dabei beachtliche zeitliche Dimensionen. Genauer hat Regisseurin Judith Beuth die zwei Frauen über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitet. Das verrät quasi schon vorab, dass das Unternehmen Schwangerschaft mit zahlreichen Problemen verbunden ist. So sehr sich Christiane und Maria auch bemühen, es will einfach nicht klappen. Dabei nehmen die Schwierigkeiten eher zu als ab. Zwar kommen mit den Jahren neue Optionen hinzu, sowohl in juristischer wie medizinischer Hinsicht. Gleichzeitig werden die Protagonistinnen immer älter. Christiane ist zu Beginn von Der Wunsch bereits 39 und damit am oberen Ende der Zeitspanne, wenn Schwangerschaften möglich sind. Mit jedem Jahr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass es noch klappen kann. Das Projekt ist ein Wettlauf gegen die Zeit, die innere Uhr tickt so laut, dass sie alles andere überdeckt.
Wenn Lebenspläne scheitern
Der Film ist deshalb auch nur zum Teil einer über das Kinderkriegen. Er erzählt vielmehr, was es mit den Menschen macht, wenn ein fester Bestandteil des Selbstbildes nicht mehr realisierbar ist. Aber auch, was es mit der Beziehung macht. Diese bleibt war liebevoll. Je stärker sich jedoch herauskristallisiert, dass das mit dem Wunsch vermutlich nichts wird, umso stärker gerät auch die Beziehung unter Druck. Die Fehlschläge führen nicht dazu, dass die beiden zusammengeschweißt werden. Sie führen zu einer wachsenden Distanz, was Der Wunsch gleich doppelt tragisch macht. Vor den Augen des Publikums droht da etwas Wunderschönes zu zerbrechen, wenn Lebenspläne unerfüllt bleiben.
Dabei wird nie ganz klar, warum Christiane derart vehement darauf besteht, dass sie ein eigenes Kind gebären muss. Erst zum Ende hin, wenn in kurzen Sätzen aufgezeigt wird, was durch das fehlende Kind nie geschehen wird, kommt eine Ahnung auf, was da wirklich in ihr vorgeht. Das heißt nicht, dass Der Wunsch keine Einblicke gibt. Im Laufe der zehn Jahre ist da offensichtlich ein enges Verhältnis zwischen den beiden Protagonistinnen und Regisseurin Judith Beuth entstanden, da wird schon offen miteinander geredet. Das zeigt beispielsweise eine Szene, in der Beuth auf einmal selbst vor die Kamera tritt. Das Ergebnis ist sehenswert. Der Dokumentarfilm, der auf dem Max Ophüls Preis 2024 Premiere feierte, ist ein zutiefst menschliches Werk über Liebe, Lebensentwürfe und Enttäuschungen, das einen selbst dann mitfühlen lässt, wenn man nicht alles nachvollziehen kann.
OT: „Der Wunsch“
Land: Deutschland, Norwegen
Jahr: 2024
Regie: Judith Beuth
Musik: Amund Ulvestad
Kamera: Yannick Bonica, Judith Beuth
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