Jen (Máiréad Tyers) hat endlich das Geld zusammen, um ihre Therapie anfangen zu können. Während alle Menschen um sie herum passend zur Volljährigkeit eine Superkraft entwickeln, wartet sie auch mit 25 Jahren noch vergeblich auf ihre. Das soll sich dank George (Julian Barratt) nun ändern. Er hat die Fähigkeit, in ihren Geist einzudringen, um so dem Problem auf den Grund zu gehen. Während es so aussieht, als würde sich für Jen nun alles zum Guten wenden, geht in ihrem Leben und dem ihrer Freunde allerdings einiges gewaltig schief …
Ordinär und überflüssig
So sonderlich einprägsam war die erste Staffel von Extraordinary nicht unbedingt. Was vor allem im Gedächtnis blieb: Die Serie ist nicht nur ziemlich ordinary, sondern auch ziemlich ordinär. Gegen Ende versprach die Sache ja aber einigermaßen interessant zu werden, als sich dann doch stärker auf die Geschichte fokussiert wurde. Wenn Jen zu Beginn der zweiten Staffel jedoch erst einmal blöd durch die Wohnung tanzt, kann der Zuschauer spätestens bei der Auflösung der Szene direkt wieder alle Hoffnung fahren lassen – auch ohne hier je eine Göttliche Komödie erwartet zu haben.
Dass Autorin Emma Morgan für ihre männlichen Charaktere nicht viel übrig hat, ließ sich schon in der ersten Staffel erkennen. Überspitzt gesagt existieren sie nur, damit es sich peinlich verhaltende Figuren gibt, die natürlich keine Frauen sein dürfen. Wenn Kash (Bilal Hasna) krampfhaft an einer alten, zerrissenen Unterhose festhält, die seine Ex Carrie (Sofia Oxenham) wegwerfen möchte, wird deutlich, dass sich daran in der zweiten wohl nicht viel geändert hat. Es handelt sich dabei auch nicht um einen schnöden Wegwerf-Gag, dieser „Handlungsstrang“ zieht sich durch die ganze erste Folge. Immerhin hängt das nicht ganz im luftleeren Raum, sondern führt am Ende zu einem kleinen Payoff, aber abgesehen von etwas Fremdscham wäre hier ohne ihn nichts verloren gegangen.
Ein Vertrag ohne Sinn
Die Ausstattung in Extraordinary ist schon ziemlich gut, aber trotzdem nicht vor Detailkritik gefeit. In der ersten Folge erhalten wir einen kurzen Einblick in das „Termination of Relationship Agreement“ zwischen Kash und Carrie. So kurz, dass den Inhalt der präsentierten Seite nur ein Zuschauer erfassen kann, der bei 17:59 pausiert. Da dieser wieder einmal ziemlich ordinär und peinlich ist, kann das zunächst als kleiner Insidergag durchgewunken werden. Bei 19:35 fängt Kash jedoch an, aus dem Dokument vorzulesen – und zwar genau die vorher gezeigte Stelle. Das bringt zwei Probleme mit sich: Zum einen blättert Kash zu spät um, kann ein Wort des vorher gezeigten Textes also noch gar nicht gelesen haben. Zum anderen befindet sich der in der Erzählzeit etwa anderthalb Minuten nach dem gezeigten Part vorgelesene Text im Dokument über ebenjenem. Das Ende der vorherigen Szene zeigte jedoch, dass die beiden die Vereinbarung der Reihe nach Punkt für Punkt durchgehen.
Auch das funktioniert jedoch nicht, da der untere Text (ebenfalls wie der vorgelesene) bereits von Kash markiert und kommentiert war. Unbestritten kann das nur Zuschauern auffallen, die im richtigen Moment pausieren. Wer aber ans Filmemachen mit einer „das versendet sich“-Einstellung herangeht, respektiert weder sein Publikum noch die eigene Arbeit. Am Ende der Verhandlungen besprechen sie dann plötzlich die zweite Klausel der Vereinbarung, obwohl sie schon lange bei der neunten waren. Sonderlich kohärent ist das alles nicht.
Nicht zu Ende gedacht
Für wen das Zeigen einer Tampon-Packung, allgemeine Bezüge auf die weibliche Anatomie, Fäkalhumor oder ein ganzer Raum voller Dildos, der abgesehen vom ‚humoristischen‘ Aspekt einer Szene keinerlei Relevanz hat, das Nonplusultra der Unterhaltung darstellt, wird bei der zweiten Staffel von Extraordinary viel zu lachen bekommen. Wer die Drogenszene in Quiz Lady überflüssig fand, sieht in der zweiten Folge eine noch unnötigere und unwitzigere Version davon. Zumal sie hier am Ende der Episode ad absurdum geführt wird, was zweifellos der Versuch ist, einen weiteren Gag zu machen, der dann aber eben nicht mehr ins Gesamtkonzept passt.
Das Worldbuilding ist in der zweiten Staffel etwas besser gelungen als in der ersten, auch wenn es hier im Grunde wieder daran krankt, dass wenig zu Ende gedacht ist. Wenn Jen und ihr Freund (Luke Rollason) dank der Fähigkeit eines anderen Menschen bei ihrem Date im Restaurant von nur einem einzigen Spaghetto satt werden, wirft das ein paar Fragen auf, denen hier nicht nachgegangen wird. In Bezug auf die kreierte Welt in der Serie ist das Einbinden eines Fotos von Osama Bin Laden noch schlimmer, zumal das nur für einen lahmen Wegwerf-Gag geschieht. Brüche mit interner Logik sind in Ordnung, wenn die Pointe es wert ist. Ansonsten eben eher nicht.
Klasse Schauspiel, vergessene Superkräfte
Erzählerisch geht’s in der zweiten Staffel auch wieder drunter und drüber. Dafür, dass Jen so sehr damit hadert, keine Superkraft zu haben, geht sie mit ihrer Therapie viel zu lax um. Es muss hier jetzt aber nicht auch noch mehr Zeit in das Auseinandernehmen der Story investiert werden, als Emma Morgan für ihre Zusammensetzung aufgewendet hat. Noch stärker als in der ersten Staffel wird hier deutlich, dass die Superkräfte nicht teil der initialen Idee waren und Morgan keine Ahnung hat, was sie mit diesem Element in der Serie anfangen soll. Sicher wäre es interessanter und ergiebiger, die Handlung komplett auseinander zu nehmen statt zugegebenermaßen kleinkariert auf einer nachlässig eingesetzten Requisite herumzureiten. Die Verfehlungen der Handlung sind allerdings auch für jene offensichtlich, welche die Serie nur als Hintergrundbeschallung laufen lassen.
Was die zweite Staffel dann doch noch halbwegs rettet, ist das nach wie vor hervorragende Schauspiel. Der Cast wird um einige Darsteller erweitert, die den bisherigen in nichts nachstehen. Natürlich wissen wir am Ende immer noch nicht, was denn nun Jens Fähigkeit ist. Wahrscheinlich weiß Morgan es selbst nicht. Für die Hypothese, die während der ersten Staffel aufkam, gibt es hier jedenfalls keine weiteren Indizien. Nicht nur das: Die Serie scheint selbst vergessen zu haben, dass sie Hinweise darauf gegeben hat, dass Jen möglicherweise die Kräfte anderer Menschen deaktivieren kann. Dafür ändern sich die Fähigkeiten ihrer Freunde nun teilweise – ohne jegliche Erklärung und in Carries Fall auch ohne jegliche über die entsprechende Folge hinausgehenden Konsequenzen. Wir lernen immerhin gemeinsam mit ihr, warum Jens Kraft noch nicht zum Vorschein trat, der Grund ergibt aber keinen Sinn. Die letzte Folge macht dann leider doch wieder Lust auf mehr, weckt vor allem den Wunsch, dass hier eine stringente Story in vier Episoden erzählt worden wäre, statt allerhand sinnlose Ausflüge zu unternehmen.
OT: „Extraordinary“
Land: UK
Jahr: 2024
Regie: Toby MacDonald, Jennifer Sheridan
Drehbuch: Emma Moran
Musik: Will Gregory
Kamera: Álvaro Gutiérrez, Luke Bryant
Besetzung: Máiréad Tyers, Sofia Oxenham, Bilal Hasna, Luke Rollason, Rosa Robson, Alfie Harrison, Mona Goodwin, Julian Barratt, Kwaku Mills, Siobhán McSweeney
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