Früher einmal, da arbeitete Madame Rosa (Simone Signoret) als Prostituierte. Doch das war einmal, sie ist in die Jahre gekommen, die Kunden stehen nicht mehr Schlange. Dafür kümmert sie sich um die Kinder jüngerer Kolleginnen, die das nicht selbst tun können. Zu diesen ihr anvertrauten Kindern gehört auch Momo (Samy Ben Youb), ein aus Algerien stammender islamischer Junge, der ihr sehr ans Herz gewachsen ist. Auch er hat viel übrig für die ältere Frau. Umso schmerzhafter ist es für ihn mitanzusehen, wie sich ihre Gesundheit zunehmend verschlechtert. Und dann wären da noch ihre Erinnerungen an die Zeit im Konzentrationslager, die der Jüdin zu schaffen machen …
Adaption eines preisgekrönten Romans
Rund dreieinhalb Jahre ist es her, dass Netflix das Drama Du hast das Leben vor dir ins Programm aufnahm, in dem Sophia Loren die Hauptrolle der gealterten Prostituierten spielte. Dabei hat die Geschichte eine lange Vorgeschichte. Vorlage war gleichnamige Roman von Romain Gary, der 1975 veröffentlicht wurde und mit dem prestigeträchtigen Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Bereits zwei Jahre später kam mit Madame Rosa eine erste Adaption des Werks, die ebenfalls sehr angesehen war. Mehr als zwei Millionen Menschen sahen den Film damals im Kino, es folgte ein Oscar für den besten fremdsprachigen Film, dazu eine Nominierung bei den Golden Globes. Hauptdarstellerin Simone Signoret triumphierte bei den Césars und dem David di Donatello.
Die Geschichte ist dabei selbst Jahrzehnte später aktuell, in mehrfacher Hinsicht, weshalb es nicht überrascht, dass es eine besagte Neuverfilmung gab. Ein wichtiger Punkt ist die versöhnliche Note, wenn es um das Miteinander verschiedener Religionen geht. Gerade vor dem Hintergrund des verheerenden Israelkriegs ist das Drama um eine Jüdin, die sich um einen muslimischen Jungen kümmert, ein wohltuendes Plädoyer. Hinzu kommt, dass Madame Rosa ein Film über Ausgestoßene ist. Über Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben oder die niemand haben mag. Regisseur und Drehbuchautor Moshé Mizrahi setzt diesen ein Denkmal, zeigt sie als mitfühlende Individuen, die mehr verdient haben. Das gilt auch für Momo, der inspiriert von der alten Dame mit der Zeit selbst Verantwortung für andere übernimmt, als Rosas Kräfte schwinden.
Zwischen schön und hässlich
Das hat etwas Märchenhaftes an sich. Auch eine gewisse Sentimentalität ist nicht zu übersehen, wenn der Film gefühlvoll wird. Mizrahi verzichtet jedoch darauf, das Ganze mit Kitsch zuzukleistern. Emotionale Manipulation, wie man sie bei einem solchen Thema erwarten könnte, findet ebenfalls nicht statt. Das braucht es auch gar nicht. Die Szenen in Madame Rosa gehen einem auch so zu Herzen, ob es nun die lebensbejahenderen Passagen sind, bei denen es sogar ein wenig Humor gibt, oder die nachdenklichen, ernsten, die den späteren Teil des Films bestimmen. Natürlich ist die Figur der Prostituierten mit dem goldenen Herzen ein Stereotyp, das in Filmen immer mal wieder ausgegraben wird. Es gelingt hier aber, Rosa genügend Individuelles mitzugeben, damit sie keine reine Klischeegestalt ist.
Das geschieht einerseits durch den Inhalt, wenn die Frau mit dem zunehmenden Alter immer mehr von ihrer Vergangenheit heimgesucht wird. Die Zeit im Konzentrationslager mag über Jahre verdrängt worden sein, wirklich weg war sie nie. Auch das ist Teil der Fragen rund um Identität und Selbstbestimmung. Und dann ist da natürlich noch Oscar-Preisträgerin Simone Signoret (Das Narrenschiff), die hier mal resolut, mal warmherzig auftritt und zum unumstrittenen Zentrum des Films wird. Aber auch das Zusammenspiel mit Samy Ben Youb, der hierfür das einzige Mal vor der Kamera stand, funktioniert gut. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Tragödie und Wohlfühlfilm, wenn Madame Rosa Hässliches und Schönes nebeneinander platziert, es abwechselnd ordinär und sensibel wird.
OT: „La vie devant soi“
Land: Frankreich
Jahr: 1977
Regie: Moshé Mizrahi
Drehbuch: Moshé Mizrahi
Vorlage: Romain Gary
Musik: Philippe Sarde
Kamera: Néstor Almendros
Besetzung: Simone Signoret, Samy Ben Youb, Michal Bat-Adam, Gabriel Jabbour, Geneviève Fontanel, Claude Dauphin
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1978 | Bester fremdsprachiger Film | Sieg | |
César | 1978 | Beste Hauptdarstellerin | Simone Signoret | Sieg |
Bestes Szenenbild | Bernard Evein | nominiert | ||
Bester Ton | Jean-Pierre Ruh | nominiert | ||
Golden Globes | 1978 | Bester fremdsprachiger Film | nominiert |
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