Den Sommer verbringt die 15-jährige Pauline (Amanda Lenglet) zusammen mit ihrer Cousine Marion (Arielle Dombasle) in ihrem Ferienhaus in der Normandie. Der Urlaub ist für Marion eine willkommene Auszeit nach der langwierigen Scheidung von ihrem Mann, während sich Pauline vor allem auf den Strand und das Meer freut. Gleich bei ihrem ersten Gang zum Strand treffen die beiden auf Pierre (Pascal Greggory), mit dem Marion vor vielen Jahren einmal zusammen war, und auf Henri (Féodor Atkine), der sie zu sich nach Hause einlädt. Das Gespräch dreht sich vor allem um die Liebe, was man sich von ihr verspricht und welche Fehler man nicht noch einmal machen will. Pierre, der nach wie vor starke Gefühle für Marion hat, muss frustriert hinnehmen, dass diese eine Affäre mit Henri beginnt, der in seinen Augen nicht nur eine ungeeignete Partie für sie ist, sondern es zudem nicht ernst mit ihr meint. Auch Pauline findet keinen besonderen Gefallen an Henri, beschwert sich aber nicht so lautstark wie Pierre, speziell nicht, nachdem sie am Strand den zwei Jahre älteren Sylvain (Simon de la Brosse) kennenlernt.
Während Marion und Pauline auf einem Ausflug sind, beobachtet Pierre beim Vorbeigehen an Henris Haus eine andere Frau im Fenster und will seinen Nebenbuhler daraufhin zur Rede stellen. Jedoch gelingt es Henri, sich herauszureden und Sylvain die Affäre in die Schuhe zu schieben, was nur noch mehr Verwirrung stiftet. Als Pauline wieder vom Ausflug zurück ist, erklärt ihr Pierre nach einigem Zögern, was er beobachtet hat.
Sprechen und danach handeln
Bereits in den 1950er hatte Regisseur Éric Rohmer die Idee zu Pauline am Strand. In dem eigentlich für die Bühne geschriebenen Stoff sollten vier Personen über ihre Vorstellungen zu Liebe und Beziehungen sprechen, was zu Meinungsverschiedenheiten und Streit führen sollte. Rohmer kam jedoch nicht über ein paar Dialogfetzen hinaus, mit deren Qualität er wenig zufrieden war. Die Idee beschäftigte ihn aber nach wie vor, sodass er Pauline am Strand als dritten Teils seines Zyklus Komödien und Sprichwörter verfilmte. Seinen Themen blieb er dennoch treu, denn hinter dem Deckmantel eines Sommerfilms über Liebe und ihre Verwirrungen steckt eine gut beobachtete Geschichte über menschliche Schwächen, insbesondere die Diskrepanz zwischen Prinzip und Handeln.
„Wer zu viel spricht, schadet sich selbst“ ist das Sprichwort, das Pauline am Strand vorangestellt ist und sogleich den thematischen Rahmen des Filmes liefert. Ähnlich dem Vorhang bei einer Theateraufführung wird das Tor des Ferienhauses geöffnet, in dem Pauline und Marion ihren Sommer verbinden und sich entspannen wollen, wobei ihnen die Liebe einen Strich durch die Rechnung macht. Viel wird erzählt in diesem Film, teils minutenlang, vor allem über Affären, Beziehungen und wie man zur Liebe steht, doch trauen sollte man nur wenig von dem, was die Figuren über ihre Ansichten zu diesen Themen preisgeben. Marion spricht von einer Liebe, die intensiv sein soll und auf Gegenseitigkeit beruht, doch lässt sich dann mit dem Erstbesten ein, der ihr dazu noch keine Gefühle außerhalb von Begierde entgegenbringt. Ihre Gesprächspartner sind dabei auch nicht anders, sprechen von ihren Erfahrungen und was sie aus diesen angeblich gelernt haben, und belächeln die unerfahrene Teenagerin in ihrer Mitte, obwohl ihr Handeln nicht viel anders ist als das von gefühlsduseligen Jugendlichen. Es ist interessant (und amüsant), dass im Falle von Rohmers Heldin Aussage und Handeln näher beieinander liegen und die Verwirrung durch die Lügen der Erwachsenen entsteht.
Sommer der Verwirrung
Anstatt jedoch aus dem oben beschriebenen Themen ein schweres Beziehungsdrama zu machen, nutzt Rohmer das Genre des Sommerfilms, das seit Call Me By Your Name und Roter Himmel so etwas wie eine neue Blütezeit erlebt. Unter der Sonne und bei den hohen Temperaturen kochen die Gemüter der Figuren, die teils wirklich kopflos handeln und sich in ein verwirrendes Geflecht der Beziehungen stürzen, welches sie selbst geschaffen haben. Arielle Dombasle, Pascal Greggory und Féodor Atkine spielen Charaktere mit der unterschiedlichen Hintergründen, die aber in puncto Liebe auf einer Ebene agieren, sich dabei selbst vergessen und nicht einsehen, was vielleicht emotional für sie gesünder wäre. Amanda Langlet als Pauline wirkt dabei vielleicht nicht reifer, aber zumindest weniger kopflos als die Erwachsenen, denen sie im Gespräch bisweilen Paroli bietet, sei es der selbstsüchtige Henri oder der gefühlsduselige Pierre. Die Aussage, sie können die Entscheidungen Anderer nicht akzeptieren, aber vor sich selbst die schlimmste Untreue rechtfertigen, ist dabei nur ein Beispiel von den scharfsinnigen Dialogen, die Rohmer geschrieben hat.
OT: „Pauline à la page“
Land: Frankreich
Jahr: 1983
Regie: Éric Rohmer
Drehbuch: Éric Rohmer
Musik: Jean-Louis Ménégoz
Kamera: Néstor Almendros
Besetzung: Amanda Langlet, Arielle Dombasle, Pascal Greggory, Féodor Atkine, Simon de la Brosse
Amazon (DVD „Pauline am Strand“)
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