Vor 10 Jahren verlief das Leben des ehemaligen Börsenmaklers Jacob Hanton (Nikolaj Coster-Waldau) noch in gewohnten Bahnen. Ein von ihm verursachter Unfall, der einem guten Freund das Leben kostete, veränderte jedoch sein Leben, denn er wurde schließlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die ihn zu einem anderen Menschen machte. Um im Gefängnis zu überleben, schloss er sich einer rassistischen Gang an, die ihm Schutz boten, aber im Gegenzug von ihm ein paar Dienstleistungen verlangten. Was bei Drogenschmuggel begann, wurde schnell zu einem Mord und damit einer Verlängerung der Haftstrafe. Nun ist er wieder auf freiem Fuß und wird bereits von Frank (Jon Bernthal), ebenfalls Mitglied der Gang, empfangen, sodass sie mit den Vorbereitungen für einen großen Waffendeal beginnen können. Trotz der Überwachung durch die Polizei gelingt es Jacob, den Deal in die Wege zu leiten, welcher für die Gang von enormer Wichtigkeit ist.
Parallel versucht seine von ihm geschiedene Frau Kate (Lake Bell) mit Jacob in Kontakt zu treten. Sein letzter Brief hatte sie und ihren gemeinsamen Sohn sehr beunruhigt. Jacob will jedoch nichts von ihnen beiden wissen, weicht ihren Fragen aus und weist sie von sich. Was sie nicht wissen: Jacob agiert auf Befehl von „Beast“ (Holt McCallany), dem inhaftierten Chef der Gang, der droht, seiner Familie etwas anzutun, sollte Jacob den Waffendeal vermasseln.
Die größte Angst
Die Karriere von Regisseur Ric Roman Waugh umfasst zwei Ebenen. Zum einen wäre da die aktuelle Phase, die von Actionfilmen wie Angel Has Fallen oder Kandahar geprägt ist, und zum anderen ist da die Trilogie von Gefängnisfilmen, welche die Projekte Felon, Snitch – Ein riskanter Deal und zuletzt Shot Caller umfasst. Die Idee zu den drei Filmen kam Waugh, als er sich näher mit dem US-amerikanischen Strafvollzug, vor allem aber der Hierarchien in Gefängnissen, auseinandersetzte. Dabei verließ er sich weniger auf Sachbücher oder Dokumentation, sondern auf Erfahrungen erster Hand, von denen er als temporäres Mitglied der Strafvollzugsbehörde Kaliforniens einige zu hören bekam. Diese Details, die Sprache, die Atmosphäre und das Gefühl für das System innerhalb einer Institution wie dem Gefängnis verleihen Waughs Shot Caller ein gewisses Maß an Authentizität.
Seine größte Angst sei es, einmal ins Gefängnis zu müssen, erklärt Waugh in Interviews zu Shot Caller. Der von Nikolaj Coster-Waldau gespielte Jacob ist ein anderer Mensch, als er das Gefängnis verlässt, vom Verhalten, seiner Sprache her und sogar von seinem Körper her, denn die Tätowierungen lesen sich wie die Geschichte der Entwicklung dieses Menschen, der das komplette Gegenteil seines vergangenen Selbst ist. Mittels Flashbacks erfährt der Zuschauer von der Vorgeschichte dieses Mannes, der als Börsenmakler über allem stand, eine glänzende Zukunft vor sich hatte und letztlich einer war, der Entscheidungen trifft (ein „shot caller“ eben).
Schon in der ersten Nacht, als er miterlebt, was einem Mitgefangenen passiert, wird Jacob die Herrschaft über sein Leben genommen, denn nun ist er entweder Teil einer Gang oder ein „einsamer Wolf“, der somit zur Zielscheibe aller wird. Nikolaj Coster-Waldau spielt in einer der eindrucksvollsten Darstellungen seiner Karriere einen Mann, der versucht, wieder zum „shot caller“ zu werden, die Herrschaft über sein Leben zurückzuerhalten. Besonders in den Szenen mit Jacobs Familie wird dies deutlich, wenn er sich zwingen muss, diese zu verstoßen, wenn er sie schützen will. Was in einem anderen Film vielleicht kitschig gewirkt hätte, ist in Shot Caller ein authentisch wirkender, emotionaler Moment, der nicht zuletzt dank der Schauspieler überzeugt.
Ein System für sich
Shot Caller, wie schon Felon und Snitch, überzeugt durch die Darstellung eines Systems innerhalb eines Systems. Durch Filme wie Die Verurteilten oder Lock Up – Überleben ist alles meint der ein oder andere Zuschauer. die Konventionen des Sub-Genres Gefängnisfilms zu kennen, doch von der ersten Minute an merkt man Shot Caller an, dass Regie und Autoren tatsächlich Ahnung haben, von was sie reden. Waugh zeigt die Codes unter den Gefangenen, die Hierarchien innerhalb der einzelnen Gangs und die Dynamik zwischen Wachpersonal und Insassen, wobei mehr als deutlich wird, wer innerhalb der Gefängnismauern wirklich das Sagen hat. Während die Thrillerhandlung, die nach Jacobs Entlassung eigentlich erst einsetzt, vor sich hin plätschert, sind die Szenen im Gefängnis geradezu faszinierend. Mehr als einmal wird das Konzept der Läuterung eines Menschen infrage gestellt und man sieht anhand Jacobs, wie man zu einem anderen Menschen wird, der anfangs nur überleben will, aber dann keinen Ausweg mehr aus den Fängen der Gang sieht. Es ist tatsächlich der Abschied vom alten Leben, wie es Jacob vorhergesagt wird, und es bleibt abzuwarten, ob man tatsächlich wieder die Kontrolle über sein Leben wiedererlangt.
OT: „Shot Caller“
Land: USA
Jahr: 2017
Regie: Ric Roman Waugh
Drehbuch: Ric Roman Waugh
Musik: Antonio Pinto
Kamera: Dana Gonzales
Besetzung: Nikolaj Coster-Waldau, Omari Hardwick, Lake Bell, Jon Bernthal, Emory Cohen, Evna Jones, Banjamin Bratt, Holt McCallany
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