Da es ja noch nicht genügend gammlige Reality-Shows auf dieser Welt gibt, wirft Amazon Prime Video zum Glück eine weitere auf den Markt. In The 50 müssen 50 Kandidaten … irgendetwas machen, damit einer von ihnen am Ende 50.000 Euro gewinnen kann. Das Geld bekommt dann allerdings nicht der Sieger, sondern einer seiner Follower auf Social Media. Irgendeine dieser Gestalten brabbelt ganz überwältigt in die Kamera, dass es ja noch nie so viele Teilnehmer in einer einzigen Reality-Show gab. Über solch unqualifizierten, aber vermutlich immerhin geskripteten Mumpitz können Physical: 100-Connaisseure natürlich nur müde lachen.
Die Besonderheit, wenn wir es in Ermangelung eines besseren Wortes einmal so nennen wollen, ist bei The 50 nun, dass es sich bei den Kandidaten nicht um konventionelle Teilnehmer, sondern um „Deutschlands 50 größte Realitystars“ handelt, wie in der von der Streamingplattform gelieferten Beschreibung zu lesen ist. Was für manche erst recht ein Grund ist, gar nicht erst einzuschalten, scheint hier gezielt als Köder für die Zielgruppe ausgelegt zu werden. Es wird ebenfalls von etwas noch nie Dagewesenem fabuliert: „Das gab es noch nie: Deutschlands 50 größte Realitystars […] in einer Show!“
Adaption der französischen Show
Das ist dank der lokalen Verortung streng genommen zwar schon richtig, aber Figuren aus anderen Reality-Shows wiederzuverwerten und auf einem Haufen gemeinsam austreten lassen, ist jetzt auch nicht das neueste aller Konzepte. Das gabs bei Netflix schon mit Perfect Match. Noch ironischer wird diese Selbstlobhudelei dadurch, dass die Show ja einfach nur eine Adaption der französischen Vorlage Les Cinquante ist. Der Betrag des Preisgeldes kann sich im Laufe der Show verändern, die Kandidaten können mit ihren Aktionen gewisse Beträge hinzufügen, für Verfehlungen kann aber auch etwas abgezogen werden. Wer diese ganzen Leute alle sein sollen, wird nicht immer klar. Wer in der Welt des Trash-TV zuhause ist, wird aber sicher viele Gestalten wiedererkennen. Selbst Zuschauer, die sich tunlichst von solchen Produktionen fernhalten, werden nicht umhin kommen, hier und da ein bekanntes Gesicht zu erspähen.
Viel weiter als „einfach mal 50 Witzfiguren zusammenpferchen, das Ding wird ein Selbstläufer“ scheint man in der Konzeptionsphase von The 50 jedenfalls nicht gekommen zu sein. Außer sich gegenseitig anzugiften und über Nichtigkeiten in die Haare zu kriegen, haben die so genannten Realitystars hier wenig zu tun. In der ersten Folge ist das noch hinnehmbar, schließlich muss die ganze Bagage ja erst einmal ankommen und so halbwegs vorgestellt werden. The 50 ist schon klar auf vorgebildete Zuschauer ausgerichtet, als kompletter Neuling in der deutschen Reality-Show-Szene verliert hier aber auch keiner den Überblick. Es gehen gut 24 Minuten drauf, bevor es endlich das erste Spiel zu absolvieren gilt.
Viele Leute, kein Budget
Bei diesem offenbart sich dann etwas, das sich schon zuvor unterschwellig aufzudrängen versuchte: Was auch immer man von den Teilnehmern denken mag, es liegt auf der Hand, dass es vielleicht nicht gerade das günstigste Unterfangen ist, sie alle für dieselbe Show zu engagieren. Die Gagen werden ziemlich am Budget geknabbert haben, denn der Production Value ist selbst für Formate dieser Art erschreckend niedrig. Die Kandidaten finden sich zu Beginn in einem Schloss ein (ausgerechnet in Frankreich, na so was), das ja noch ganz vernünftig aussieht. Schlossherr und Personal tragen alberne Masken aus Pappmaché, ersterer gibt sich als Löwe aus, die anderen sind Hunde, Hasen oder Füchse. Erst bei den Spielen wird aber so richtig klar, wie wenig Geld für den Rest zur Verfügung stand. Nicht nur sind die Spiele selbst oft müde Kopien (in Kombination mit den Masken weckt das hier oft Assoziationen mit einem Squid Game: The Challenge-Abklatsch), sie sind darüber hinaus minimalistisch, in Ausstattung wie Umsetzung.
Es gibt Team- und Fuchsspiele. Beim Gruppenspiel müssen alle ran, beim Tierspiel muss einer der Kandidaten gegen einen der maskierten Butlerverschnitte antreten. Da ja aber alle Teilnehmer nun einmal so genannte Realitystars sind, stehen die Spiele gar nicht so sehr im Vordergrund. Immer wieder gibt es Kabbeleien untereinander. Das wird oft hoffentlich einfach nur geskriptet sein, aber bei solchen Gestalten weiß man natürlich nie. Es ist gut möglich, dass da auch die Sucht nach Aufmerksamkeit eine Rolle spielt. Zwei Kandidaten etwa reisen im selben Van an, hatten also eine ganze Weile Zeit, sich miteinander zu unterhalten. Seltsamerweise kommen sie aber erst dann auf ein Erlebnis in ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu sprechen und geraten darüber in Streit miteinander, als sie wieder im Freien und somit vor laufenden Kameras stehen. In der zweiten Folge küssen sich zwei ganz ungeniert, nur um ‚plötzlich‘ festzustellen, dass die Kamera ja die ganze Zeit an war und alles gefilmt hat! Die Kamera, die vom Kamerateam genau dort aufgebaut wurde, bevor sie sich davor stellten! Wer konnte das ahnen!
Zeitverschwendung
Da müssen sie ihre Zuneigung zueinander dann natürlich in der nächsten talking head-Szene einräumen. Sonderlich ausbalanciert ist The 50 nicht, die Show ruht sich schon sehr darauf aus, dass die Teilnehmer irgendeinen Blödsinn machen werden, sodass der Rest dann in den Hintergrund rückt. Die Texte in den Bauchbinden sind manchmal ganz amüsant und die erste Folge versprach eigentlich, (im Rahmen von Trash-TV) relativ unterhaltsam zu werden. Ab der zweiten Episode wird das dann aber alles deutlich uninteressanter und unausgegorener. Wer nicht bereit ist, knapp drei Euro extra zu bezahlen, muss sich den ganzen Kokolores auch noch mit Werbeunterbrechungen geben. Es lässt sich sicher Besseres mit der eigenen Zeit anfangen, aber für alle, die solche Formate aus welchen Gründen auch immer gerne konsumieren: Acht Folgen sind bereits erschienen, die nächsten drei werden am 25. März veröffentlicht, die letzten drei am 1. April. Es darf bezweifelt werden, dass sie sich groß von dem Bisherigen unterscheiden. Das wird hier aber nicht mehr festgestellt werden.
OT: „The 50“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Andreas Einbeck
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