Der Titelheld macht seinem Namen alle Ehre: Gregor Samsa (Oliver Masucci) ist ein ziemlich lausiger Filmregisseur, und noch dazu ein alternder weißer Mann, der sämtliche Klischees bedient. Nichts mag er entscheiden, alles wird ihm zu viel, die ganze Branche ekelt ihn an. Aber vorerst bleibt er in der Maschinerie des deutschen Filmförderungssystems gefangen. In wenigen Tagen beginnt der Dreh. Da hilft es nichts, dass die Besetzung der Hauptdarsteller Konstanze (Anne Ratte-Polle) und Fabian (Elie Kämpfen) nicht seine Idee war und er den intriganten Regieassistenten (Götz Otto) eigentlich unbedingt feuern müsste. Vorerst kann sich Gregor nur um das Wichtigste sorgen: Dass ihm das Team ein gutes Schlafmittel gegen seine Ängste und Panikattacken beschafft. Ansonsten bleiben ihm nur obsessive Fluchten ins Bordell, wo er sich in Grete (Bella Dayne) zu verlieben droht.
System von Profiteuren
Filmregisseur wird nur, wer es zu nichts anderem bringt, lästert Gregor in einer seiner Dauer-Tiraden. Oskar Roehler hingegen, der Erfinder dieser Figur, hat etwas geschafft, was ihn über das Schmuddel- und Unterhaltungsimage der „achten Kunst“ hinauskatapultiert. Er hat seit 2011 mittlerweile vier Romane veröffentlicht und ist damit in die Fußstapfen seiner hassgeliebten Mutter, der Schriftstellerin Gisela Elsner, getreten, der er im Jahr 2000 mit dem Film Die Unberührbare ein Denkmal gesetzt hat. Drei seiner literarischen Werke hat Roehler dann auch selbst verfilmt. Zuerst Herkunft über die eigene Kindheit und Jugend in den anrührenden Quellen des Lebens (2013). Danach Mein Leben als Affenarsch in der Groteske Tod den Hippies! Es lebe der Punk (2015).
Nun also die Verfilmung von Roehlers drittem Buch Selbstverfickung. Es handelt von einem Filmregisseur, der auf die 60 zugeht und am liebsten alles hinschmeißen würde, um endlich sein Leben nicht mehr auf dem Altar des Filmförderungssystems vergeuden zu müssen. Und das, obwohl eine Menge Leute von der komplizierten Vergabe von Steuergeldern sehr gut leben können, inklusive Gregor Samsa selbst, wie Bad Director nicht müde wird, optisch zu betonen. Jeder profitiert, indem er die Subventionen so routiniert wie geschäftsmäßig anzapft: der träge gewordene Produzent (Anton Ratinger), der debil-eitle Jungstar und die zickige Hauptdarstellerin, der es „egal ist, wer unter mir spielt“. Roehler weiß natürlich, wovon er da spricht. Er war 2003 selbst Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie und plaudert mit offener Anspielung auf sehr bekannte Produzenten und Schauspielerinnen aus dem Nähkästchen.
Die Abrechnung mit dem oft beklagten Mittelmaß des deutschen Films und dessen Ursachen bleibt selbstverständlich auch dann ein relevantes Thema, wenn man Roehlers Hass nicht teilt. Jeder, der einmal unter dem System gelitten hat, wird sich an einigen der hingerotzten Schmähungen freuen. Aber den Anspruch einer Satire verfehlt der Film auch dann, wenn man die Maßlosigkeit und die Wucht in Rechnung stellt, die eine ganze Reihe von Roehlers Arbeiten auszeichnen und die quasi zu seinem Markenzeichen als Enfant Terrible gehören (so 2020 der Titel seines Filmes über Rainer Werner Fassbinder, als dessen Erben er sich versteht). Zu einer gelingenden Satire gehören eben nicht nur Schimpfwörter, sich entladende Wut und ungefilterte Ausbrüche, sondern auch eine gewisse Distanz. Erst sie ermöglicht die feine Klinge statt des groben Schwerts. Daran fehlt es in Bad Director, und zwar an allen Ecken und Enden.
Entfremdet wie Kafkas Held
Vermutlich glaubt der Regisseur, der mit dem Namen seines Titelhelden die berühmteste Erzählung von Franz Kafka zitiert, die Systemkritik glaubwürdiger zu gestalten, wenn er nicht nur die anderen, sondern zugleich sich selbst zerfleischt. Obwohl Roehler betont, die Figur des angeekelten Regisseurs sei nicht autobiografisch, gibt er ihr unverkennbare Züge seiner Person mit. Das beginnt damit, dass er seinem Hauptdarsteller Oliver Masucchi von den Maskenbildern eine frappierende Ähnlichkeit verpassen lässt, mit langem schwarzen Haar und markanter Brille.
Und es setzt sich fort in der Tatsache, dass Bad Director sich von zwei Fernsehsendern und mehreren Filmförderanstalten finanzieren ließ, statt die „Staatsknete“ einfach abzulehnen, wie etwa der verstorbene Regisseur Klaus Lemke, ein anderer heftiger Systemkritiker. Während allerdings in früheren Filmen (etwa in Der alte Affe Angst, 2003) Roehlers schonungslose Abrechnung mit sich selbst noch eine befreiende Wirkung entfaltete, gerät sie in seiner neuesten Arbeit zur bloßen Manier. Sie langweilt eher, als dass sie dank ihrer Radikalität noch Stoff zum Nachsinnen böte.
OT: „Bad Director“
Land: Deutschland, Schweiz
Jahr: 2024
Regie: Oskar Roehler
Drehbuch: Oskar Roehler
Musik: Martin Todsharow
Kamera: Philipp Sichler
Besetzung: Oliver Masucci, Bella Dayne, Götz Otto, Anne Ratte-Polle, Samuel Finzi
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