Alain (Niels Schneider) kann es kaum glauben, als er eines Tages durch Paris spaziert und dabei Fanny (Lou de Laâge) trifft. Viele Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen, seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Schule in New York. Für Alain ist die Freude besonders hoch, hatte er seinerzeit doch starke Gefühle für seine Mitschülerin entwickelt. Aber auch Fanny ist glücklich und lässt sich darauf ein, sich noch einmal richtig zu verabreden. Dabei ist sie eigentlich mit dem vermögenden und gutaussehenden Unternehmer Jean (Melvil Poupaud) verheiratet, führt mit ihm ein luxuriöses Leben. Es ist auch ein harmonisches Leben, sogar ihre Mutter Camille (Valérie Lemercier) ist von dem charmanten Gatten begeistert. Doch je mehr Zeit Fanny mit ihrer alten Bekanntschaft verbringt, umso stärker sind ihre Zweifel, ob sie wie bisher weitermachen will …
Spätwerk einer Regielegende
Nicht wenige dürften sich darüber gewundert haben, als 2023 bei den Filmfestspielen von Venedig ein neuer Film von Woody Allen angekündigt wurde. Nicht nur, dass der legendäre Regisseur aufgrund der alten Missbrauchsvorfälle in Ungnade gefallen war und niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben wollte. Seine letzten Werke waren zudem oft wenig erwähnenswert, weshalb man sich fragen durfte, wer sich das noch anschauen soll. Dass der die Flucht nach Frankreich antreten musste, stimmte auch nicht gerade hoffnungsvoll. Und doch: Während das parallel uraufgeführte Alterswerk The Palace von Roman Polanski ebenso peinlich wie überflüssig war, zeigte Allen, dass er selbst mit Ende 80 noch gute Filme drehen kann. Tatsächlich ist Ein Glücksfall sein bester seit Blue Jasmine ein Jahrzehnt zuvor.
Dabei ist der Ersteindruck eigentlich gar nicht so berauschend. Zwar hat der Filmemacher sein geliebtes New York gegen Paris eingetauscht. Ansonsten wirkt das hier zunächst nach einer weiteren Fließbandarbeit. Da sind die Leute aus der vermögenden Klasse, die alle irgendwie einen Spleen haben. Mit dem Autor Alain gibt es mal wieder einen Künstler als Protagonisten. Hinzu kommen allerlei romantische Verwicklungen, wenn sich die beiden jungen Menschen auf eine Affäre einlassen. Das ist schön bebildert, mit Lou de Laâge (Die Tanzenden) und Niels Schneider (Leichter gesagt als getan) prominent und attraktiv besetzt. Ein Glücksfall ist ein rundum netter Film, der nicht wehtut, aber auch nicht gerade zu Begeisterungsstürmen einlädt. So scheint es zumindest.
Wendungsreich und spaßig
Mit der Zeit wandelt sich das aber. Was anfangs wie eine neurotisch-selbstverliebte Liebeskomödie wirkt, wird dann eher zu einer Krimikomödie, die sogar einige Thrillermomente breithält. Andeutungen dazu gibt es zwar vorher schon. Und doch dürften die meisten im Publikum überrascht sein, wenn Allen, der auch das Drehbuch geschrieben hat, diverse Wendungen einbaut, die man nicht unbedingt kommen sieht. Zum Ende hin wird Ein Glücksfall sogar überraschend spannend, wenn auf einmal gar nicht mehr klar ist, wie das alles ausgehen wird. Glaubwürdigkeit sollte man dabei nicht erwarten. Von Anfang an neigt der Film zu Absurditäten, später entgleist das dann völlig, wenn die Geschichte doch ziemlich bescheuert wird.
Aber eben auch spaßig. Dabei ist es nicht allein der Inhalt, der zum Unterhaltungswert beiträgt. Auch die Spielfreude des Ensembles provoziert das eine oder andere Grinsen. Das ist dann gar nicht mal unbedingt der Verdienst der beiden Jüngeren, die hier Liebende spielen dürfen. Vielmehr ist es amüsant, Melvil Poupaud (Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs) als aufgeblasenen und zugleich dubiosen Unternehmer zu sehen, dazu Valérie Lemercier (Forte) in der Rolle der Mutter, die später deutlich wichtiger wird, als es zunächst scheint. Ein Glücksfall wird damit seinem Titel gerecht und wäre ein würdiger Abschluss einer jahrzehntelangen Karriere, die zuletzt oft mehr Schatten als Licht war.
OT: „Coup de Chance“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen
Kamera: Vittorio Storaro
Besetzung: Lou de Laâge, Melvil Poupaud, Niels Schneider, Valérie Lemercier, Guillaume de Tonquédec
Seit den 1960ern ist Woody Allen aus der Filmwelt nicht wegzudenken. Mehrere Dutzend Filme hat er im Laufe seiner Karriere gedreht, darunter viele Klassiker. In unserem Special zum Regisseur und Autor erzählen wir euch mehr zur Laufbahn des Filmemachers.
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