Als Lou (Kristen Stewart), Betreiberin eines Fitnessclubs in einer Kleinstadt in New Mexiko, Jackie (Katy M. O’Brian) kennenlernt, fliegen die Funken. Sie bietet ihr sogar an, bei ihr einzuziehen. Dabei weiß Lou nicht, dass ihre neue Flamme auf dem Schießstand ihres entfremdeten Vaters Lou Sr. (Ed Harris) arbeitet. Und auch, dass sie kurz vorher Sex mit J.J. (Dave Franco) hatte, dem brutalen Ehemann von Lous Schwester Beth (Jena Malone), ahnt sie in dem Moment noch nicht. Die eigentlichen Schwierigkeiten stehen ihr da ohnehin erst noch bevor. Denn als J.J. Beth so übel zurichtet, dass diese im Krankenhaus landet, löst dies eine Spirale der Gewalt aus, nach der nichts mehr so ist, wie es einmal war …
Ein Rausch der Gewalt
In den letzten Jahren haben eine Reihe von Frauen die Männerdomäne des Horrorfilms kräftig aufgemischt. Inzwischen scheint der große Hype etwas vorbei zu sein, zumindest gab es zuletzt nur noch wenige nennenswerte Beispiele. Umso interessanter wird sein, was die Regisseurinnen nach ihren jeweiligen Genrebeiträgen so anstellen werden. Zumindest die Engländerin Rose Glass scheint nicht gewillt zu sein, sich nach ihrem gefeierten Debüt Saint Maud zu wiederholen. War dieses ein ruhiges Porträt einer wahnhaften Pflegerin, die sich in bizarren Visionen verlor, dreht die Filmemacherin bei ihrem zweiten Werk Love Lies Bleeding richtig auf und zeigt, dass man dauerhaft mit ihr rechnen sollte.
Ein bisschen fühlt man sich dabei an ihre australische Kollegin Jennifer Kent erinnert, die nach dem ebenfalls gefeierten Psychohorror Der Babadook komplett die Spur wechselte und den Rachethriller The Nightingale – Schrei nach Rache inszenierte. Das Motiv der Rache gibt es in Love Lies Bleeding auch. Es geht zudem nicht minder brutal zu, wenn Frauen Jagd auf Männer machen. Doch während Kent dabei trotz aller Übertreibungen eine Geschichte erzählte, die sich an der Realität orientiert und von institutionalisierter Gewalt berichtet, da wird es hier richtig abgefahren. Der Aspekt eines Mannes, der seine Frau misshandelt, körperlich und seelisch, ist der letzte Punkt, bei dem man noch das Gefühl hat, Teil eines Alltags zu sein. Im Anschluss wird der Film immer mehr zu einem Rausch, bei dem die Grenzen zwischen real und eingebildet fließend sind.
Schillernd und hypnotisch
Zum Teil hängt das natürlich mit den Substanzen zusammen, die Jackie einnimmt, um sich für den anstehenden Bodybuilder-Wettbewerb in Form zu bringen. Daraus hätte man prinzipiell auch einen Film machen können, der sich explizit mit Drogenmissbrauch und Körperkult auseinandersetzt und auf die Gefahren hinweist. Glass, die gemeinsam mit Weronika Tofilska (Rentierbaby) das Drehbuch geschrieben hat, scheint es aber weniger darum zu gehen, aus diesem Stoff ein moralisierendes Drama zu machen. Love Lies Bleeding ist ein wild pulsierender Mix aus Liebesfilm und Thriller, schillernd und hypnotisch, teil auch satirisch überreizt, wenn groteske Visionen und die Lust am menschlichen Körper in all seinen Formen ineinander übergehen.
Das eigenwillige Werk, welches auf dem Sundance Film Festival 2024 Premiere feierte und anschließend mehreren weiteren Filmfesten einen Besuch abstattet, hat dabei sicher nicht die emotionale Wucht des Erstlings. Zwar spielt Liebe hier eine große Rolle, eine Liebe, die auch die hässlichsten und blutigsten Abschnitte miteinander teilt. Aber das Ergebnis ist eher faszinierend als bewegend. Ein Ereignis ist Love Lies Bleeding aber auch so. Es gelingt Glass, mit ihrem zweiten Werk etwas auf die Beine zu stellen, das zahlreiche Vergleiche provoziert, ob nun die Coen-Brüder oder Thelma & Louise. Während andere aber nicht mehr als brave Zitatesammlungen zusammenkriegen, ist die Geschichte um zwei ungleiche Frauen, die füreinander zu Mörderinnen werden und so aus ihrem bisherigen Leben ausbrechen, eine oft verblüffende filmische Explosion, nach der man erst gar nicht sagen kann, was das eben war.
OT: „Love Lies Bleeding“
Land: USA
Jahr: 2024
Regie: Rose Glass
Drehbuch: Rose Glass, Weronika Tofilska
Musik: Clint Mansell
Kamera: Ben Fordesman
Besetzung: Kristen Stewart, Katy M. O’Brian, Jena Malone, Anna Baryshnikov, Dave Franco, Ed Harris, Eldon Jones
Sundance 2024
Berlinale 2024
Fantasy Filmfest Nights 2024
Amazon (DVD „Love Lies Bleeding“)
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