Nachdem sie mit ihrem letzten Porträt einen Volltreffer gelandet hat, hat Beke Rieper (Felicitas Woll) Blut geleckt. Die einstige Star-Journalistin, die seit einem Skandal bei einer Provinzzeitung arbeitet, hat auch schon die nächste Geschichte vor Augen. So erfährt sie von einer jungen Frau (Valerie Sophie Körfer), die als blinde Passagierin aufgegriffen wurde. Leider hat diese ihr Gedächtnis verloren, weiß nicht, wer sie ist und wie sie hergekommen ist. Während Rieper das ganz groß herausbringen will, hat ihr Chef Norbert Heuer (Christoph Glaubacker) kein wirkliches Interesse daran. Das hält sie aber nicht davon ab, weiter zu recherchieren und den Fall in ihre eigenen Hände zu nehmen. Währenddessen hat Bekes Schwester Heide Schulze (Anne Roemeth) eigene Sorgen, da eine von ihr organisierte Lesung torpediert wird …
Die Suche nach der Geschichte
Und weiter geht es mit Neuer Wind im Alten Land. Vergangene Woche ging die neue Dramareihe an den Start, welche das Herzkino erweitern soll. Nun sendet das ZDF mit Gestrandet bereits den zweiten Teil aus. Dabei ist es zu empfehlen, vorher den Auftakt gesehen zu haben. Zwar ist die Geschichte um die junge Frau, die aus heiterem Himmel aufgetaucht ist, neu und steht für sich. Beim Drumherum wird aber sehr auf Vorkenntnisse gesetzt. Das betrifft zum einen die Hauptfigur Beke Rieper und wie sie bei der lokalen Zeitung gelandet ist. Aber auch das Verhältnis von ihr zu den anderen Menschen im Dorf hat in der Woche zuvor seinen Anfang genommen, weshalb da ein bisschen verlorengeht, wenn man es nicht weiß.
Die Reihe scheint dann auch das Konzept zu verfolgen, immer etwas zweigleisig zu fahren. Auf der einen Seite sind da die Folgen übergreifenden zwischenmenschlichen Aspekte. Da geht es um die Familie, eine Romanze mit Paul Harms (Steve Windolf) und auch die nicht immer einfachen Verhältnisse am Arbeitsplatz. Schließlich hat Rieper ihre Schwierigkeiten damit, sich nach den früheren Erfolgen anderen unterzuordnen. Immer wieder will sie ihren Kopf durchsetzen. Das Ergebnis ist zwiespältig. Auf der einen Seite tut es der Zeitung natürlich gut, auch mal ein bisschen über den Tellerrand zu blicken und den alten Mief abzuwerfen. Gleichzeitig ist die Protagonistin in Neuer Wind im Alten Land: Gestrandet aber so selbstbezogen, dass sie anstrengend und unsympathisch wird. Zumal sie als Figur nicht einmal sonderlich interessant ist.
Schöne Idee, völlig übertrieben aufgebaut
Das gilt auch für den neuen Fall der Journalistin. Die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat, ist übelstes Seifenoper-Niveau. Schon der Einstieg hinterlässt keinen besonders guten Eindruck. Das wird im weiteren Verlauf nicht besser, wenn Rieper ihre persönlichen Nachforschungen betreibt und dabei Stück für Stück mehr über die Fremde herausfindet. Neuer Wind im Alten Land: Gestrandet ist zu keiner Zeit glaubwürdig. Für eine Reihe, die sich eigentlich besonders um das alltägliche Miteinander kümmern will, ist das schon sehr überzogen alles. Da werden unschöne Erinnerungen an Frühling wach, eine weitere ZDF-Reihe aus dem Herzkino, bei der ein dörflicher Alltag mit völlig übertriebenen Schicksalen einhergeht.
Das ist schade, weil die Idee hinter diesen Personenporträts, die Rieper da schreibt, eigentlich schön ist. Beim letzten Mal ging es darum, wie Menschen zu Ausgestoßenen werden können, obwohl sie nichts Falsches tun. Auch Neuer Wind im Alten Land: Gestrandet hat ein ernstes und alltägliches Thema, dieses Mal geht es um Erwartungsdruck und Scheitern. Das ist als Thema gut gewählt, wird vielen von der Seele sprechen, wenn wir auf dem Weg durch die Welt immer wieder ins Stolpern geraten. Dafür hätte es aber die absurde Amnesie-Geschichte nicht gebraucht, mit der auf plumpe Weise ein Mystery-Element erzeugt werden soll. Weniger wäre da eindeutig mehr gewesen.
OT: „Neuer Wind im Alten Land: Gestrandet“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Esther Gronenborn
Drehbuch: Kirsten Peters, Gerlind Becker
Musik: Gert Wilden jun.
Kamera: Christoph Chassée
Besetzung: Felicitas Woll, Hildegard Schroedter, Volker Meyer-Dabisch, Pauline Pollmann, Anne Roemeth, Steve Windolf, Halima Ilter, Valerie Sophie Körfer, Elga Schütz, Christoph Glaubacker, Sascha Nathan, Andrea Guo
Die sonntags auf dem ZDF ausgestrahlte Reihe Herzkino gehört zu den Dauerbrennern des Senders. Seit 1987 laufen, damals noch unter dem Titel Der große ZDF Sonntagsfilm, deutsche Dramen, die sich meistens mit Familien- und Liebesgeschichten befassen. Mehrere Hundert Titel wurden so im Laufe der letzten Jahrzehnte produziert. Unten findet ihr alle unsere bisherigen Rezensionen zu diesem Thema auf einen Blick.
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