Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Doch damit fängt die Aufarbeitung der vergangenen Jahre erst an. Wer hat sich in Deutschland schuldig gemacht? Wer war Täter, wer nur Mitläufer? Eben das will der US-Major Steve Arnold (Harvey Keitel) herausfinden, als er sich Wilhelm Furtwängler (Stellan Skarsgård) vornimmt. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern war er auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland geblieben und war als Dirigent während des Dritten Reiches hoch angesehen. Arnold will nun herausfinden, wie sehr er in der damaligen Politik involviert war und welche Rolle er spielte. Furtwängler selbst streitet alles ab, will mit den Nationalsozialisten nichts zu tun gehabt haben. Doch Arnold gibt nicht so leicht auf und ist fest entschlossen, den noch immer renommierten Künstler zu verurteilen …
Aufarbeitung der Nazi-Jahre
Wie viel Verantwortung hatten einzelne Menschen an dem Holocaust oder auch dem Unrechtsstaat der Nationalsozialisten allgemein? Das ist eine Frage, welche Deutschland bis heute beschäftigt. Es ist nicht lange her, dass hochbetagte Leute, die in einem Konzentrationslager als kleines Rädchen beteiligt waren, als Sekretärin und als Wächter, und dafür belangt wurden. Ein sehr viel älteres Beispiel ist das des Dirigenten Wilhelm Furtwängler. Der war bereits in den 1920ern ein großer Name und blieb dies auch im Dritten Reich. Tatsächlich galt er als Lieblingsdirigent Hitlers, was ihn automatisch verdächtig macht. War er ein Nazi? War er Nutznießer? Das galt es herauszufinden: Taking Sides – Der Fall Furtwängler schildert die Untersuchungen, welche die USA im Anschluss an den Krieg im Zuge der Denazifizierung unternahmen.
Grundlage des Films bildet dabei das 1995 uraufgeführte Theaterstück Taking Sides des britischen Autors Ronald Harwood, der auch das Drehbuch für die Adaption geschrieben hat. Man merkt dem Ergebnis auch durchaus an, dass es ursprünglich für die Bühne konzipiert wurde. Ein Großteil der Geschichte spielt in einem Zimmer, in dem sich die beiden Männer unterhalten. Zwischendurch wird zwar auch mal der Schauplatz gewechselt, ein kurzer Abschnitt spielt etwa am See. Aber auch dort wird in erster Linie gesprochen. Das Drama ist sehr dialoglastig und konzentriert sich auf das Verhör. Dann und wann dürfen sich andere kurz einbringen, etwa eine von Birgit Minichmayr gespielte Sekretärin oder US-Leutnant David Wills (Moritz Bleibtreu). Relevant sind diese aber nicht.
Kein wirklicher Austausch
Das ist nicht unbedingt ein Problem, das Thema ist auch so interessant genug, um eine derartige Reduktion zu vertragen. Vor allem die Frage, ob Kunst losgelöst von den konkreten politischen Kontexten existiert und existieren kann, ist spannend. Furtwängler besteht darauf, dass beides voneinander getrennt ist. Arnold hält dagegen. Zu einem wirklichen Austausch kommt es bei Taking Sides – Der Fall Furtwängler aber nicht. Zwar versucht sich der Angeklagte zu verteidigen. Anstatt jedoch eine Diskussion auf Augenhöhe zu bieten, läuft es darauf hinaus, dass Arnold kontinuierlich sein Gegenüber attackiert und dieser ein wenig vor sich hin stammelt.
Das ist schon schade. Nicht nur, dass die Geschichte sich kaum vom Fleck bewegt und hier die immergleichen Argumente vorgetragen werden. Der Major ist durch seine aggressive Art zudem so unsympathisch, dass man schon aus Prinzip Partei für den Dirigenten ergreift. Sollte es die Absicht des Films gewesen sein, das Publikum zum Nachdenken und Diskutieren zu bewegen, ist das eher kontraproduktiv. Einen Blick wert ist das Drama des Regisseurs István Szabó (Sunshine – Ein Hauch von Sonnenschein) schon, allein schon wegen der spannenden Darstellung von Stellan Skarsgård, der die nötigen Ambivalenzen mitbringt und man deshalb gar nicht weiß, was man von dem Dirigenten halten soll. Insgesamt ist Taking Sides – Der Fall Furtwängler jedoch etwas unbefriedigend.
OT: „Taking Sides“
Land: Deutschland, Frankreich, UK
Jahr: 2001
Regie: István Szabó
Drehbuch: Ronald Harwood
Vorlage: Ronald Harwood
Musik: Ulrich Trimborn
Kamera: Lajos Koltai
Besetzung: Harvey Keitel, Stellan Skarsgård, Moritz Bleibtreu, Birgit Minichmayr, Ulrich Tukur, Hanns Zischler, Armin Rohde
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