Was von der Liebe bleibt
© Foto: Erik Molberg Hansen / Rohfilm Productions / FILMWELT

Was von der Liebe bleibt

Was von der Liebe bleibt
„Was von der Liebe bleibt“ // Deutschland-Start: 2. Mai 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Ilyas (Serkan Kaya) und Yasemin (Seyneb Saleh) sind seit 15 Jahren ein Paar, trotz oder gerade wegen ihrer unterschiedlichen Temperamente. Yasemin liebt das Abenteuer, sie ist laut und frech, unabhängig und freiheitsliebend. Ilyas erscheint bodenständiger, aber auch anpassungsbereiter. Während der Deutsche mit türkischer Abstammung immer wieder betont, er sei ein Berliner, weiß Yasemin als politisch interessierte Kurdin, dass beide in Deutschland immer „Kanaken“ bleiben werden. Das bewahrheitet sich auf schrecklichste Weise, als Yasemin eines Morgens im gemeinsam betriebenen Café ermordet wird, von einem Unbekannten. Die Kripobeamten Wöller (Milian Zerzawy) und Winter (Birte Schnöink) ermitteln, machen die Lage für den in Trauer sowie in Sorge um seine Tochter Senna (Amira Demirkiran) versinkenden Ilyas dadurch aber noch unerträglicher. Statt nach Ausländerhassern zu suchen, vermuten sie das Motiv für den Mord in kriminellen oder politischen Verstrickungen des kurdisch-türkischen Milieus.

In die Enge getrieben

Fahl ist das Licht im Polizeipräsidium, blau und grau die Farben. Der Besprechungsraum strahlt eine Kälte aus, die den strukturellen Rassismus der deutschen Behörde treffend charakterisiert. Denn die ersten Fragen lauten: „Haben Sie Erfahrung mit Schutzgeld-Erpressung?“ Und: „Haben Sie etwas mit der Politik in Ihrem Heimatland zu tun?“ Die Beamten und Beamtinnen meinen es offensichtlich nicht persönlich, sie wollen Ilyas nicht zusätzlich belasten. Aber Ihr Denken ist durchtränkt von unbewussten Vorurteilen, besonders wenn Spezialisten hinzugezogen werden, die sich in der türkischen „Community“ angeblich bestens auskennen. Die Behörde ist für den traumatisierten und in die Enge getriebenen Ilyas feindliches Land, ganz im Gegensatz zu der privaten Existenz, die er sich gemeinsam mit Yasemin aufgebaut hat: die großzügige Wohnung, das gut gehende Café. Hier sind die Farben warm und schützend – Zeichen für ein glückliches, auf Liebe und Vertrauen basierendes Familienleben mit den Insignien des modernen deutschen Mittelstandes.

Der Zweiteilung der Farbschemata entsprechen die beiden zentralen Erzählstränge im Liebes- und Politdrama des deutsch-indischen Regisseurs Kanwal Sethi (Fernes Land, 2011). Das Private ist für Yasemin und Ilyas auf eine verhängnisvolle Weise mit dem Politischen verwoben. Egal, was sie auch tun, egal wie lange sie schon in Deutschland leben und wie selbstverständlich sie sich integriert haben – ihre Hautfarbe und ihre Namen werden sie einem tief eingewurzelten Rassismus aussetzen. Darüber hinaus beruht die Kombination von Politischem und Privatem aber auch auf einem absichtlichen Konstrukt des Drehbuchs. Autorenfilmer Kanwal Sethi hatte zunächst einen Film über die Morde des rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ im Sinn. Erst im Verlauf des Schreibens entschied er sich, das politische Anliegen mit einer Liebesgeschichte zu kombinieren. Das leuchtet insofern ein, als sich damit nicht nur die Köpfe des Publikums ansprechen lassen, sondern vor allem seine Emotionen.

Defensive Haltung

Aber die Parallelführung von Liebe und Fremdenfeindlichkeit überzeugt nur teilweise. Manchmal wirkt das Drama erdrückt von der Last, neben der Trauer auch noch von der Geschichte des Glücks (in Rückblenden) und von der zusätzlichen Belastung durch die traumatisierende Ermittlungsarbeit erzählen zu müssen. Jedes dieser Elemente wäre eigentlich genug Stoff für einen eigenen Film. Vor allem aber verwirrt die defensive Haltung der männlichen Hauptfigur, die sich erst spät gegen die Zumutungen der Polizeiarbeit wehrt und zu oft ihr Heil in der Flucht sucht. Das Motiv der Hilflosigkeit ist vermutlich der Recherche der NSU-Morde geschuldet, als die Polizei jahrelang die Schuld bei den Angehörigen der Opfer suchte und dabei auf Menschen traf, die wenig Möglichkeiten hatten, den Verdächtigungen mit Hilfe von Anwälten etwas entgegen zu setzen. Ilyas aber ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, er hat die Mittel, sich so etwas nicht bieten zu lassen. Zudem ist seine blasse Reaktion auf emotionaler Ebene schwer nachvollziehbar, was den Film allzu brav erscheinen lässt. Vor allem, wenn man ihn mit dem wuchtigen Aus dem Nichts (2017) von Fatih Akin vergleicht, der thematisch von einer ähnlichen Konstellation ausgeht.

Zu den Pluspunkten zählt allerdings, wie die Liebesgeschichte in Rückblenden erzählt wird. Das Zusammensetzen der Einzelteile gleicht einem Puzzle, das sich erst am Schluss vollständig enträtselt. Es erfordert aufmerksames Mitdenken und zieht so die emotionale Anteilnahme mit dem Schicksal der Liebenden auf sich. Immer wieder gibt es zudem bildstarke Momente in einer ansonsten konventionellen Inszenierung. Unterm Strich ist Kanwal Sethis dritter Langfilm dennoch eine ungemein wichtige und höchst aktuelle Arbeit. Wie im Abspann zu lesen ist, wurden zwischen 1990 und 2022 mindestens 235 Menschen von Rechtsextremisten ermordet. Aber davon stuft die Bundesregierung nur 113 Morde als politisch motiviert ein.

Credits

OT: „Was von der Liebe bleibt“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Kanwal Sethi
Drehbuch: Kanwal Sethi
Musik: Aaron Cupples
Kamera: Erik Molberg Hansen, Holger Jungnickel
Besetzung: Serkan Kaya, Seyneb Saleh, Olga von Luckwald, Amira Demirkiran, Johannes Suhm, Felix Maria Zeppenfeld, Birte Schnöink, Felix Goeser

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur Kanwal Sethi zu unterhalten. Im Interview zu Was von der Liebe bleibt sprechen wir über strukturellen Rassismus und die Kraft der Liebe.

Kanwal Sethi [Interview]

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Was von der Liebe bleibt
fazit
„Was von der Liebe bleibt“ erzählt von einem Paar, das durch einen Mord aus politischen Gründen auseinander gerissen wird. Regisseur Kanwal Sethi trifft mit seinem höchst aktuellen Drama einen Nerv der Zeit, reicht aber nicht an die energische Wucht von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ heran.
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