Auf trockenen Gräsern
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Auf trockenen Gräsern

„Auf trockenen Gräsern“ // Deutschland-Start: 16. Mai 2024 (Kino) // 24. Oktober 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Samet (Deniz Celiloğlu) arbeitet als Kunstlehrer an einer kleinen Dorfschule. Als Hobby macht er Fotografien von den Bauern und der Landschaft und hofft, eines Tages vom Schulamt in eine größere Stadt, am liebsten nach Istanbul, versetzt zu werden. Schon lange macht er seinen Unmut über das Dorfleben bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich, auch seinem Mitbewohner und Kollegen Kenan (Musab Ekici) gegenüber. Von den Ferien ins Dorf zurückgekehrt, bereitet er sich mental auf ein erneutes Schuljahr vor, in dem seine Frustration gewiss noch wachsen wird. Auch die Schüler machen ihm keine Freude, mit Ausnahme der kleinen Sevim (Ece Bağcı), die er bevorzugt behandelt. Als eines Tages einer ihrer Liebesbriefe in die falschen Hände fällt, löst dies eine Kette von Ereignissen aus, die ihn seinen Job kosten könnten. Parallel bahnt sich eine Beziehung mit Nuray (Merve Dizdar) an, die er eigentlich mit Kenan verkuppeln wollte, doch für die sich Samet nun doch interessiert.

Keine Politik und Moral

In den wenigen Interviews, die der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan (Die Kleinstadt, The Wild Pear Tree) gibt, betont er, dass er keine politischen Filme machen wolle. Tatsächlich bedient er das Genre des Heimatfilms wie viele seiner Kollegen und dies oft in langsamen, meist statischen Einstellungen, was seinen Filmen immer wieder das Etikett des „slow cinema“ einbringt. Tatsächlich sind seine Filme lang und auch Auf trockenen Gräsern ist mit über drei Stunden keineswegs kurz geraten. Aber Ceylan weiß dieses langsame Erzählen, die interessanten Dialoge sowie die Bilder, vor allem die der Landschaft Ostanatoliens, einzusetzen, um nicht nur Menschen genauer zu untersuchen, sondern genauso das System, in dem sie sich bewegen.

Schon immer ist die Distanz ein wichtiges Mittel in den Filmen Ceylans gewesen. Die Nähe der Familie in Die Kleinstadt ist trügerisch, genauso wie das Bild des Landlebens des Protagonisten von The Wild Pear Tree. In Auf trockenen Gräsern nun haben wir nicht nur die Distanz in der Inszenierung, denn der Protagonist ist schon von der ersten Minute an so angelegt, dass man als Zuschauer gar keine Nähe zu ihm wünscht. Abfällig äußert er sich seinen Kollegen gegenüber über das Schulsystem sowie das Landleben, was später ergänzt wird durch eine besonders schlimme Tirade in der Schulklasse, in der er den Kindern Rückständigkeit vorwirft und überhaupt kein Bewusstsein für Dinge, die außerhalb des nächsten Kartoffelfeldes liegen. Man sieht ihn zunächst als Punkt in der Ferne, der schwer durch den Schnee stapft und sich auf die Kamera zubewegt, wobei er von diesem Moment an unter die Lupe genommen wird. Ceylan interessiert das Widersprüchliche seines Helden, seine Angst und seinen Hass und erforscht ihn zusammen mit uns, auch wenn dabei einige sehr unangenehme Szenen und Momente herauskommen.

Die Stärke des Systems

Auf trockenen Gräsern verfolgt zwei Erzählstränge, zum einen die Anschuldigung der Schülerin und die Verbindung zu Nuray. Deniz Celiloğlu spielt eine Figur, die sich in den Widersprüchen wohlfühlt, in seinen langen Tiraden über das Land und seine etwas naive Glorifizierung der Stadt, wobei man sich fragt, ob man ihm einige seiner Sätze dort hätte durchgehen lassen. Samet, genauso wie Kenan, ist einer im System und daraus nimmt er seine arrogante Mischung aus Selbstgefälligkeit und Gedankenlosigkeit. Wo andere Filmemacher ihn vielleicht verurteilt und der öffentlichen Moral zum Fraß vorgeworfen hätten, verlagert sich Ceylan eben nicht auf Schuld und Sühne. Das braucht er auch nicht, denn Samt ist die logische Folge eines Systems, das ihn nicht bestraft, walten lässt und sogar entschuldigt. Das muss man nicht politisch sehen, doch gerade eine solche Lesart macht den Reiz von Auf trockenen Gräsern aus.

Credits

OT: „Kuru Otlar Üstüne“
Land: Türkei, Frankreich, Deutschland, Schweden
Jahr: 2023
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Drehbuch: Ebru Ceylan, Nuri Bilge Ceylan, Akin Aksu
Kamera: Cevahir Şahin, Kürsat Üresin
Besetzung: Deniz Celiloğlu, Merve Dizdar, Musab Ekici, Ece Bağcı

Bilder

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Auf trockenen Gräsern
fazit
„Auf trockenen Gräsern“ ist eine langsam erzähltes Drama und Porträt einer unmoralischen und oft falsch handelnden Person. Nuri Bilge Ceylan beobachtet diese Figur und ihre Umwelt genau, in langsamen Einstellungen und genauen Dialogen, die viel offenbaren, wenn man genau hinhört und -sieht.
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