Frankreich in den 1950ern. Maxime (Patrick Bruel) und Tania Grimbert (Cécile De France) lieben den Sport: Während er turnt und ehemaliger Ringer ist, hat sie ihre Leidenschaft fürs Schwimmen entdeckt. Ihr Sohn François (Valentin Vigour) hat dieses Talent nicht geerbt. Er ist klein, schmächtig, kommt so gar nicht nach seinen Eltern. Und so stellt er sich vor, einen Bruder namens Paul zu haben, der stärker und sportlicher ist und damit die Erwartungen erfüllt, die ihm unmöglich sind. Dabei ahnt er nicht, dass er tatsächlich einen sportlichen Bruder hatte. Genauer war es ein Halbbruder, den sein Vater mit seiner ersten Frau Hannah (Ludivine Sagnier) hatte. Aber wie kann es sein, dass er von beiden nie etwas gehört hat? Erst nach und nach erfährt er dank seiner Nachbarin Louise (Julie Depardieu), was sich damals wirklich zugetragen hat …
Das Erbe des Holocausts
Auch Jahrzehnte nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft ist der Holocaust ein allgegenwärtiges Thema. Er zeigt sich in Debatten, die durch den wieder anwachsenden Antisemitismus, aber auch fremdenfeindliche Gesinnungen bestimmt sind. Und er ist in Filmen häufig anzutreffen. Dieses Jahr haben gleich mehrere wieder ihren Weg in unsere Kinos geschafft. White Bird erzählte neulich von einem jüdischen Mädchen, das sich in einer Scheune versteckt. In One Life blickt ein Engländer, der jüdische Kinder rettete, auf sein Leben zurück. Und da war Stella. Ein Leben., bei dem es um Juden und Jüdinnen ging, die andere verrieten, um sich selbst zu retten. Ein bisschen älter ist schon Ein Geheimnis, das die Geschichte mehrerer jüdischer Familien erzählte.
Der französische Beitrag unterscheidet sich dabei in mehrfacher Hinsicht von den üblichen Holocaust-Dramen. Ein großer Unterschied ist die eigenwillige Erzählstruktur. So gibt es in Ein Geheimnis eine ganze Reihe von Zeitebenen, die im Wechsel folgen. Beispielsweise taucht der Protagonist François in drei verschiedenen Altersversionen auf. Wir lernen ihn als 7-Jährigen kennen, als 14-Jährigen (Quentin Dubuis) und als 37-Jährigen (Mathieu Amalric). Er war schon in dem zugrundeliegenden Roman von Philippel Grimbert die Hauptfigur. Zusätzlich gibt es aber auch Szenen aus der Zeit vor François, die in den 1930ern und 1940ern spielen. Da muss man schon ein bisschen aufpassen, um in dem Labyrinth aus Zeiten nicht die Orientierung zu verlieren. So sind Maxime und Tania anfangs kein Paar. Vielmehr ist sie die Frau von Robert (Robert Plagnol), dem Bruder von Maximes erster Frau Hannah.
Stark besetzt
Das Aufdecken alter Familiengeheimnisse kann schnell zu einer Seifenoper werden, umso mehr, wenn das mit Bäumchen-wechsle-dich-Spielchen verbunden ist. Bei Ein Geheimnis ist das aber etwas anders. Wenn hier manche Sachen verborgen sind, dann ist dies das Ergebnis eines lang zurückliegenden Traumas, das von allen verdrängt wurde. Niemand will an den Holocaust erinnert werden, an die damit verbundenen Verbrechen und schmerzlichen Verluste. Es geht bei dem Drama also nicht um große Wendungen und schmutzige Geschichten, die hervorgekramt werden. Stattdessen erzählt Regisseur und Drehbuchautor Claude Miller (Die kleine Diebin, Thérèse), wie sich der Protagonist und damit dessen Familie langsam mit der Vergangenheit auseinandersetzen.
Das langsam Entwirren der Geschichte soll durch die Erzählstruktur simuliert werden, was aber nur bedingt klappt. Die Entscheidung, die aktuellste Zeitebene in Schwarzweiß zu inszenieren, muss man auch nicht unbedingt nachvollziehen können. Dafür ist das Drama erstklassig besetzt. Das namhafte Ensemble macht den für insgesamt 11 Césars nominierten Film sehenswert, wenn es die Familientragödie mit Leben füllt. Ein Geheimnis ist kein Film, den man sich anschaut, um Höchstspannung zu erleben. Vielmehr ist das französische Werk ein einfühlsames Beispiel dafür, wie Traumata von Generation zu Generation weitergegeben werden und wie Menschen mit ihrer eigenen Identität ringen auf der Suche nach einer Heilung und Selbstbestimmung.
OT: „Un secret“
Land: Frankreich
Jahr: 2007
Regie: Claude Miller
Drehbuch: Claude Miller, Natalie Carter
Vorlage: Philippel Grimbert
Musik: Zbigniew Preisner
Kamera: Gérard de Battista
Besetzung: Cécile De France, Patrick Bruel, Ludivine Sagnier, Julie Depardieu, Mathieu Amalric, Yves Verhoeven, Sam Garbarski
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2008 | Bester Film | nominiert | |
Beste Regie | Claude Miller | nominiert | ||
Beste Hauptdarstellerin | Cécile De France | nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Ludivine Sagnier | nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Julie Depardieu | Sieg | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Claude Miller, Natalie Carter | nominiert | ||
Beste Musik | Zbigniew Preisner | nominiert | ||
Beste Kamera | Gérard de Battista | nominiert | ||
Bester Schnitt | Véronique Lange | nominiert | ||
Bestes Szenenbild | Jean-Pierre Kohut-Svelko | nominiert | ||
Beste Kostüme | Jacqueline Bouchard | nominiert |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)