Ein Teil von dir

Ihr Leben lang stand Agnes (Felicia Maxime) im Schatten ihrer älteren Schwester Julia (Zara Larsson). Diese ist cool, beliebt, kann spielend leicht andere Menschen für sich gewinnen. Und dann ist sie auch noch mit Noel (Edvin Ryding) zusammen. Agnes kann damit nicht konkurrieren, was zu einem komplizierten Verhältnis zwischen den beiden Schwestern geführt hat. Auf der einen Seite blickt die Jugendliche schon zu Julia auf und eifert ihr nach. Gleichzeitig macht ihr die Situation aber auch zu schaffen, da sie sich mit ihrem Vorbild vergleicht und diesen Vergleich nicht gewinnen kann. Richtig kompliziert wird das Leben von Agnes jedoch, als es zu einem Vorfall kommt, der ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt und sie dazu zwingt, eine eigene Position zu finden …

Der Kampf der Schwestern

Vor einigen Tagen brachte Netflix den ungewöhnlichen Genremix Bionische Schwestern heraus. Der brasilianische Film erzählte von einer Zukunft, in der Menschen sich, das nötige Kleingeld vorausgesetzt, ihre Extremitäten durch technologische Varianten mit deutlich größerer Leistungsfähigkeit ersetzen können. Vor allem erzählte er aber von zwei Schwestern, die in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen und sich gegenseitig anstacheln. Nun kommt mit Ein Teil von dir ein weiterer Film beim Streamingdienst, der von einer schwierigen Beziehung zwischen zwei Schwestern berichtet. Und auch eine Konkurrenzsituation liegt vor, wenn sich Agnes mit Julia zu messen versucht und dabei immer den Kürzeren zieht.

Die schwedische Variante verzichtet dabei auf Science-Fiction-Elemente. Auch der Ausflug in den Krimibereich fehlt. Stattdessen handelt es sich hier um ein reines Drama, welches sich an der Realität orientiert und eine im Grunde alltägliche Geschichte erzählt. Wer selbst ältere Geschwister hat, könnte diese Mischung aus Bewunderung und Neid kennen, die mit einer solchen Konstellation einhergehen kann. Ein Teil von dir stellt jemanden in den Mittelpunkt, dem es so ergeht und der einen Weg für sich finden muss, in dieser Welt zu sein und einen Platz zu finden. Im Grunde ist das klassisches Coming-of-Age-Material also. Während die meisten Filme aber die Eltern oder die Schule als Hintergrund für die Selbstfindung nehmen, wird es hier eben die Schwester.

Coming of Age trifft Trauerdrama

Richtig kompliziert wird dies jedoch durch – Vorsicht Spoiler – den Tod von Julia. Plötzlich geht es nicht nur darum, sich selbst von der älteren Schwester zu emanzipieren, die einen immer überragte. Es geht auch darum, völlig ohne diese auszukommen. Auf diese Weise kombiniert der schwedische Film Coming of Age mit einem Trauerdrama. Das ist als Idee ganz interessant, weil Agnes sich anderweitig lösen muss. Es geht auch mit einigen emotionalen Momenten einher, wenn Ein Teil von dir die Kämpfe der Jugendlichen aufzeigt, die durch den Verlust sich selbst und die Beziehung neu überdenken muss. Die Situation bedeutet für sie eine Chance, aber eben auch einen großen Verlust, weil die Schwester ein Teil ihres Selbstverständnisses war.

Für eine solche Geschichte braucht es jedoch viel Feingefühl. Da wird hier aber nur streckenweise bewiesen. So gibt es zwischendurch viele, vielleicht sogar zu viele Szenen, in denen das Melodram gesucht wird. Ein Teil von dir versucht dann, das alles noch größer zu machen, als es ohnehin schon ist. Gebraucht hätte es das aber nicht. Es führt vielmehr dazu, dass die erwünschten Gefühle auf der Strecke bleiben. Dafür hätten einige der Nebenstränge mehr Aufmerksamkeit verdient. Das bleibt mitunter recht rudimentär, lässt Geschichten und Figuren fallen oder baut sie nicht genügend auf. Zu große Ansprüche sollte man hieran deshalb nicht haben. Aber es ist doch ein solides Drama mit einer gut aufspielenden Hauptdarstellerin, das einiges über Geschwister zu sagen hat und das man sich ganz gut anschauen kann.