Einhundertvier
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Einhundertvier

„Einhundertvier“ // Deutschland-Start: 23. Mai 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Kaum ein Thema ist derzeit so allgegenwärtig wie das der Migration. Das betrifft die Medien und die politischen Debatten. Aber auch im Filmbereich führt derzeit kein Weg dran vorbei, regelmäßig werden neue Filme gedreht, die sich auf die eine oder andere Weise mit der Flucht von Menschen auseinandersetzen. Und das in ganz Europa. Sieger Sein, welches sich mit einem Flüchtlingsmädchen befasst, das neu in die Fußballmannschaft kommt, wurde kürzlich als bester Kinderfilm beim Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Das rastlose Drama The Story of Souleymane folgte einem jungen Mann aus Guinea-Bissau, der sich in Paris auf eine wichtige Befragung zu seinem Asylantrag vorbereitet. Das kontrovers diskutierte Green Border wiederum zeigte die menschenverachtende Arbeit polnischer Grenzschützer.

Echtzeitaufnahmen einer Seenotrettung

Nun kommt mit Einhundertvier wieder eine deutsche Doku in die hiesigen Kinos, die sich damit auseinandersetzt. Genauer schauen wir hier dabei zu, wie die Besatzung eines Rettungsschiffs den Menschen auf einem sinkenden Schlauchboot zur Hilfe eilt. Die Zahl im Titel bezieht sich dabei auf die Geflüchteten: Insgesamt 104 Leute drängten sich auf das Boot und harrten dort aus. Die Situation ist prekär, da niemand die Ankommenden in den Häfen aufnehmen will. Irgendwann taucht auch die lybische Küstenwache auf, was grundsätzlich Ärger bedeutet. Die Geschichten von Menschen, die auf der Flucht über das Meer elend ertrunken ist, haben die Runde gemacht. Wer ihnen jedoch helfen will, riskiert juristische Schwierigkeiten – und jede Menge Anfeindungen.

Über dieses Drumherum erfährt man hier jedoch relativ wenig. Es geht Regisseur Jonathan Schörnig nicht darum, große Kontexte zu erschaffen oder das Geschehen zu kommentieren. Er beschränkt sich darauf, die Seerettung als solche bildlich festzuhalten. Das Ergebnis ist dabei deutlich ambitionierter, als man das eventuell erwartet hätte. Zum einen wird Einhundertvier in Echtzeit erzählt, spricht die gesamte Rettung wird „live“ festgehalten, anstatt die Höhepunkte zusammenzuschneiden. Ungewöhnlich ist aber auch, dass sechs Kameras parallel zum Einsatz kommen, die per Splitscreen unterschiedliche Perspektiven auf den Einsatz zeigen. Das Publikum kann auf diese Weise immer hin und her wechseln, beispielsweise auf dem Rettungsschiff bleiben oder sich mit auf das Beiboot begeben.

Zwischen packend und ermüdend

Das wird für manche eventuell nach einem Gimmick klingen. Und doch trägt es maßgeblich zur Wirkung des Dokumentarfilms bei. So verstärken die verschiedenen Perspektiven den Echtzeitaspekt noch weiter. Es führt auch vor Augen, wie die einzelnen Crewmitglieder zusammenarbeiten und was es überhaupt bedeutet, eine solche Rettungsaktion durchzuführen. Einhundertvier hat eine sehr rastlose Qualität, was auch gut zur steigenden Verzweiflung passt. Denn auch wenn die Besatzung versucht, auf die Geflüchteten einzureden und diese bittet ruhig zu bleiben, macht sich Panik breit. Die Aktion ist ein Wettlauf gegen die Zeit und geht mit jeder Menge Frust einher, auf beiden Seiten. Trotz der sehr nüchternen Art kommen hier also ordentlich Emotionen rüber.

Gleichzeitig ist das Ganze schon ziemlich ermüdend. Der Verzicht, sich auf die Höhepunkte zu beschränken und stattdessen den gesamten Ablauf zu zeigen, führt auch dazu, dass sich vieles wiederholt. Man kann hier schon gar nicht mehr zählen, wie oft die Besatzung die Geflüchteten dazu aufruft, sitzen zu bleiben und Ruhe zu bewahren. Das veranschaulicht, wie anstrengend diese Arbeit für die Beteiligten ist, wenn schon das bloße Zuschauen zu einer Tortur wird. Ob man sich das antun will, ist natürlich eine persönliche Entscheidung. Beeindruckend ist der Beitrag von der DOK Leipzig 2023 aber auf jeden Fall. Es gelingt Einhundertvier tatsächlich, dem allgegenwärtigen Thema noch neue Facetten abzugewinnen, die man in der Form sicher noch nicht gesehen hat.

Credits

OT: „Einhundertvier“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Jonathan Schörnig
Drehbuch: Jonathan Schörnig, Johannes Filous
Kamera: Jonathan Schörnig, Johannes Filous

Bilder

Trailer

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Einhundertvier
fazit
„Einhundertvier“ begleitet ein Schiff während einer Rettungsaktion von Geflüchteten auf einem Boot. Das ist durchaus spannend durch die Echtzeitaufnahmen und die sechs parallelen Splitscreens, die das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven zeigen, auch wenn der Dokumentarfilm auf Dauer ermüdend ist.
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