Geheimnisse der Neandertaler

Wer ein Interesse an Dokus zu historischen Themen hat, wird bei Netflix immer mal wieder fündig. In den letzten Monaten gab es beispielsweise Testament: Die Geschichte von Moses, Wendepunkt: Die Bombe und der Kalte Krieg und Einstein und die Bombe, die sich alle bestimmte Persönlichkeiten oder Ereignisse ausgesucht und für das Publikum daheim vor den Bildschirmen aufbereitet haben. Der Bedarf scheint also da zu sein, immer wieder schaffen es die Filme und Serien bis in die Top 10. Wer eine Vorliebe für solche Produktionen hat, für den hat der Streamingdienst nun Nachschub. Bei Geheimnisse der Neandertaler geht es, wie der Titel bereits verrät, um die Menschenart, die eng mit unserer verwandt war und vor 40.000 Jahren ausgestorben ist.

Einführung in die Thematik

Die meisten dürften von dieser bereits gehört haben, auch wenn vieles auf Vorurteilen basiert. Bis heute wird Neandertaler gern mal als Beleidigung genommen, um andere als primitiv zu brandmarken. Ein Grund dafür ist, dass er ausgestorben ist, wir aber nicht, was dann den Schluss nach sich zieht, dass er uns unterlegen war. Dabei will Geheimnisse der Neandertaler eine Lanze für den unterschätzten Verwandten brechen und präsentiert eine Reihe von Hinweisen, die belegen sollen, dass an ihm mehr dran war. Wobei vieles spekulativ bleibt. Tatsächlich gibt er uns bis heute Rätsel auf. Dazu zählt auch die Frage, weshalb genau er eigentlich ausgestorben ist. Theorien gibt es viele. Aber es sind eben nicht mehr als Theorien.

Aus dem Grund kann dann auch die Doku keine endgültigen Antworten liefern. Sie liefert ja nicht einmal wirklich etwas Neues, zumindest nicht für ein Publikum, das sich für das Thema interessiert. Überflüssig ist Geheimnisse der Neandertaler deshalb nicht. Regisseur Ashley Gething, der zuvor unter anderem über das britische Königshaus und Jack the Ripper berichtete, richtet sich an Zuschauer und Zuschauerinnen, die noch nicht viel wissen. Das liegt auch an der Laufzeit: Mit rund 80 Minuten kann das gar nicht wirklich in die Tiefe gehen. Mehr als eine Art Einführung in die Thematik ist unter diesen Bedingungen nicht drin. Da hätte es schon eine Serie gebraucht, um das alles zu vertiefen und vielleicht auch manche Bedeutungen besser herauszuarbeiten.

Stimmungsvolle Zeitreise

Hinzu kommt: Die Zeit wird nicht allein zur Wissensvermittlung genutzt. Um die Geschichte etwas stimmungsvoller zu machen, werden immer wieder Szenen eingebaut, welche das damalige Leben veranschaulichen sollen. Wobei das nicht die Ausmaße etwa von Alexander der Große: Wie er ein Gott wurde annimmt, wo das Fiktionale das Historische immer mal wieder überdeckt. Bei Geheimnisse der Neandertaler begnügt man sich damit, irgendwelche Landschaftsaufnahmen zu zeigen oder nachgestellte Neandertaler zu platzieren. Die tun dabei nicht wirklich etwas. Wer erwartet, hier ein Pendant zu Der Mann aus dem Eis zu sehen, wo das fiktionalisierte Leben eines Steinzeitmenschen gezeigt wurde, sieht sich getäuscht. Die Passagen dienen allein der Stimmung, haben keinen narrativen Zweck.

Das ist hübsch anzusehen. Wer sich das englische Original anschaut, kommt zudem in den Genuss der Stimme von Patrick Stewart, der als Erzähler durch die Doku führt. Der inhaltliche Hauptteil besteht aber in den obligatorischen Interviews mit Experten und Expertinnen. Das Ergebnis ist ein solider Dokumentarfilm, der natürlich maßgeblich auch von der Faszination lebt, welches das Thema bis heute ausübt. Wie waren unsere nächsten Verwandten? Was war gemeinsam, was unterschiedlich? Und auch wenn Geheimnisse der Neandertaler darauf gar nicht so viele Antworten hat, wie man sich das vielleicht wünschen würde, ist das interessant und kurzweilig genug, um sich auf eine spekulative Zeitreise zu begeben.