Es ist ein gewaltiger Coup, der Interpol-Agentin Juliette Pribeau (Julia Koschitz) da gelungen ist: Bei einer Razzia im deutschtschechischen Grenzgebiet stößt sie auf eine Lieferung gefälschter Medikamente. Die Spur führt dabei zu Günther Kompalla (Heiner Lauterbach), Besitzer des erfolgreichen Pharmahändlers KompaPharm. Der hat aber gerade ganz andere Sorgen, aufgrund eines Krebsleidens bleiben ihm nur noch wenige Monate. Während er versucht, sich mit seiner in Indien lebenden entfremdeten Tochter Katrin (Luise Heyer) auszusöhnen und sein Vermächtnis zu klären, taucht Pribeau immer tiefer in den Medikamentensumpf ab. Dabei kreuzt sich ihr Weg mit dem der mächtigen Pharmalobbyistin Prof. Vera Edwards (Maria Furtwängler) …
Auf den Spuren eines Skandals
Einfache Unterhaltung? Damit hat Daniel Harrich eher weniger am Hut. Wenn der deutsche Regisseur und Drehbuchautor einen Film dreht, dann verfolgt er traditionell gesellschaftliche Absichten. So erzählte er zuletzt in Am Abgrund, wie westliche Demokratien ihre Überzeugungen über den Haufen werfen, um von autoritären Staaten Rohstoffe zu bekommen. 2022 behandelte er in Bis zum letzten Tropfen Wasserknappheit und allgemein den fragwürdigen Umgang mit der wertvollen Ressource. Schon etwas älter ist Gift. Aber auch in der TV-Produktion von 2017 geht es um ein bedeutendes Thema, welches es verdient, im Fernsehen zur besten Sendezeit behandelt zu werden.
Harrich tut das im Stil eines investigativen Dramas. Solche Filme gab es in den letzten Jahren einige. Meistens sind es dann engagierte Journalisten und Journalistinnen, die irgendwelche Missstände aufdecken. Bei Vergiftete Wahrheit war es ein Anwalt, der gegen die schmutzigen Praktiken eines Chemiekonzerns ankämpfte. Bei Gift ist es dann eben eine Interpol-Agentin. Das lässt einen eigentlich erwarten, dass es hoch her geht. Undercoveraktionen oder Verfolgungsjagden zum Beispiel, typische Elemente eines Thrillers eben. Doch davon ist hier nichts zu finden. Die ARD-Produktion verzichtet darauf, irgendwelche Nervenkitzel-Momente einzubauen, um das Publikum zu erfreuen, obwohl sich das an mehreren Stellen angeboten hätte.
Die üblichen Klischees
Das ist nicht grundsätzlich verkehrt. Man muss nicht jedes Thema reißerisch aufarbeiten. Nur landet der Film etwas ungünstig irgendwo dazwischen. Für eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Stoff ist das zu oberflächlich, verlässt sich zu sehr auf Klischees und auch stereotype Figuren. Ob es nun die aufrechte Agentin ist oder die verschlagene Lobbyistin, interessant ist da niemand. Bei dem reichen Unternehmer versucht Gift schon irgendwie, durch die späte Reue eine Ambivalenz ins Spiel zu bringen. Es kommt dann auch zu einer vielversprechenden Allianz. Richtig viel zu sagen hat der Film dennoch nicht dazu. Man hat hier beim Anschauen immer wieder das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben – selbst bei der Erstsichtung.
Letzten Endes läuft die Geschichte dann auch nur darauf hinaus, dass es Unternehmen gibt, die für den Profit über Leichen gehen. Das dürfte das Publikum aber auch vorher schon gewusst haben. Zumal die Pharmaindustrie sowieso ein beliebtes Feindbild ist: Wer mit Krankheiten sein Geld macht, wird grundsätzlich misstrauisch beäugt. Auch die Politik wird gern unter Generalverdacht gestellt. Mehr als ein „das habe ich schon immer gewusst“ springt bei Gift nicht heraus. Wer nicht mehr braucht als das oder sich über die da oben aufregen möchte, bekommt hier reichlich Anlass dazu. Für andere wird das prominente Ensemble als Argument dienen, da finden sich schon einige bekannte Gesichter vor der Kamera. Unbedingt gesehen haben muss man das Drama aber nicht. Dafür holt es gerade auch aus den Figuren nicht genügend heraus.
OT: „Gift“
Land: Deutschland
Jahr: 2017
Regie: Daniel Harrich
Drehbuch: Daniel Harrich, Gert Heidenreich
Musik: Ian Honeyman
Kamera: Gernot Roll
Besetzung: Heiner Lauterbach, Julia Koschitz, Maria Furtwängler, Luise Heyer, Arfi Lamba, Ulrich Matthes, Martin Brambach, Francis Fulton-Smith, Michael Roll, Michael Brandner
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