High and Low John Galliano MUBI
© MUBI

High & Low – John Galliano

„High & Low – John Galliano“ // Deutschland-Start: 11. April 2024 (Kino) // 26. April 2024 (MUBI)

Inhalt / Kritik

In der Öffentlichkeit zu stehen und in einem Beruf tätig zu sein, der einem körperlich sowie mental viel abverlangt, verträgt sich nicht unbedingt gut mit dem Tempo sozialer Medien. Nicht nur, dass wir angehalten sind, in derselben Geschwindigkeit zu arbeiten, es werden auch unsere schwachen Momente festgehalten, geteilt und tausendfach kommentiert, sodass man seine Karriere oder gar seinen guten Ruf ruiniert hat. Diese Momente zeigen aber zugleich, was schief läuft in einer Welt, in der viel über einen Menschen medial verbreitet werden kann, man aber dennoch nichts übereinander weiß. Als der britische Modedesigner John Galliano 2011 dabei gefilmt wurde, wie er die Besucher eines Pariser Cafés belästigte, antisemitische Beleidigungen von sich gab und auch körperlich aggressiv wurde, machte das Video schnell die Runde in den Medien. Der Prozess wegen Beleidigung, der später folgte, wurde kontrovers in den Medien diskutiert, doch die Karriere des Designers schien ruiniert. Zwar gelang es ihm, sich in den Folgejahren zumindest beruflich etwas zu rehabilitieren, doch seine öffentlichen Auftritte sind bis heute sehr umstritten.

In seiner Dokumentation High & Low – John Galliano verfolgt Regisseur Kevin MacDonald (Der letzte König von Schottland) daher gleich zwei Ziele. Zum einen geht es um das Leben und Werk eines gefeierten Künstlers, der viermal die Ehrung zum Britischen Designer des Jahres in den Händen halten durfte und bei bekannten Modehäusern wie Givenchy und Dior als Chefdesigner beschäftigt war. Darüber hinaus ist die als „Langzeitbeobachtung“ beschriebene Dokumentation ein Bild des Absturzes Gallianos, wobei dieser schon vor den Ereignissen von 2011 begann. Neben Freunden, Kollegen und Wegbegleitern wie Kate Moss und Naomi Campbell kommt natürlich auch Galliano selbst zur Wort. Dabei ist High & Low aber nicht nur Biografie, sondern eine Dokumentation über die Modewelt der 1980er und 1990er, und wie diese sich langsam aber immer mehr in eine von Kommerz bestimmte Welt verwandelte.

Napoleonische Anwandlungen

Während seines Designstudiums besuchte John Galliano eine Vorstellung von Abel Gances Kriegsdrama Napoleon. Die Bilder der Soldaten, die vor den Angreifern fliehen, wie ihre Mäntel im Wind flattern und einige von ihnen in den Schnee fallen, sollten seine ersten Kreationen beeinflussen und immer wieder bei seinen Modeschauen auftauchen. In Kevin MacDonalds Dokumentation sind sie so etwas wie Leitmotive, die immer wieder aufblitzen und das Geschehen in Verbindung bringen mit dem Schicksal des von Schauspieler Albert Dieudonné gespielten Napoleon im Spielfilm.

Auf die Nachfrage, ob nicht auch selbst bemerke, dass er sich immer wieder „napoleonisch“ inszeniert habe, kann Galliano zwar nur lachen, aber dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass sich der Designer, wie viele seiner Kollegen, ebenso auf einem Feldzug befand, den er selbstzerstörerisch, ohne Rücksicht auf Verluste und mit schwindendem Realitätsbezug immer weiter führte. Man kann über High & Low sicherlich vieles sagen, aber nicht, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt und Galliano durchaus nicht nur als Betroffener angesehen werden kann, was auch in den Gesprächen mit ihm deutlich wird.

Ähnlich wie Alexander McQueen – Der Film funktioniert auch High & Low als Chronologie der Modeindustrie. Gerade hier zeigen sich die Stärken der Dokumentation, wenn MacDonald mittels Gesprächen und Archivaufnahmen verdeutlicht, wie immer weniger die Kunst im Vordergrund steht und es immer mehr ums Geschäft geht, was von allen Beschäftigten immer mehr abverlangt. Das mag nicht Gallianos verbale Entgleisung entschuldigen, zeigt sie jedoch in einem größeren Zusammenhang. Wie bei seinem Kollegen McQueen war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem solchen Zwischenfall kommen musste, doch bis dahin ist man fürs Arbeiten noch gut genug.

Credits

OT: „High & Low – John Galliano“
Land: UK
Jahr: 2023
Regie: Kevin MacDonald
Musik: Tom Hodge
Kamera: David Harriman, Magda Kowalczyk, Patrick Bossier, Nelson Hume

Bilder

Trailer

Filmfeste

Telluride Film Festival 2023
Filmfest Hamburg 2023
Zurich Film Festival 2023

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

High & Low – John Galliano
fazit
„High & Low – John Galliano“ ist eine Dokumentation über den bekannten britischen Designer und über die Entwicklung der Modewelt hin zu einer Industrie. Kevin MacDonalds Film ist informativ und gerade aufgrund seiner zweiten Aspekts sehenswert.
Leserwertung0 Bewertungen
0
7
von 10