Wenn man ihn auf der Straße antrifft, sieht Eichi Furuya (Takuma Fujie) aus wie ein Elvis-Imitator, doch eigentlich ist er Privatdetektiv. Spezialisiert hat er sich auf Betrügereien von Ehepartnern, denen er auflauert und auf frischer Tat ertappt, wobei diese Aufträge in letzter Zeit immer weniger werden und er finanziell etwas in Not gekommen ist. Da kommt der Auftrag seiner Ex-Geliebten Kyoko (Kyoka Minakami) gerade richtig, denn sie ist auf der Suche nach Erinnerungen an ihren kürzlich verstorbenen Vater auf einen Film gestoßen, der ihn mit einer fremden Frau zeigt. Sie will die Frau, die ihr Vater so liebevoll inszeniert, unbedingt kennenlernen und möchte, dass Eichi ihr dabei hilft, sie ausfindig zu machen. Dank seines großen Wissens über die Geografie Japans hat Eichi schnell heraus, wo der Film gemacht wurde und die beiden machen sich auf nach Jogashima, einer kleinen Ortschaft am Meer. Dort haben sie die Lösung des Rätsels schnell gefunden und treffen auf eine junge Frau, die ihnen weiterhelfen kann. Während für Kyoko der Fall damit erledigt ist und die wieder nach Tokio zurück möchte, meint Eichi, dass an der Geschichte noch weitaus mehr dran ist.
Moderne Detektive
Lonesome Vacation ist der zweite Spielfilm von Regisseur und Drehbuchautor Atsuro Shimoyashiro. Mit diesem verneigt er sich vor den Größen des Detektivromans und -films und zitiert mehr als einmal berühmte Figuren wie Philipp Marlowe und dessen Schöpfer Autor Raymond Chandler. Der Film, der im Programm der Nippon Connection 2024 vertreten ist, ist aber weitaus mehr als eine Homage, denn Shimoyashiro erzählt zugleich eine interessante und unterhaltsame Geschichte über die Bedeutung von Wahrheit und Fakten für unser Leben und unsere Identität, wobei er über die Frage nachdenkt, ob es wirklich so hilfreich ist, alles über seine Vergangenheit zu wissen.
Dreh- und Angelpunkt einer Detektivgeschichte ist natürlich der Ermittler selbst. Mit Eichi Furuya liefert Shimoyashiro dem Zuschauer eine Figur, die, wie schon angedeutet, angelehnt ist an die großen Vorbilder, aber eben auch über diese hinausgeht. Furuya spielt diesen jungen Mann mit einer gewissen Lässigkeit, die trügerisch ist, denn hinter der Fassade dieses Menschen, der wie eine Mischung aus Punk und Elvis-Imitator wirkt, operiert ein stets wacher Verstand. Schnell merkt er, wenn hinter eine Aussage eine Falle ist oder jemand ihm nicht die Wahrheit sagt, doch ebenso die Emotionen seines Gegenübers. Wie Marlowe ist er auch ein Romantiker, der empfänglich für die Schönheit seiner Umgebung ist, erst recht, wenn diese so herrlich ist wie die Küstengegend, an die ihn seine Ermittlung bringt. Es ist eine vielschichtige, sehr unterhaltsame Vorstellung des jungen Schauspielers, für die alleine man sich schon eine Sichtung von Lonesome Vacation lohnt.
Viele Fakten, viele Wahrheiten
Wie bei einer Detektivgeschichte üblich, ist der Auftrag des Detektivs sehr viel komplexer als zunächst angenommen. Der Urlaub, auf den der Titel verweist, hält nicht lange an, denn schon bald ist man tief in einer Geschichte über Identität, Familiengeheimnisse und Enttäuschungen, die noch viele Jahre später tiefe Wunden hinterlassen haben. Insbesondere die Bilderwelten dieses minimalistisch gemachten Filmes wirken wie Gemälde oder Monumente eines Lebens, was hätte sein können, wie das Video, mit dem die Reise beginnt, bereits andeutet. Die Fakten der Ermittlung sind nur ein Teil, wie Furuya weiß, und diese an den Klienten weiterzutragen, ist mit einer Verantwortung verbunden, die nichts mit Geld zu tun hat. Lonesome Vacation wird zu einem Film über das Schweigen und den Schmerz, der nach dem Aussprechen einer Wahrheit kommt, und bei der unser Detektiv entscheiden muss, ob es menschlich vertretbar ist, diese mitzuteilen. Shimoyashiro benötigt für seine Inszenierung keine Schwarz-Weiß-Kontraste, um anzudeuten, dass es mehr als nur die eine Wahrheit auf dieser Welt geht und das Herz eines Menschen unergründlich ist.
OT: „Lonesome Vacation“
Land: Japan
Jahr: 2023
Regie: Atsuro Shimoyashiro
Drehbuch: Atsuro Shimoyashiro, Futoshi Nakano
Musik: Subarashika
Kamera: Koichi Furuya
Besetzung: Takuma Fujie, Kyoka Minakami, Risa Sakata, Otono Sakurai, Yoichiro Saito
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