Man stelle sich vor, ganz in der Nähe seiner Heimat ragte ein gigantischer Schichtvulkan aus den dunstigen Kasuarinenwäldern empor – aktiv: lavaspuckend, rauchhustend. Der Vulkan Merapi wirkt allgegenwärtig auf der Insel Java in Indonesien. An diesem Ort leben die Menschen mit der ständigen Gefahr eines weiteren Ausbruchs; Feuersbrünste, Erdbeben. Eine skrupellose, paramilitärische Gruppe im Wald, zwei Forschende bei philosophischen Unterhaltungen, alte Fotografien, Archivaufnahmen und Museumsbilder, ein Reporterteam und schweigsame Sandgrubenarbeiter. Und dann gibt es da noch die Rituale im Schatten des Merapi. Auf der Vulkaninsel geht einiges vor sich.
Experimentelle Vulkandoku
Aktive Vulkane können die Existenz der Menschheit bedrohen, Eiszeiten heraufbeschwören, und so kann es schon auf dieser Ebene Sinn machen, sich mit den alten Feuerspeiern zu beschäftigten. Dokumentarfilme über Vulkane gibt es einige. Auf Netflix kann man sich zum Beispiel Der Vulkan: Rettung von Whakaari zu Gemüte führen. In der Arte-Mediathek gibt es sogar eine Doku über den Merapi selbst, Risiko Vulkan – Der Merapi in Indonesien, die als Ergänzung erhellend sein könnte. Zumal es sich bei dem vorliegenden Werk um eine experimentelle, dokumentarische Betrachtung des Naturphänomens handelt.
Bei der Beschreibung der Doku, die 2024 dem DOK.fest München läuft, heißt es, dass ein Vulkanologe, ein Schamane und ein Minenarbeiter an dem Drehbuch mitgeschrieben haben. Regisseur Riar Rizaldi inszeniert Monisme auf eine Weise, dass jede der verschiedenen Perspektiven Zeit und Raum erhält und miteinander verwoben wird, sodass sich am Ende ein Gesamtbild ergibt. Es ist ein roter Mosaik-Faden aus Spielfilm-Elementen, Archivaufnahmen, Metaphern, wechselnden Schauplätzen, Kamerafahrten, O-Tönen. All das wird begleitet von einer atmosphärischen Klanguntermalung. Bis auf ein paar Phasen, die ein wenig zäh daherkommen, wie ein allmählich erkaltender Lavafluss, der weiß auf den Überwachungsvideos aufleuchtet, zieht die Doku in den Bann.
Die Brutalität der Natur
Die Dokumentation startet damit, dass jemand mit einem Sack über dem Kopf durch einen Wald geschleift und hingerichtet wird. Steht die paramilitärische Gruppe auch als Metapher für die skrupellose Wildheit und Brutalität, die die Natur an den Tag legen kann? Es gibt andere Szenen, die plötzlich sehr brutal sind und die man wahrscheinlich nicht erwarten würde, geht man mit dem Gedanken in den Film, eine „klassische“ Doku über einen Vulkan zu sehen. Riar Rizaldi nähert sich der Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln und nutzt unterschiedliche Mittel, seine Idee zu visualisieren.
So wird uns eine Geschichte erzählt, die uns verschiedene Beziehungsebenen zum Merapi-Vulkan näherbringt. Während der Vulkan für die einen im Fokus seismographischer Forschungen steht, versuchen andere Figuren der Erzählung ihren Lebensunterhalt zu verdienen, immer im Ungewissen, ob sie nicht während der Arbeit in der Stein- und Sandgrube sterben könnten. Wieder andere kontrollieren mit Gewalt und Angst die Gerüchte um den Vulkan, damit etwaige Arbeiten problemlos weiterlaufen können und wieder andere halten Rituale und Tänze im Wald ab, während der Rauch rot angestrahlt wird.
Klima-Thriller
Titanische Zerrgesichter, die sich rollend im dunklen Rauch verändern, als schauten sie drohend herab. Die Dokumentation zeichnet ein interessantes Bild davon, wie sehr der Vulkan, wie sehr die Natur die Uhren ablöst und zum Taktgeber des Lebens der Menschen werden kann. Die Politik-Thriller-Elemente klingen interessant an, werden aber nicht völlig aufgelöst, während andere Kunstfilm-Momente die Erzählung vielleicht nicht direkt ins Stocken bringen, aber dafür sorgen können, dass man beim ersten Schauen nicht bei allen Metaphern ganz mitkommt und so bleiben am Ende auch ein paar offene Fragen.
OT: „Monisme“
Jahr: 2023
Land: Indonesien
Regie: Riar Rizaldi
Darsteller: Rendra Bagus Pamungkas, Kidung Paramadita, Whani Darmawan, Puthut Juritno, Yulianto, Suparno
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