Nathalie – Überwindung der Grenzen
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Nathalie – Überwindung der Grenzen

Nathalie – Überwindung der Grenzen
„Nathalie – Überwindung der Grenzen“ // Deutschland-Start: 30. Mai 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Nathalie (Isabelle Carré) ist im Stress. Als EU-Beauftragte ist sie 2020 für ein Flüchtlingscamp nahe des sizilianischen Catania zuständig. Und nun haben Emanuel Macron und Angela Merkel einen spontanen Besuch angesagt. Mitten in der Verschärfung der Flüchtlingskrise durch den inhumanen Kurs von Italiens Innenminister Matteo Salvini wollen sie sich ein Bild von der Lage machen, ganz unangekündigt und inoffiziell. Aber weißt heißt schon spontan bei solch hohen Staatsgästen? Ein genaues Protokoll muss her, nicht nur wegen der Sicherheit, sondern auch um der handverlesenen Fernsehteams  willen, die natürlich diskrete Tipps bekommen. Schließlich will sich jeder der beiden Staatschefs in einem ebenso tatkräftigen wie hilfsbereiten öffentlichen Bild präsentieren. Und darüber haben der französische Vertreter Charlan (Tom Villa) und die deutsche Abgesandte Ute (Ursina Lardi) naturgemäß konträre Ansichten. Als wäre das noch nicht genug, engagiert sich auch noch Nathalies entfremdeter Sohn Albert (Théodore Pellerin) auf der Seite der EU-Kritiker.

Politik und Familie

Darf man sich lustig machen, wenn Leichen Schiffbrüchiger am Strand liegen und die Geretteten nicht an Land dürfen, weil Italien die Grenze dicht macht? Eine Weile staunt man über das ungewöhnliche Genre bei diesem Thema. Aber weil der hierzulande recht unbekannte Regisseur natürlich nicht über die Geflüchteten spottet, sondern nur über die merkwürdigen Mechanismen der EU-Politik, lehnt man sich irgendwann entspannt zurück und genießt den Wahnsinn hinter den Kulissen eines Staatsbesuchs. Schließlich lebt Regisseur und Drehbuchautor Lionel Baier in der gemütlichen Schweiz (Nicht-EU-Mitglied) und kann sich das Chaos der Brüsseler Machtspiele genüsslich aus der Beobachterperspektive anschauen.

Hinzu kommt, dass der Film Privates und Politisches elegant ineinander verschlingt und eines im anderen spiegelt. Besonders im Mutter-Sohn-Konflikt geht es immer um beides. Die brillanten Darsteller Isabelle Carré und Théodore Pellerin schenken einander nichts. Dialogsätze fliegen wie Pfeile durch die karg-romantische sizilianische Landschaft. Ein wenig fühlt man sich an die Wortgefechte zwischen Anke Engelke und Jonas Dassler in Mein Sohn (2021) von Lena Stahl erinnert, nur dass dort der komödiantische Aspekt fehlte und das Duo Carré/Pellerin noch einen Tick krasser und zugleich glaubwürdig agiert. Überhaupt funktioniert die etwas gewagte Kombination von Flüchtlingsthema und Satire vor allem dank herausragender Akteure, wozu auch Ursina Lardi als ehemalige Kurzzeitgeliebte und immer noch gute Freundin von Nathalie zählt.

Weltkulturerbe

Trotz aller Turbulenzen nimmt sich der Film Zeit, außer dem Nebenthema lesbische Liebe auch noch die Lässigkeit des italienischen Lebensstils und insbesondere die Schönheiten von Catania zu würdigen. In einer sehenswerten Sequenz nämlich steigt die quirlig-nervöse, aber stets tapfere Nathalie spontan in einen Reisebus voller Asiaten und parliert in perfektem Chinesisch über die Wahrzeichen der spätbarocken Altstadt, die zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Übrigens ist der Besuch der Chinesen pikant, denn wir befinden uns in den ersten Monaten des Jahres 2020 und das Virus schickt bereits seine ersten Vorboten durch die Medien.

An der Leichtigkeit, mit der alle Beteiligten vom Französischen ins Italienische oder Englische und zurück wechseln, lässt sich auch die untergründige Botschaft des Films ablesen, die nie ausgesprochen wird, aber immer mitschwingt: Egal, wie unfähig und kompliziert die EU-Politik manchmal erscheint, Europa wächst trotzdem – oder gerade dank der vielen Konflikte – zusammen. Wenn dann auf der Tonspur „Freude, schöner Götterfunken“ in der Instrumentalversion erklingt, ist das keineswegs bloß ironisch gemeint, sondern zugleich hoffnungsvoll. Vielleicht setzt sich die Idee, dass alle Menschen Brüder werden sollen, irgendwann auch einmal in der Migrationspolitik durch.

Credits

OT: „La dérive des continents (au sud)“
Land: Schweiz, Frankreich, Italien
Jahr 2022
Regie: Lionel Baier
Drehbuch: Lionel Baier, Laurent Larivière
Kamera: Josée Deshaies
Besetzung: Isabelle Carré, Théodore Pellerin, Ursina Lardi, Ivan Georgiev, Tom Villa, Daphne Scoccia, Adama Diop, Indri Shiroka

Bilder

Trailer

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Nathalie – Überwindung der Grenzen
fazit
„Nathalie – Überwindung der Grenzen“ erzählt von der Flüchtlingskrise und dem Desaster einer fehlenden europäischen Lösung mit satirischer Schärfe und zugleich einem hoffnungsvollen Unterton. In den Hauptrollen glänzen Isabelle Carré und Théodore Pellerin als zerstrittenes Mutter-Sohn-Duo.
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