Nightwatch 2 Demons Are Forever
Szenenbild aus "Nightwatch: Demons Are Forever" von Regisseur Ole Bornedal (© capelight pictures)

Ole Bornedal [Interview]

© Per Arnesen

Ole Bornedal ist ein dänischer Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent. Nach kleineren Arbeiten fürs dänische Fernsehen fand er mit seinem ersten Kinofilm Nightwatch – Nachtwache mit Nikolaj Coster-Waldau (Game of Thrones) in der Hauptrolle international Beachtung. In der Folge übernahm Bornedal bei einer Reihe von Projekten aus dem Horror- und Thrillerbereich die Regie, unter anderem bei Alien Teacher (2002), Bedingungslos (2007), Small Town Killers (2017), Possession – Das Dunkle in Dir (2012) sowie dem US-amerikanischen Remake zu Nightwatch, Freeze – Alptraum Nachtwache von 1997.

Fast 30 Jahre nach dem ersten Film drehte Bornedal mit Nightwatch: Demons Are Forever eine Fortsetzung zu Nightwatch, die in Deutschland unter anderem auf den Fantasy Filmfest White Nights gezeigt wurde. Anlässlich des kommenden Kinostarts am 16. Mai 2024 unterhalten wir uns mit Ole Bornedal über den Film, das Wiedersehen mit den Figuren von Damals sowie die

Wenn du dich an den ersten Drehtag von Nightwatch zurückerinnerst, was hat sich seitdem für dich als Regisseur geändert? Gehst du Projekte anders an?

Das ist direkt eine sehr schwierige Frage zum Einstieg. (lacht)

Ich hoffe, dass ich ein besserer und cleverer Regisseur als zu Beginn der 1990er bin. Das Problem mit dem Sammeln von Erfahrungen ist natürlich, dass man dazu tendiert, nicht nur Dinge anders zu machen, sondern auch komplexer. Wenn man seinen ersten Film macht, arbeitet man so schnell es geht und trifft sehr simple Entscheidungen, oder zumindest meint man, dass sie simpel sind. Wenn man dann älter und erfahrener wird, öffnet dies den Blick für die anderen Optionen, die man noch hat und man braucht vielleicht länger. Meine Ambition ist es, sich dieser unterschiedlichen Optionen bewusst zu sein, modern zu inszenieren und, wie ich schon sagte, cleverer zu werden.

Als ich Nightwatch machte und der Film in die Kinos kam, kam mir das damals alles zu einfach vor. Wenn ich jetzt zurückdenke, war ich vor 30 Jahren ziemlich vorlaut und arrogant. Ich erinnere mich an ein Interview mit der dänischen Presse, in dem ich sagte, dass der Film zwar okay sei, aber noch viel besser hätte sein können. Ich versicherte, dass mein nächster Film noch viel besser werden würde. Meine Produzenten nahmen mir das sehr übel, denn sie meinten – nicht ganz zu Unrecht – ich würde den Film reduzieren und negativ darstellen.

Ich bin bis heute sehr kritisch mit meinen eigenen Filmen, habe aber gelernt, wie ich diese Meinung äußern kann, ohne dabei so arrogant zu klingen wie vor 30 Jahren.

Abgesehen einmal davon, dass Nightwatch dein erster großer Erfolg als Regisseur war, wie siehst du den Film aus heutiger Sicht?

Nightwatch ist aus meiner Sicht eine Coming-of-Age-Geschichte, mit zwei Figuren, gespielt von Nikolaj Coster-Waldau und Kim Bodnia, die dabei sind, erwachsen zu werden. Das ist die psychologische Ebene des Films, die sicherlich dazu beigetragen hat, dass so viele Zuschauer so positiv auf den Film reagiert haben. Nightwatch ist also auf der einen Seite ein Thriller, aber eben genauso eine Geschichte über das Erwachsenwerden.

Für Nightwatch 2 habe ich lange nach genau einer solchen Ebene gesucht. Irgendwann kristallisierte sich dann heraus, dass es um Familien geht, genauer gesagt, um die Geheimnisse, die eine Familie in ihrem Inneren trägt. Es sind Tabu-Themen, über die niemand reden will oder darf. Daraus entwickelte sich die Geschichte einer Tochter, die versucht, ihren Vater zu verstehen und zu retten.

Brauchtest du lange, um Nikolaj Coster-Waldau, Kim Bodnia und auch Ulf Pilgaard dazu zu überreden, ihre Rollen vom ersten Teil noch einmal zu spielen?

Ulf und Nikolaj waren zunächst skeptisch, ließen sich dann aber vom Drehbuch überzeugen. Mit Kim hatte ich schon lange nicht mehr gearbeitet und es ist bis heute noch eine schöne Überraschung für mich, wenn ich sehe, dass er in Nightwatch 2 mitspielt. Ich bedaure, dass im Originaldrehbuch seine Figur nur für zehn Minuten zu sehen ist, denn als er am Set erschien und wir seine erste Szene drehten, bemerkte ich die Energie, die er mitbrachte. Ich hätte ihn gerne noch länger im Film gehabt, so muss ich nun einen neuen Film für ihn schreiben.

Ich mag die Szene im Fußballstadion, wenn Martin und Jens einfach eine Runde Fußball spielen. Könnte dieses nächste Projekt nicht auch ein Sportdrama mit den beiden in den Hauptrollen sein?

Im Drehbuch ist diese Szene sehr einfach geschrieben, mit nur wenigen Zeilen Text und sie wirkt nicht sonderlich bedeutsam, fast schon banal. Als ich dann im Schneideraum saß, merkte ich, wie schön dieser Moment eigentlich ist, den wir da gefilmt hatten. Man sieht nicht oft im Film, dass zwei erwachsene Männer einfach Spaß haben und zusammen spielen. Daraus könnte man nicht nur einen Film machen, sondern gleich eine ganze Serie. Kim und Nikolaj hätten daran sicherlich Spaß. (lacht)

Ulf Pilgaard ist ein Schauspieler, der nicht viel machen muss, um eine Wirkung beim Zuschauer zu erzeugen. Wenn seine Figur das erste Mal auf Emma trifft, ist das wie die erste Begegnung zwischen Clarice Starling und Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer.

In Dänemark ist Ulf einer der bekanntesten komödiantischen Schauspieler. Jeden Sommer spielt er in der Nähe von Kopenhagen auf einem Festival in einem großen Zelt vieler seiner Nummern und Sketche. Er spielt beispielsweise gerne Queen Margaret, komplett mit Kleid, Make-up und Nagellack. Als die dänischen Zuschauer ihn in Nightwatch oder der Fortsetzung sahen, war das schon ein Schock für viele, denn für solche Rollen ist er nicht bekannt.

Ich glaube, dass er so gut in Nightwatch und Nightwatch 2 ist, hat sehr viel mit seinem Timing zu tun. Viele komödiantische Schauspieler haben das und perfektionieren das mit der Zeit. Ich weiß noch, als ich das Remake zu Nightwatch drehte und Nick Nolte, der Ulfs Rolle spielen sollte, mit sagte, dass könne er einfach nicht besser spielen als Ulf es getan hatte.

Wie schon beim ersten Nightwatch und vieler anderer deiner Projekte ist Nino Jacobsen auch in Nightwatch 2 für das Sounddesign verantwortlich. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm und welche Vorgabe hast du ihm gegeben?

Das Sounddesign meiner Filme ist mir immer sehr wichtig. Das geht zurück zu meiner Arbeit für das dänische Radio, die mich sehr bekannt machte und während der ich „Splinter-Sound“ erfand, eine Art neue Sprache, die über Klänge und Geräusche funktioniert und mit deren Hilfe ich ganze „Soundscapes“ erschaffen konnte. Natürlich arbeite ich mit Nino, doch in erster Linie übernehme ich die Verantwortung für den Sound meiner Filme.

In Nightwatch 2 gibt es eine interessante Szene im Finale des Films. Sie spielt in einem Killer und jemand wird verfolgt. Man hört nur die Schritte der Figuren, wie sie langsamer und schneller werden. So etwas hatte ich noch nie zuvor gemacht, fand es aber während der Mischung eine wirklich tolle Sound-Ästhetik für diesen Teil des Films. Im Horror- und Thrillergenre gilt immer die Faustregel, dass weniger meistens mehr ist und diese Szene ist ein gutes Beispiel dafür.

Eine ähnliche Herangehensweise verfolge ich bei der Filmmusik. Ceiri Torjussen, der die Filmmusik für Nightwatch 2 komponierte, hat mir im Vorfeld mehrere Optionen präsentiert für die einzelnen Szenen des Filmes, von denen einige sehr deutlich auf Horror ausgelegt waren. Das ist aber nicht unbedingt die beste Wahl, weshalb ich mich bei einer der Szenen mit Emma für eine Pianomusik entschieden habe. Dadurch lernt der Zuschauer, dass es um sie geht und ihre Gefühle. Ich finde es wichtig, bei meinen ästhetischen Entscheidungen die Klischees des Genres zu vermeiden.

War das auch der Grund, weshalb der Bösewicht in Nightwatch 2 Popmusik hört? Es gibt ja das Klischee, dass der Bösewicht eines Films immer klassische Musik hören muss.

Ob ich das bewusst so entschieden habe, weiß ich jetzt nicht mehr, aber es ist sehr wahrscheinlich. Weißt du, gerade im Genrefilm gibt es so viele Klischees, die wie Fallen sind oder die Sirenen in der Odysseus-Sage. Sie rufen nach einem und wollen, dass man sich ihnen ergibt, was natürlich das Einfachste wäre. Jeder Aspekt eines Filmprojekts ist damit wie ein Slalomlauf, bei dem man so viele der Sirenen wie nur möglich vermeidet, wobei das nicht immer gelingt. Das sind dann auch die Momente, die sich jeder Kritiker herauspickt. (lacht)

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mir so gut wie keine modernen Horrorfilme ansehe. Die sind doch nur darauf aus, dass man sich entweder erschreckt oder ekelt. Das ist mir einfach zu simpel.

Da du eben deine Vergangenheit beim Radio erwähntest, würde ich dich gerne fragen, wie du heutzutage ein Radiofeature machen würdest? Welches Thema oder Genre würde dich interessieren und wie würdest du es inszenieren?

Ich glaube, dass es etwas Romantisches wäre, wahrscheinlich eine Liebesgeschichte. Jetzt, wo du es sagst, erinnere ich mich an eine Zusammenarbeit mit einem Toningenieur namens Thorsten in den 1980ern. Es ging um einen Monolog einer jungen Frau, die in Paris lebt, kurz bevor die deutschen Truppen dort einfallen. Ich beschrieb ihm das Zimmer, in dem sie liegt, die farbenprächtige Tapete, die Piazza vor dem Haus und den hohen Baum, der in der Mitte des Platzes steht. Im Film ist das alles ein Bild oder eine Abfolge von Bildern, doch wir kreierten nach und nach das „Soundscape“, das all diese Details beinhaltete. Auch dabei ist Reduktion das Stichwort, denn man will den Zuhörer nicht überfahren mit einer Wand aus Sound, das wäre grundfalsch. Manchmal ist es auch interessant, wenn man für einen Moment nichts hört.

Vielen Dank für das tolle Gespräch.



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