In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Filmen gegeben, die sich Landflucht bzw. das drohende Ende von Dörfern zum Thema gemacht haben. Da war beispielsweise die französische Komödie Es sind die kleinen Dinge, bei der eine Bürgermeisterin gegen den Verfall ihres Dorfes kämpft. Der Dokumentarfilm Wir waren Kumpel führte vor Augen, was die drohende Schließung einer Mine für die Menschen vor Ort bedeutet. Und auch das ebenfalls dokumentarische Where We Used to Sleep erzählt von einem Menschen, dessen ländliche Heimat in einem starken Wandel ist, was dann auch für mit großen persönlichen Änderungen für die Bevölkerung einhergeht.
Ein Blick in die Vergangenheit
Genauer nimmt uns Regisseur Matthäus Wörle mit in die rumänischen Berge und erzählt von einem Dorf, das dem Abwasser einer nahegelegenen Mine weichen muss. Die meisten Menschen sind bereits fortgezogen, auf der Flucht vor der giftigen Kloake. Valeria wollte das aber nicht. Stur harrt sie noch immer in ihrem alten Zuhause aus, will sich von nichts und niemandem vertreiben lassen. Umso trauriger ist, dass sie nicht länger dem äußeren Druck widerstehen kann. Das noch immer steigende Wasser bedroht nun auch ihr Haus, weshalb ein Umzug in die Stadt ansteht, wo sie bei ihrem Sohn leben soll. Where We Used to Sleep wurde in der Zeit aufgenommen, als sie sich langsam von der Heimat verabschieden muss.
Der Film ist dadurch zwangsläufig einer, der sehr stark von der Vergangenheit geprägt ist. Da geht es darum, wie sich das Land veränderte und die Minen Reichtum bringen sollten. Da werden dann auch Archivaufnahmen von Nicolae Ceaușescu eingespielt, der über Jahrzehnte das prägte. Valeria erinnert sich aber auch an ihre persönliche Geschichte. Das wird mitunter sehr emotional. Wenn die alte Frau zum Ende hin in Tränen ausbricht, ist die Chance groß, dass das Publikum in ähnlicher Weise reagiert. Where We Used to Sleep wird dabei nicht voyeuristisch, Wörle verzichtet auf die üblichen Tricks wie eine manipulative Musik. Das braucht er auch nicht, die nachdenklich-melancholische Dokumentation geht auch so zu Herzen.
Warnung vor dem Raubbau
Wobei auch die Augen einiges zu tun bekommen. Wir sehen hier betörende Aufnahmen der abgelegenen Gegend. Da sind immer wieder Bilder dabei, die eigentlich Lust darauf machen, selbst in die Berge zu fahren und die unberührte Natur zu erfahren. Wenn da nur nicht die Sache mit dem giftigen Wasser wäre, welches hier nach und nach alle Orte einverleibt, wie in einem Katastrophenfilm oder gar einem Horrorfilm. Manchmal wird es in Where We Used to Sleep geradezu unheimlich, ein bisschen unwirklich auch. Schließlich ist die Gegend überwiegend ausgestorben, nur hin und wieder sehen wir die starrköpfige Einsiedlerin in Gesellschaft.
Der Film selbst enthält sich dabei jeglicher Kommentare, Wörle lässt lieber die Bilder für sich sprechen. Dennoch führt der Beitrag vom DOK.fest München 2024 natürlich schon vor Augen, wohin der Raubbau an der Natur führen kann. Eine Gegend, in der niemand mehr leben kann und die Tiere sich selbst überlassen werden, und das alles der Bereicherung wegen? Das ist auch so deutlich genug. Das ruhig erzählte Where We Used to Sleep ist ein sehenswerter Dokumentarfilm, der anhand eines Einzelschicksals grundsätzliche gesellschaftliche Verwerfungen zeigt und dabei wehmütig einen Blick zurückwirft auf eine bessere und untergangene Welt – wortwörtlich und im übertragenen Sinn.
OT: „Where We Used to Sleep“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Matthäus Wörle
Drehbuch: Matthäus Wörle
Musik: Giuliano Loli
Kamera: Moritz Dehler, Max Kölbl
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)