A Boat in the Garden Slocum et moi
© Urban Sales
A Boat in the Garden Slocum et moi
„A Boat In The Garden“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

François wächst in den 1950ern in einer kleinen französischen Stadt auf. Während das Verhältnis zu seiner Mutter sehr eng ist, bleibt das zwischen ihm und seinem Vater fremd. Zwar blickt der Junge schon zu dem schweigsamen Mann auf, Gemeinsamkeiten finden sie aber nicht. Das ändert sich erst, als sie mit dem Bau eins Boots im Garten beginnen. Als Vorlage hierfür dient ihm das Segelboot des Seemanns Joshua Slocum, dem es als Ersten gelungen war, allein um die ganze Welt zu segeln. Dabei entdeckt François sein Interesse für das Segeln und möchte Teil dieser gemeinsamen Erfahrung werden. Tatsächlich kommen sich die beiden näher, während der Junge beginnt, auch eigene Erfahrungen zu machen …

Ein Träumer sucht seinen Platz

In Deutschland ist der Name Jean-François Laguionie eher wenigen ein Begriff. Tatsächlich hat er nicht einmal eine deutsche Wikipedia-Seite. In Frankreich hingegen ist der Filmemacher eine bekannte Größte, seit Jahrzehnten dreht er Animationsfilme. Von diesen sind nur wenige bei uns erschienen, was sehr schade ist, da sie alle auf ihre Weise sehenswert sind. Sie sind auch sehr unterschiedlich. Angefangen bei der surrealen Odyssee Gwen et le livre de sable (1985) bis zu dem Ökoabenteuer The Prince’s Voyage (2019), da waren reihenweise spannende Werke dabei. Und das gilt auch für A Boat In The Garden, den siebten Langfilm, den er im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere angefertigt hat.

Die fantastischen Elemente, die er immer wieder in seinen Werken unterbringt, fehlen diesmal. Stattdessen hat er ein ruhiges, nachdenkliches Drama vorgelegt, in dem er sich wieder mit sehr menschlichen Schicksalen beschäftigt. Da bietet sich natürlich ein Vergleich mit Louise en Hiver von 2016 an. Damals erzählte er von einer älteren Dame, die ungeplant den Winter in einem verlassenen Ferienort verbringt und sich dabei an ihre Vergangenheit zurückerinnert. A Boat In The Garden hingegen nimmt uns mit zu den Anfängen eines Lebens. Hier lernen wir einen Jugendlichen kennen, der noch nicht wirklich weiß, was er mit sich anfangen soll. Ein Träumer, der noch seinen Platz in der Welt sucht, sich in verschiedener Hinsicht ausprobiert.

Nachdenklich, melancholisch, warmherzig

Diese typischen Coming-of-Age-Elemente verbinden Laguionie und Anik Leray, mit der er wieder mal das Drehbuch geschrieben hat, mit einer komplexen Familiensituation. Erst nach und nach erfahren wir mehr über die Menschen und die Konstellation, aber auch über die Persönlichkeiten. Das betrifft besonders den Vater, der aufgrund seiner verschlossenen Art zunächst ein Rätsel ist. Parallel zu François, der ihm mit der Zeit näherkommt, darf auch das Publikum mehr erfahren. Wobei A Boat In The Garden nicht alles ausformuliert, manches bleibt unausgesprochen, sowohl in der Familie wie auch im Film. Die Stimmung wechselt dabei zwischen nachdenklich, melancholisch, aber auch warmherzig, vereinzelt gar humorvoll. Diese persönlichen Einblicke werden dabei mit einem Porträt der 1950er sowie einer eher ländlichen Region verbunden.

Das Drama berührt, ohne dabei groß auftrumpfen zu müssen. Es gibt keine dramatischen Zuspitzungen oder emotionalen Manipulationen. Auch die Optik ist auf angenehme Weise zurückhaltend. Der Animationsfilm, der 2024 in Cannes Weltpremiere hatte, arbeitet mit gedeckten Farben, die das Ganze wie ein Bilderbuch wirken lassen. Auch die Kombination aus 2D- und 3D-Elementen harmoniert sehr schön. Die großen Produktionen aus den USA mögen mit aufwendigen Effekten protzen und auf diese Weise Eindruck schinden. A Boat In The Garden zieht ein unspektakuläres Ambiente vor und wird auf diese Weise ein intimes, auf reizvolle Weise altmodisches Werk, das viel zu sagen hat. Man muss nur die Geduld und den Willen mitbringen, dem Altmeister auch zuzuhören. Ob der mittlerweile 84-Jährige noch einen weiteren Film drehen wird, ist nicht bekannt. Sollte sein Familienporträt der Abschluss seiner Karriere sein, es wäre ein sehr würdiger, der noch einmal verdeutlicht, dass der Regisseur hierzulande viel mehr Resonanz verdient hätte.

Credits

OT: „Slocum et moi“
Land: Luxemburg, Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Jean-François Laguionie
Musik: Pascal Le Pennec
Drehbuch: Jean-François Laguionie, Anik Leray

Bilder

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A Boat In The Garden
fazit
Mit „A Boat In The Garden“ legt der Animationsaltmeister Jean-François Laguionie erneut ein wunderbares Werk vor. Wenn hier der Bau eines Boots zum verbindenden Element in einer komplizierten Familienkonstellation wird, geht das zu Herzen, ohne laut werden zu müssen. Und auch die schöne Bilderbuchoptik macht das Drama zu einem sehenswerten Spätwerk.
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