Für viele Menschen sind Filme lediglich ein Medium, welches der Unterhaltung dient. Dagegen ist soweit nichts einzuwenden, doch für manche von uns sind sie mehr als das. Wie Literatur oder Musik können sie dem Publikum eine neue Welt eröffnen und zeigen, selbst wenn sie beispielsweise auf einer Romanvorlage basieren. Meistens ist es dann nur ein Film, oder vielleicht auch nur eine Szene oder ein Bild, und wir verstehen auf einmal, welche Faszination und Magie von dem Medium Film ausgeht.
Dass jemand wie Regisseur Martin Scorsese dies nur allzu gut versteht, kann man sich denken, schließlich hat er nicht nur viele der jener Filme gemacht, die bis heute noch diese Wirkung auf ihr Publikum haben, sondern hat sich auch anderweitig darum bemüht, dass Zuschauer die Faszination des Mediums kennenlernen. Er setzt sich beispielsweise schon seit langer Zeit für die Restaurierung sowie das Kuratieren von Filmkunst ein und hat darüber hinaus viele Dokumentationen über Filmgeschichte moderiert. Wer schon einmal in einer dieser Dokumentation hineingeschaut oder ein Interview mit Scorsese gehört oder gelesen hat, der wird vielleicht wissen, dass die Filme des Regieduos Michael Powell und Emeric Pressburger einen besonderen Platz im Herzen Scorseses haben
Auch Regisseur David Hinton gehört zu den zahlreichen Bewunderern Powells und Pressburgers. Bereits in seinem ersten Film The South Bank Show: Michael Powell huldigte er den beiden einflussreichen Filmemachern und ihren Werken wie Die roten Schuhe, Hoffmanns Erzählungen und Leben und Sterben des Colonel Blimp. In seiner neuen Dokumentation Made in England: Die Filme von Powell und Pressburger erzählt er die Geschichte der beiden Filmemacher, ihrer Freundschaft und Zusammenarbeit, doch ebenso von ihrem Einfluss, wobei Martin Scorsese wie eine Art Erzähler durch die Dokumentation wirkt.
Von seiner eigenen ersten Begegnung mit den Filmen des Duos ausgehend führt Scorsese den Zuschauer von den Anfängen der beiden Filmemacher bis hin zu ihren Erfolgen und Misserfolgen, von der Gründung des Produktionsstudios The Archers bis hin zu ihrer Tätigkeit als Macher von Propagandafilmen. Made in England, der auf der Berlinale 2024 seine Weltpremiere feierte, ist dabei nicht nur ein Film über eines der vielen Kapitel des Kinos, sondern eine Erinnerung daran, was die Magie des Mediums ausmacht und welche Wirkung es auf uns haben kann.
Mythische Gestalten
Lange wusste man wenig über Michael Powell und Emeric Pressburger, obwohl sie beispielsweise im US-amerikanischen Fernsehen sehr präsent waren. Viele Regisseure, nicht nur Scorsese, sahen Die roten Schuhe und Die schwarze Narzisse in ihrer Kindheit und Jugend mehrmals im Fernsehen und waren von ihnen so fasziniert, sodass sie als ewiger Quell der Inspiration für ihre eigenen Werke bis heute dienen. Scorsese zieht immerzu Parallelen zwischen Filmen wie Mean Streets zu den Werken Powells und Pressburger, über die es lange keinerlei Veröffentlichungen gab und die im filmwissenschaftlichen Diskurs lange kaum eine Rolle spielten.
Made in England ist daher als Versuch einer Korrektur oder Ergänzung zu verstehen, bei dem der Zuschauer die Filme Powells und Pressburgers (wieder-)entdeckt und zugleich in einen größeren Zusammenhang einordnen kann. Die „mythischen Gestalten“ werden dabei zu Menschen aus Fleisch und Blut und zu Künstlern, die sich einander so ergänzen konnten, dass dabei Filme herauskamen, die den Zuschauer in ihren Bann ziehen können. Besonders gelungen ist hierbei das Kapitel zu ihrer Mitwirkung als Macher von Propaganda, die sich keineswegs als ideologische Erfüllungsgehilfen sahen, sondern Fragen stellten, die in ihrem Heimatland als provokant galten und vielschichtiger waren, als man es zunächst vermuten würde.
OT: „Made in England: The Films of Powell and Pressburger“
Land: UK
Jahr: 2024
Regie: David Hinton
Musik: Adrian Johnston
Kamera: Ronan Killeen
Berlinale 2024
DOK.fest München 2024
Tribeca Film Festival 2024
Amazon (DVD „Made in England: Die Filme von Powell und Pressburger“)
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