Oh Canada
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Oh, Canada

Oh Canada
„Oh, Canada“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Leonard Fife (Richard Gere) ist ein weltberühmter Dokumentarfilmer und Professor. Inzwischen leidet er an Krebs im Endstadium. Allerdings hat er zugestimmt, vor seinem Tod ein letztes Interview mit zwei seiner ehemaligen Studenten (Michael Imperioli und Caroline Dhavernas) zu führen. Diese haben 25 Fragen vorbereitet, anhand derer er die wichtigsten Etappen seines Privatlebens und seiner Karriere aufgreifen soll. Leonard Fife hat jedoch andere Pläne und nutzt das Interview, um mit seiner Vergangenheit aufzuräumen und eine Art letzte Beichte an seine Frau (Uma Thurman) abzulegen.

Eine letzte Beichte

Zu Beginn von Oh, Canada ist die Erzählweise noch gradlinig und zielgerichtet. Es wird deutlich, dass Leonard Fife seine letzte verbleibende Kraft sammelt, um dieses Interview zu geben. Trotzdem vermittelt Richard Geres Charakter eine stoische Entschlossenheit, die Kontrolle zu behalten und seine letzte Beichte nach seinen Vorstellungen abzulegen. Die vorbereiteten Fragen seiner ehemaligen Studenten ignoriert Fife und lässt sich nur hin und wieder dazu hinreißen, seinen Monolog zu unterbrechen. Seine größte Priorität ist, dass seine Frau, gespielt von Uma Thurman, nicht von seiner Seite weicht und von Anfang bis Ende zuhört.

Schrader wechselt in Oh, Canada immer wieder zwischen den Szenen im Hier und Jetzt und der Vergangenheit, in der der junge Leonard Fife durch Jacob Elordi verkörpert wird. Die zu Beginn gradlinige Erzählweise wird schnell aufgebrochen und weicht zunehmend der absichtlich wirr inszenierten Lebensgeschichte Fifes mit Zeitsprüngen und Lücken. Regisseur Paul Schrader visualisiert diese Flashbacks fast wahllos, wechselt zwischen verschiedenen Formaten, zwischen Schwarz-Weiß und Farbe, und selbst die Schauspieler sind teilweise für die falsche Zeit besetzt. Momente in Leonard Fifes Leben, in denen er so jung war, dass Jacob Elordi ihn verkörpern müsste, werden trotzdem mit einem leicht verjüngten Richard Gere besetzt und umgekehrt.

Diese fehlende Kontinuität wählt Paul Schrader ganz bewusst und zeigt damit wirkungsvoll den destruktiven Einfluss, den der Krebs und die Medikamente bereits auf die mentale Gesundheit von Leonard Fife haben. Immer wieder gerät Richard Geres Charakter ins Stocken, wirkt geistig abwesend und kehrt dann zurück zu einem Moment der Klarheit. Die Filmcrew, die das Interview führt, wirkt dauerhaft fast wie ein Fremdkörper, und sogar als Zuschauer fühlt man sich streckenweise wie ein Eindringling, der uneingeladen und voyeuristisch dem letzten Manifest eines Mannes an seine Familie, insbesondere an seine Frau, lauscht.

Gradueller Kontrollverlust

Die Frage des Wahrheitsgehalts von Leonard Fifes „letzter Beichte“ spielt zum Ende des Films keine Rolle mehr. Vielmehr inszeniert Schrader das Dilemma des Verlusts von Kontrolle, nicht nur über den eigenen Körper, sondern auch über die eigene Geschichte. In der ersten Szene wird dem Zuschauer der schlechte körperliche Zustand des Protagonisten gezeigt, ans Bett oder den Rollstuhl gefesselt und auf die Hilfe von Krankenschwestern angewiesen. Aber schnell wird klar, dass ihm trotz aller Bemühungen auch die Kontrolle über seinen eigenen Geist entgleitet und damit letztendlich auch über seine Geschichte und sein Vermächtnis, da seine ehemaligen Studenten frei über sein Interview verfügen können.

Artifizielle Inszenierung

Paul Schraders Spiel bei der Inszenierung und der stetige Wechsel in Format und Farbe lassen sich zwar anhand dessen, was er damit verdeutlichen will, erklären, führen aber dennoch zu einer teilweise frustrierenden Erfahrung für das Publikum. Richard Gere und Jacob Elordi spielen ihre Rollen als der alte und junge Leonard Fife zwar durchweg gut, allerdings fällt es einem als Zuschauer, nicht zuletzt wegen der fehlenden Ähnlichkeit der beiden Schauspieler, oft schwer, die beiden als eine Figur zu akzeptieren. Uma Thurmans Schauspiel ist solide, allerdings bekommt sie abseits von vereinzelten Ausbrüchen von Wut oder Frustration kaum die Möglichkeit in ihrer Rolle zu glänzen.

Credits

OT: „Oh, Canada“
Land: USA
Jahr: 2024
Regie: Paul Schrader
Drehbuch: Russel Banks, Paul Schrader
Musik: Phosphorescent
Kamera: Andrew Wonder
Besetzung: Richard Gere, Jacob Elordi, Uma Thurman, Michael Imperioli, Joshua Bess

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Oh, Canada
fazit
Paul Schrader schafft anhand der fiktiven Geschichte Leonard Fifes in „Oh, Canada“ einen Film über Vergänglichkeit und Reue. Letztendlich zeigt er, dass man sein Vermächtnis nur bis zu einem gewissen Grad selbst beeinflussen kann, bis man schlussendlich unweigerlich die Kontrolle verliert. Trotz teilweise überambitionierter Inszenierung ist „Oh, Canada“ sehenswert und regt zum Nachdenken an.
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