Mit ihrer Kinderbuchreihe über eine magische Welt hat die Autorin Agnès ein großes Publikum erreicht. Aktuell arbeitet sie an einem neuen Band, weshalb sie völlig vergessen hat, dass sie sich bereit erklärt hat, Babysitterin für die beide Schwestern Juliette und Carmen zu sein, während ihre Mutter unterwegs ist. Aber versprochen ist versprochen. Sie bittet nur, noch ein bisschen ausspannen zu dürfen, ein kleines Schläfchen soll ihr die nötige Energie verschaffen, nachdem sie vorher lang an ihrem neuen Werk gesessen hat. Die zwei Mädchen versuchen sich daran zu halten, was aber besonders Juliette schwerfällt. Als diese ein Buch von Agnès öffnet, fällt eine Figur heraus, der die beiden in eine fremde Welt folgen. Dort begegnen sie den seltsamsten Kreaturen, machen aber auch bei sich selbst eine überraschende Entdeckung, haben sie sich doch in Katzen verwandelt und müssen nun nach einem Ausweg suchen …
Das Tor zu einer anderen Welt
Dass Bücher das Tor zu einer anderen Welt sein können, ist kein Geheimnis. Für viele stellen sie eine Möglichkeit dar, den Alltag hinter sich zu lassen, zu träumen, Abenteuer zu erleben. Manchmal ist das mit dem Tor aber auch wörtlich zu verstehen, wenn die Leser und Leserinnen auf diese Weise eine magische Pforte öffnen. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich Die unendliche Geschichte, wo die Lektüre eines Buchs unerwartete Verbindungen offenbart. Auch im Horrorbereich gibt es zahlreiche Titel, die ein solches Motiv verwenden. Letztes Jahr war da beispielsweise Evil Dead Rise, bei dem ein seltsames Buch den Weg für einen Dämon freimacht. Aber es muss ja nicht gleich das Worst-Case-Szenario sein, wie der französisch-belgische Animationsfilm Sirocco und das Königreich der Winde zeigt.
Dieser richtet sich an eine jüngere Zielgruppe und feiert die Kraft der Fantasie. Das gilt einerseits für die Autorin Agnès, die mit ihren Büchern Kinder erfreut und ihnen spannende Abenteuer bietet. Aber auch innerhalb dieser Welt selbst geht es um Kunst und Kreativität. So wird später der Singvogel Selma zu einer wichtigen Begleiterin der beiden Protagonistinnen und fesselt mit ihrem Gesang. Es braucht zudem Einfallsreichtum, um wieder heil aus dieser Welt herauszukommen. Zwar gäbe es anfangs noch eine einfache Möglichkeit, den Weg in die Realität zu finden. Aber dann wäre ja die Geschichte gleich vorbei gewesen. Also heißt es in Sirocco und das Königreich der Winde, lauter Hindernisse einzuführen, sei es ein Antagonist oder auch eine alte Legende, die für neue Gefahren sorgt.
Klassisch und fantasievoll
Für die Schwestern mag das teilweise wenig wünschenswert sein. Zumindest das Publikum darf sich daran aber erfreuen. Regisseur und Co-Autor Benoît Chieux hat schon eine sehenswerte Welt entworfen, die bevölkert ist von sonderbaren Kreaturen. Da bieten sich eine Reihe von Vergleichen an, etwa mit Chihiros Reise ins Zauberland. Animationsfilme, in denen die Hauptfiguren eine magische Welt betreten, gibt es schließlich nicht zu knapp. Sirocco und das Königreich der Winde kann es da nicht ganz mit den Genregrößen aufnehmen. Für sich genommen ist das Abenteuer aber schön anzusehen, verbindet Skurriles mit Verträumten, wenn wir an der Seite der beiden verwandelten Kinder durch fremde Landschaften streifen, die zuweilen eine leicht surreale Note haben.
Fans klassischer Zeichentrickfilme dürfen sich hingegen auf eine Optik freuen, die in der Tradition früherer Werke steht. Chieux, der als Grafikdesigner angefangen hat, ist da ein Vertreter der alten Schule. Insofern verwundert es nicht, dass er mit seinem Solodebüt als Regisseur 2023 das Animationsfestival in Annecy eröffnen durfte und dort auch den Publikumspreis gewonnen hat. Sein Sirocco und das Königreich der Winde nimmt die Zuschauer und Zuschauerinnen mit auf eine Reise, bei der sich Bewährtes und Ungewöhnliches die Waage halten. Da gibt es spannende Momente, Humor, aber auch rührende Szenen, bei denen es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Zwischendurch verläuft sich der Film ein wenig, wenn es mehr um die Reise geht als die Geschichte und man gar nicht mehr genau sagen kann, worum es eigentlich geht. Dennoch ist das hier ein schönes Animationsabenteuer, das hoffentlich auch offiziell seinen Weg nach Deutschland finden wird.
OT: „Sirocco et le royaume des courants d’air“
IT: „Sirocco and the Kingdom of Air Streams“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2023
Regie: Benoît Chieux
Drehbuch: Benoît Chieux, Alain Gagnol
Musik: Pablo Pico
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