Under a Blue Sun Mitahat Le Shemesh Khula
© Daniel Mann

Under a Blue Sun

Under a Blue Sun Mitahat Le Shemesh Khula
„Under a Blue Sun“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Die Erzählungen, mit denen Hollywood die Lichtspielhäuser und Streaming-Plattformen flutet, haben nicht immer ein langes Leben. Von den hunderten Produktionen, die alleine aus den Vereinigten Staaten jedes Jahr auf den Markt kommen, schaffen es nur eine Handvoll ins Kino und wahrscheinlich noch weniger bleiben im Gedächtnis des Zuschauers. Innerhalb dieser kleinen Zahl ist es faszinierend zu untersuchen, warum gerade bestimmte Narrative, Helden oder Themen auf ein solch breites Echo beim Publikum oder in einer Kultur stoßen. Ein solches Beispiel sind die Rambo-Filme, von denen besonders der erste Teil vielen Filmfreunden noch positiv im Gedächtnis geblieben ist, während die Fortsetzungen eher Mittelmaß waren.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet sind aber gerade die Sequels, vor allem Rambo II und III, interessant, weil sie Konflikte in der Welt aufgreifen und mit filmischen Mitteln ein neues Narrativ konstruieren. Rambo wird zu einer mythischen Figur, der nicht nur für amerikanische Werte steht, sondern für einen Heldentypen, der auch im Kontext anderer Kulturen wichtig wird. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet wird Rambo III, ein Sequel, was in der Kritik besonders schlecht wegkommt, zu einer Erzählung über den Freiheitskampf und die bis heute andauernden Konflikte von Menschen gegen die Obrigkeit, wie wir ihn beispielsweise in Palästina beobachten.

Warum ausgerechnet Rambo III so verstanden werden kann, beantwortet Regisseur und Editor Daniel Mann in seiner Dokumentation Under a Blue Sun, die unter anderem auf dem International Film Festival Rotterdam 2024 zu sehen war. Was zunächst als ein Gespräch mit einem Experten für Spezialeffekte namens Bashir Abu Rabiah beginnt, wird spätestens in der zweiten Hälfte zu einer Geschichte über die Beduinen, ihren Kampf um Wohnraum, eine Heimat und generell darum gesehen zu werden. Under a Blue Sun ist dabei mehr als ein Essay über einen Film, sondern vielmehr eine Untersuchung der Beziehung von Realität und Mythos, insbesondere jene, die wir in Hollywoodfilmen zu sehen bekommen. John Rambo, der im Film an der Seite der Mudschahedin gegen die sowjetische Armee kämpft, wird zu einer Art Siegfried, der im Alleingang nicht nur die Armee besiegt, denn er schafft es auch für die Rechte von Menschen einzustehen, die vertrieben wurden. Die Tatsache, dass Rambo III jedoch nicht in Afghanistan, sondern in Israel gedreht wurde, auf einem Land, welches ehemals den Beduinen gehörte, dient als Fundament für die Lesart Manns.

Simulation und neue Wirklichkeiten

Im Abspann von Rambo III heißt es, dass der Film der afghanischen Bevölkerung gewidmet sei. Die Ironie dabei ist nicht nur, dass der Film weder in Afghanistan gedreht wurde, noch Sylvester Stallone oder andere Teile des Teams wahrscheinlich einen Afghanen während des Drehs zu Gesicht bekamen. Dafür aber, wie man in einer Archivaufnahme von Stallone erfährt, wurde man Zeuge der täglichen Angriffe, welche Besetzung und Crew noch im Hotel hören konnten, und von denen es nur wenige bis in die nächste Zeitungsausgabe schafften. Der simulierte Krieg wird zu einer Tatsache, die für Menschen wie beispielsweise Bashir ein Fakt des Lebens ist. Stolz erzählt er von seiner Zeit beim Dreh des Films und wie er Explosionen geschaffen hat, was er Mann und seinem Team dann auch demonstrieren will. Immer wieder gibt es in Under a Blue Sun Momente, in denen sich das überhöhte Narrativ des Actionfilms mit der Wirklichkeit kreuzt und eine andere Sichtweise auf einen andernfalls recht konventionellen Film eröffnet. Der Protagonist wird zu einem ganz anderen Helden, fast schon zu einem Spiegel verschiedener Sehnsüchte, die einhergehen mit dem Kampf um Freiheit, Frieden und Anerkennung.

Die blaue Sonne ist ein Mittel, das unkenntlich macht im Film. Auf einen Hinweis eines Produzenten hin wurde das Licht in Rambo III bei der Nachbearbeitung so verändert, dass es nicht mehr möglich war, genau zu erkennen, wo der Film eigentlich spielt. Indem die Identifikation wegfällt, eröffnet man die Möglichkeit für neue Narrative und Sichtweisen. Die Flüchtlinge, anderen Seite Rambo kämpft, werden zu Repräsentanten anderer Kulturen und ihrer Konflikte, beispielsweise der Beduinen, die von dem Land, auf dem der Film gedreht wurde, vor vielen Jahren vertrieben wurden. Durch die Zusammensetzung von Archivmaterial mit Interviews und natürlich entsprechender Auszüge aus Rambo III entsteht ein faszinierender Blick auf den Actionfilm, der den Blick des Betrachters schult und immer wieder überrascht. Als Zwischensequenzen dienen Mann eigens verfasste Briefe an Stallone, in denen er über seine Begegnung mit Rambo III spricht und auf eine Antwort vom Schauspieler hofft.

Credits

OT: „Mitahat Le Shemesh Khula“
Land: Frankreich, Israel
Jahr: 2024
Regie: Daniel Mann
Drehbuch: Daniel Mann
Musik: Beny Wagner
Kamera: Itay Marom

Bilder

Trailer

Filmfeste

International Film Festival Rotterdam 2024
Filmfest München 2024

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Under a Blue Sun
fazit
„Under a Blue Sun“ ist eine faszinierende und überraschende Dokumentation über eine Lesart von „Rambo III“, die diesen Film als Heldenerzählung um den Freiheitskampf unterdrückter Volksstämme Israels versteht. Regisseur Daniel Mann gelingt ein nachdenklicher Film über die Beziehung simulierter Realität und Wirklichkeit sowie die Wirkungsweise von Narrativen innerhalb einer Kultur.
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