Dass es einen Internationalen Strafgerichtshof gibt, der über die nationalen Grenzen hinaus für Recht und Ordnung sorgen will, davon dürften die meisten schon einmal gehört haben. Richtig präsent ist er aber kaum, man hat nicht unbedingt das Gefühl, dass er wirklichen Einfluss auf das hat, was in der Welt geschieht. Umso größer schlugen die Wellen, als kürzlich anlässlich des Kriegs zwischen Israel und der Hamas sowohl die Regierung wie auch die Terrororganisation angeklagt wurde, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Größere Auswirkungen hatte das bislang aber nicht. Auch das Vorgehen gegen Putin blieb ohne Konsequenzen. Da dürften sich manche gefragt haben: Wozu das Ganze?
Rückblick auf die Geschichte
Eine wirkliche Antwort liefert der Dokumentarfilm War and Justice nicht. Dafür blickt er hinter die Kulissen der Organisation, die 1998 gegründet wurde, um Kriegsverbrechen zu ahnden. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens bringt das Regieduo Marcus Vetter und Michele Gentile den Strafgerichtshof näher. Zu dem Zweck werden frühere Chefankläger gesprochen, der Film kombiniert zahlreiche Interviews mit historischen Aufnahmen. Letztere stehen nicht zwangsläufig mit dem Strafgerichtshof in Verbindung. So gibt es auch eine Rede von Barack Obama, obwohl die USA bekanntermaßen das Abkommen nie ratifiziert haben, da sie – vergleichbar eben zu Israel und Russland, aber auch China und Indien –, nicht für eigene Verbrechen verantwortlich gemacht werden wollen.
War and Justice macht daraus auch kein Geheimnis. Offen gehen die Befragten mit den Herausforderungen und Hürden um, wie sich in einer Welt, in der manche Staaten mächtiger sind und über dem Recht stehen, für Gerechtigkeit gesorgt werden kann. Entsprechend sind da auch immer wieder Passagen in den Film, die ernüchternd sind und die einen daran zweifeln lassen, ob die Ziele überhaupt möglich sind. Und das, obwohl zu dem Zeitpunkt der Terrorüberfall der Hamas und die humanitäre Katastrophe in Gaza noch Zukunft war. Dass der Dokumentarfilm, der beim Filmfest München 2023 Premiere hatte, ausgerechnet jetzt in die Kinos kommt, ist natürlich Zufall. Aber ein glücklicher, da die Diskussionen um eine internationale Rechtsprechung jetzt noch aktueller und dringender sind.
Spannende Aufforderung
Dass Aufgeben keine Option ist, wird durch den Film aber ebenso deutlich. Wenn die Befragten über ihre Mission sprechen, über begangene Kriegsverbrechen und Fälle, dann wird nicht nur die persönliche Motivation erkennbar. War and Justice führt auch die Wichtigkeit vor Augen. Wirklich explizit wird es nur selten, die Verbrechen werden eher beschrieben als gezeigt. Eindruck hinterlässt das aber auch so. Weniger relevant ist der Auftritt von Angelina Jolie, deren humanitärer Einsatz sicher löblich ist, aber ganz offensichtlich nur deshalb eingebaut wurde, um ein bisschen Starpower vorweisen zu können. Man hätte die Passage auch mehr oder weniger rauslassen können, ohne dass es einen nennenswerten Unterschied gemacht hätte.
Eindrucksvoller sind da schon die Auftritte von Ben Ferencz, dem 2023 verstorbenen Chefankläger einer der Nürnberger Prozesse. Durch den Verweis auf die damaligen Verbrechen erhält der Dokumentarfilm noch eine historische Dimension, die ihm ganz guttut. Wem das Thema nicht schon zu viel ist durch die dauernde Kriegsbeschallung, findet in War and Justice daher einen lohnenswerten Beitrag. Sicher könnte man einiges bemängeln. So werden zwar die Grenzen des Strafgerichtshofs aufgezeigt, nicht aber eigene Verfehlungen. Da wäre etwas mehr kritische Distanz nicht verkehrt gewesen. Aber auch in der vorliegenden Form ist das spannend geworden und ist eine Aufforderung, nicht länger wegzuschauen.
OT: „War and Justice“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Marcus Vetter, Michele Gentile
Musik: Jens Huerkamp, Sven Kaiser, Michele Gentile
Kamera: Christian Haardt, Marcus Vetter, Michele Gentile
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