In seinem Roman 1984 entwarf Autor George Orwell eine Welt, in der die totale Überwachung eine Tatsache geworden war und zentral war für die Selbsterhaltung eines autoritären, menschenverachtenden Systems. Die fiktionalen Welten Orwell muten im Jahre 2024 schon längst nicht mehr wie eine Erfindung an, denn viele Aspekte von ihr sind Teil unseres Alltags geworden. Die Überwachung öffentlicher Plätze oder die Auswertung und Hortung von Daten seitens der Geheimdienste geschieht schon sehr lange, auch wenn die Ausmaße uns immer wieder überraschen oder schockieren. Unter dem Vorwand der Sicherheit werden immer mehr Daten erhoben, Deals abgeschlossen mit sozialen Netzwerken und immer wieder neue Partnerschaften mit IT-Firmen unterzeichnet, die Orwells Big Brother immer näher kommen lassen.
Die Personen, die hinter diesen Technologien stehen oder diese entwickeln, stehen dabei meist geflissentlich im Hintergrund oder treten nur selten in der Öffentlichkeit auf. Zwar kennen viele Namen wie Mark Zuckerberg, doch Persönlichkeiten wie beispielsweise Sam Altman oder Peter Thiel sind leider noch nicht so vielen Menschen bekannt, auch wenn Programme wie Chat GPT oder PayPal aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind.
Ein weiteres Beispiel für einen solchen Menschen, der sich meist im Hintergrund aufhält, ist Alex Karp, Mitbegründer und derzeitiger CEO von Palantir Technologies. Wenn man den etwas unscheinbar wirkenden, schlaksigen Herrn zum ersten Mal sieht, wundert das nicht, obwohl seine Firma und deren Software gerade im Bankenbereich und in der Infrastruktur vieler Länder sehr wichtig sind. Palanthir Gotham beispielsweise ist eine Software, die bei der Bekämpfung von Terror helfen soll und dabei Daten auswertet, um Verdächtige zu finden. Karp und seine Mitarbeiter betonen den guten Ansatz des Programms, während Datenschützer und Menschenrechtlicher eine gefährliche Überschreitung in Gotham sehen, die Gesetze aushebelt und leicht missbraucht werden kann. In seiner Dokumentation Watching You – Die Welt von Palanthir und Alex Karp geht Regisseur Klaus Stern (Die Autobahn – Kampf um die A 49) dieser und vielen anderen Fragen auf den Grund, wobei er sowohl die Biografie Karps berücksichtigt als auch die Diskussion um seine Firma. Der Film, der auf dem DOK.fest München 2024 seine Weltpremiere feierte, ist eine informative und teils sehr ernüchternde Dokumentation über den neuen Kapitalismus und die Mentalität, die mit ihm einhergeht.
Der unsichtbare Protagonist
Zu Beginn sehen wir einen jungen Alex Karp, der durch die Straßen New Yorks zieht, in Richtung der Kamera lächelt und sich schließlich auf einer Steintreppe eine edle Zigarre anzündet, die er vorher zeremoniell aus ihrer Folie befreit. Abgesehen von der Zigarre wirkt nichts besonders an diesem jungen Mann, der einem Freund einen Gefallen tut, indem er in diesem Kurzfilm einen „unsichtbaren Protagonisten“ spielt, einen unter vielen. Die Anfangsmomente von Watching You sind symptomatisch für das Bild Karps und seines Unternehmens, denn beide sind umstritten, doch genauso mysteriös und schwer zu fassen. Auch als Karp die Kamera Sterns bemerkt, spielt er mit ihr und ist sich ihrer bewusst, behält aber nach wie vor sein Geheimnis. Diesem freundlich wirkenden Mann kann man die Hand geben und ihn im nächsten Moment auch schon wieder vergessen haben, was irgendwie passt zu einer Gesellschaft, die sich der Überwachung zwar bewusst ist, diese aber in großen Teilen hinnimmt. Wie sein Programm agiert Karp im Hintergrund, schüttelt die Hände von Konzernchefs wie auch Politikern, sodass letztlich niemandem auffällt, welchen Einfluss er tatsächlich hat. Er ist unsichtbar für uns, und doch handelt er.
Ausgehend von diesem Beginn entwirft Stern aber nicht nur das Bild dieses Menschen, sondern verweist zugleich auf die Verstrickungen Palantir in die Struktur eines Landes wie Deutschland. Mit Parallelen zu der Jagd auf die RAF-Terroristen und die damit einhergehende Strategie des damaligen BKA-Präsidenten Horst Herold zeigt Stern auf, zu was ein Programm wie Gotham in der Lage ist und welchen Beitrag es in Sachen Terrorbekämpfung und Polizeiarbeit leisten kann. Zugleich kommen Kritiker zu Wort und damit Fragen nach der Recht- und Verhältnismäßigkeit des Sammelns und Auswertens einer solchen Datenmenge. Genauso geht es um die Frage, inwiefern man sich abhängig macht, als Staat wie auch Konzern, von einem Unternehmen und dessen Ideologie, wenn man nur noch deren Programme benutzt.
OT: „Watching You – Die Welt von Palantir und Alex Karp“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Klaus Stern
Musik: Michael Kadelbach
Kamera: Thomas Giefer
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)